Willkürherrschaft geht weiter

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Das Ergebnis der turkmenischen Präsidentenwahlen am kommenden Wochenende steht leider bereits fest: Ein neuer Präsident kommt, aber die alte Diktatur bleibt.

Die Wahlen in Turkmenistan am kommenden Sonntag werden reine Formsache sein: Die sechs Kandidaten kommen alle aus der alten Garde rund um den am 21. Dezember letzten Jahres verstorbenen Präsidenten Saparmurat Nijasow. Und um noch den letzten Unsicherheitsfaktor am Ausgang der Wahlen auszuschließen, haben sich die staatlichen Medien und höchsten Regierungsbeamte geschlossen für den jetzigen Interimspräsident Gurbanguly Berdymukhammedov ausgesprochen. Ursprüngliche Befürchtungen, dass nach dem Tod Nijasows im Land blutige Machtkämpfe und Chaos ausbrechen würden, haben sich nicht bewahrheitet, allerdings ist auch die Hoffnung gering, dass Turkmenistan eine tatsächliche Demokratisierung erleben könnte.

Das Ende der Sowjetunion und die Unabhängigkeit 1991 brachte dem Land eine neue Gewaltherrschaft, die in ihrer Grausamkeit dem Terror der stalinistischen Zeiten kaum nachstand. Saparmurat Nijasow, bereits seit 1985 Chef der kommunistischen Partei, führte sein Land als ein Diktator an den Rand des Abgrundes. Er beanspruchte alle Macht im Staat und war nicht nur Staatspräsident auf Lebenszeit, Vorsitzender des Parlaments, sondern auch Oberkommandierender der Armee und Vorsitzender der einzigen zugelassenen Partei.

Absurder Personenkult

Der Personenkult, der ihn umgab, war absurd. Allgegenwärtig waren seine Bildnisse im Land. Im Zentrum der Hauptstadt Ashgabat blickt der "Turkmenbashi - Führer des turkmenischen Volkes", wie Nijasow sich selbst nennen ließ, von einer riesigen rotierenden Goldstatue auf seine Landsleute herab. Das von ihm verfasste "Rukhnama - Buch der Seele" wurde zur spirituellen Grundlage jenes "goldenen Zeitalters" erhoben, in das Nijasow sein Volk angeblich geführt hatte. Es war verpflichtende Lektüre und seine Kenntnis musste nicht nur für eine Anstellung im Staatsdienst, sondern sogar für den Erwerb eines Führerscheins nachgewiesen werden.

Die Turkmenen wurden von jeglicher Information ferngehalten, die nicht der staatlich verordneten entsprach. Ausländische Zeitungen, Kabelfernsehen und freien Internetzugang gibt es im Land nicht. Über Jahre wurden die Ausgaben fürs Bildungssystem gekürzt und der Fremdsprachenunterricht fast vollkommen abgeschafft. Die Folgen waren desaströs. Bei einem Handelstreffen in China letzten Jahres blamierte sich die turkmenische Delegation mit ihrem schlechten Englisch derart, dass Nijasow sie verpflichten wollte, in einem halben Jahr fließend Englisch zu lernen. Eine unlösbare Aufgabe, waren doch alle Sprachinstitute geschlossen worden und kaum noch geeignete Lehrer im Land zu finden.

Nijasow war noch weiter gegangen. Vor zwei Jahren ließ er die meisten Bibliotheken des Landes schließen und sogar philharmonische Konzerte, Opern-, Ballet-und Zirkusaufführungen verbieten, weil sie den turkmenischen Kulturtraditionen nicht entsprächen. Jede regimekritische Stimme wurde während seiner Amtszeit zum Schweigen gebracht. Oppositionelle, die den Weg ins ausländische Exil nicht schafften, verschwanden in Gefängnissen - ein Schicksal, das sehr häufig einem Todesurteil gleichkam. Die amerikanische Menschrechtsorganisation "Freedom House" führte letztes Jahr Turkmenistan in einer Liste der acht weltweit schlimmsten Diktaturen auf und in einem Bericht von "Reporter ohne Grenzen" wurde das Land, was die Verletzung von Pressefreiheiten betrifft, an die zweite Stelle gleich hinter Nordkorea gereiht.

Der repressiv erzwungene politische Friede konnte nur ein trügerischer sein, wie ein Attentatsversuch auf Niayzov im November 2002 zeigte. Damals wurde auf die Autokolonne des Präsidenten geschossen. Er überlebte den Anschlag unverletzt. Nach diesem Anschlag ließ der Präsidenten den allgemeinen Überwachungsterror weiter verschärfen und wies die Sicherheitsbehörden an, selbst Gespräche der Bürger auf öffentlichen Plätzen zu überwachen. Niemand war jetzt mehr vor seiner Willkür sicher.

Armes Land trotz Erdgas

Häufig dienten Schauprozesse dazu, der Öffentlichkeit Sündeböcke für den ökonomischen und sozialen Niedergang des Landes zu präsentieren. Denn obwohl Turkmenistan über riesige Erdgasreserven verfügt, ist es eines der ärmsten Länder der ehemaligen Sowjetunion. So gut wie nichts von den Profiten der Energieexporte erreicht die Bevölkerung, die größtenteils in Armut lebt. Immer wieder kommt es zu massiven Engpässen bei Mehl und Getreide, beispielsweise im Mai letzten Jahres.

Leere Brotregale

Die Brotregale der staatlichen Geschäfte in Ashgabat waren damals leer und die Brotpreise stiegen massiv. Damit die langen Warteschlangen von den Geschäften weniger auffielen, mussten diese bereits um sechs Uhr morgens öffnen. Wie sich später herausstellte, hatten hochrangige Beamte der regionalen Verwaltung die Erfüllung der vorgegebenen Produktionsziele bei den Winteraussaaten zwar behauptet, tatsächlich aber nur zu weniger als der Hälfte erfüllt. Daraufhin wurden die fünf Gouverneure des Landes entlassen und mehrere Beamte ins Gefängnis geworfen. An den wirtschaftlichen Missständen im Land änderte dies nichts.

Verzweifelt reagierten auch die Menschen, als im letzten Jahr von einem Tag auf den anderen die Pensionen drastisch gekürzt bzw. überhaupt gestrichen wurden. Nicht wenige alte Menschen versuchten damals, ihrem Leben durch Freitod ein Ende zu setzen. Bei anderen war die Wut so groß, dass sie ihr Leben riskierten, aufbegehrten und sich in Ashgabat und Turkmenbashi zum Protest versammelten. Nach Augenzeugenberichten sollen es Hunderte gewesen sein. Ihr Protest war freilich vergeblich. Weder wurden die Maßnahmen zurückgenommen, noch gab es irgendeine Erklärung für die drastischen Kürzungen. Denn selbst unter den Vorzeichen einer grassierenden Misswirtschaft sollten doch die immensen Einnahmen aus dem Erdgasgeschäft wenigstens die minimalen Pensionen der Fünf-Millionen-Bevölkerung abdecken können.

Bemerkenswerterweise beinhalten die jüngsten Ankündigungen des Interimspräsidenten Berdymukhammedov ein implizites Eingeständnis wirtschaftlicher und sozialer Probleme. Man wolle in Zukunft, so versprach er, die Löhne der Arbeiter rechtzeitig auszahlen, für den Wohnbau günstige Kredite zur Verfügung stellen und eine Mindestrente von 750.000 Manat (30 Dollar) einführen. Außerdem will er das Bildungssystem reformieren und wieder verstärkt den Anschluss an die internationalen Staatengemeinschaft suchen

Opposition verschwunden

Solche Ankündigungen sollen dazu dienen, das eigene Volk und die internationale Öffentlichkeit zu beruhigen, denn an grundlegende Änderungen des repressiven Systems ist zweifellos nicht gedacht. Vielmehr wurde die Überwachung der Bürger verschärft und es rückten nach dem Tod Nijasow Beamte des nationalen Sicherheitsministeriums in verschiedene Regionen des Landes aus, um dort Bürger, die als unzuverlässig gelten - vor allem Menschenrechtsaktivisten und Journalisten - vor politischer Aktivität zu warnen. Der einzige noch im Land lebende Oppositionspolitiker, Nurberdy Nurmammedov, verschwand am 27. Dezember 2006, nachdem er Radio Liberty ein Interview gegeben hatte. Den im Exil lebenden Oppositionellen wird die Einreise ins Land verweigert.

Sicher vor zuviel Demokratie

Die Fortführung der Repression liegt in der Logik dieses Systems. All jene, die heute zum politischen Establishment zählen, haben die grausame Diktatur aktiv mitgetragen. Keiner von ihnen kann an einem politischen Umsturz Interesse haben, der unvermeidlich die Rache für vergangene Gräueltaten mit sich bringen würde. Nur durch Geschlossenheit und Fortsetzung des repressiven Machtsystems können die Günstlinge des alten Systems im wahrsten Sinne des Wortes ihre Köpfe retten.

Für die USA und Russland wiederum haben Demokratie und Menschenrechte in Turkmenistan nur einen nachgeordneten Stellenwert. Sie sind hauptsächlich an den Erdgasreserven des Landes und an seiner geostrategischen Lage an der Grenze zu Afghanistan und Iran interessiert. Die Chancen, dass Turkmenistan im 21. Jahrhundert das versprochene "goldene Zeitalter" erlebt, stehen also schlecht. Dennoch besteht in der Bevölkerung ein gewisser Hoffnungsschimmer; der Wunsch der einfachen Menschen ist vor allem auf Ruhe, Stabilität und ein einigermaßen gesichertes materielles Leben gerichtet. Gelingt es den neuen Machthabern, dies halbwegs zu gewährleisten, werden sie wohl noch für längere Zeit vor "demokratischen Zumutungen" sicher sein.

Die Autorin war Deutschlektorin in Turkmenistan.

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