Winter und Tiger drohen

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Zwei Monate nach dem Erdbeben im Kaschmir ist dieses Unglück schon fast wieder vergessen. Bei uns - nicht jedoch in der verwüsteten Region, in der ein harter Winter Einzug hält.

Ich habe geschlafen, als das Erdbeben gekommen ist", erzählt die 20-jährige Anila aus dem kleinen Dorf Boi. Gläser und Tassen seien aus dem Schrank gefallen. "Das hab ich gar nicht mehr gesehen", sie ist nur gerannt. Nach draußen, nur raus aus dem Haus, hat sie gedacht. "Der Boden hat so gewackelt, ich hatte fürchterliche Angst", berichtet das hübsche Mädchen mit dem grünen Kopftuch aufgeregt. Das hat sie sich noch schnell auf der Flucht umlegen können. Vor dem Haus hat sie angefangen zu beten. So laut sie nur konnte, hat sie Allah um Hilfe angerufen. "Plötzlich hat es angefangen zu regnen, doch ich bin die ganze Nacht vor dem Haus gesessen und habe nur gebetet." Aus Angst vor Nachbeben wagte sie sich nicht mehr in ihr Haus und schlief unter freiem Himmel. "Doch nach zwei Tagen haben wir von Caritas ein Zelt bekommen, hier können wir schlafen", sagt die junge Frau erleichtert.

Frauen leiden am meisten

Das wenige, das die Überlebenden hatten, haben sie durch das Erdbeben verloren: Die Caritas war die erste Hilfsorganisation, die es in die entlegene Region geschafft hat. Fast 600 Zelte haben die Helfer in die Region geliefert, um zumindest ein Minimum an Schutz vor dem nahen Winter zu geben. Die Bergbewohner, die bisher weitgehend unabhängig von der Welt in ihren Dörfern wohnten, müssen nun in Zelten leben. Inmitten der Trümmer ihrer Häuser haben sie sie aufgestellt. Besonders für die Frauen ist der Alltag damit um einiges beschwerlicher geworden. Anila und ihre Nachbarinnen schlafen mit den Männern gemeinsam in nur vier mal vier Meter großen Zelten. Eine unangenehme Situation für die Frauen. Denn das Leben der meisten pakistanischen Frauen findet normalerweise abgeschirmt von der Männerwelt in eigenen Wohnräumen statt. Allein das Wechseln der Kleider wird zum logistischen Problem: "Einmal am Tag müssen alle Männer das Zelt verlassen und wir müssen uns ganz schnell umziehen", erzählt Anila. Die tägliche Hausarbeit muss im Freien erledigt werden. Keine leichte Aufgabe, eine zehnköpfige Familie auf einer kleinen Feuerstelle zu bekochen.

Das Schwierigste ist für die Frauen allerdings, auf die Toilette zu gehen. Dazu müssen sie ins freie Gelände, und das nachts, wo sie nicht gesehen werden können. Für die Frauen, die sowieso nicht gewohnt sind, allein das Haus zu verlassen, nicht ungefährlich: Sie fürchten sich vor Tigern und Löwen, die im Norden Pakistans keine Seltenheit sind.

Aber Anila sagt tapfer: "Wir haben Glück, niemand aus meiner Familie ist gestorben, und wir sind durch unsere Zelte der Kälte nicht schutzlos ausgesetzt." Im Gegensatz zu vielen Bewohnern in den umliegenden Bergdörfern. Besonders die sintflutartigen Regenfälle reißen die Menschen immer weiter in das Elend. Doch damit nicht genug: Im pakistanischen Erdbebengebiet stehen die Überlebenden des Erdbebens vor einem fürchterlichen Winter.

Rettung: Zelte und Öfen

Seine ersten Vorboten hat der Winter bereits vor einigen Wochen geschickt, momentan ist es wieder wärmer geworden - aber für wie lange? Eine Lieferung von weiteren 1500 winterfesten Zelten erwartet Barbara Dietrich von Caritas Schweiz, die in Mansehra für die Verteilung zuständig ist. Damit die Erdbebenopfer durch den Winter kommen, werden aber noch mehr Zelte und vor allem Öfen benötigt. Obwohl Dietrich versucht, auch andere Unterkunftsmöglichkeiten zu finden "sind Zelte sehr gut geeignet". Denn: "Um sie aufzustellen brauchen die Menschen kein spezielles Know How. Und wenn die Zelte bei Nachbeben einstürzen, kann wenig passieren."

Die Caritas bittet um Spenden für die Opfer des Erdbebens in Pakistan:

Caritas: PSK 7.700.004 (PSK 60 000)

Nachbar in Not: PSK 91 30 1000

(PSK 60 000)

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