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Unfreie Wahlen sichern, Lokalherrscher stärken und sich in einem regionalen Interessengeflecht verstricken - das werden die 93 österreichischen Soldaten in Afghanistan machen.

Was werden die 93 österreichischen Soldaten, die diese Woche nach Afghanistan aufgebrochen sind, die kommenden drei Monate dort machen? Sie werden Parlamentswahlen sichern, die weder frei noch fair ablaufen und eine demokratische Legitimation vorgaukeln, die es nicht geben kann. Vielleicht wird man die Wahlen ohnehin absagen, weil die Geberländer - so wie in anderen Bereichen - auch bei der Wahlfinanzierung ihre Versprechungen nicht einhalten.

Kommt es doch zum Urnengang, wird man es - so wie bei den Präsidentenwahlen im Vorjahr - auch dieses Mal mit den Kontrollen nicht so genau nehmen, werden Mehrfachregistrierungen und Stimmenkauf auf der Tagesordnung stehen - weil es beiden Seiten allein um eine hohe Wahlbeteiligung geht. Die afghanischen Warlords können damit zeigen, wie demokratisch sie geworden sind, und die usa samt Anhang können zeigen, wie demokratisch sie doch die afghanischen Warlords gemacht haben.

Was werden die 93 österreichischen Soldaten in Afghanistan sonst noch machen? Sie werden so wie die anderen westlichen Truppen die Parallelstrukturen verstärken und die Kluft zwischen der Zentralregierung in Kabul und den Lokalherrschern in den Provinzen vergrößern. Das österreichische Kontingent ist in Kunduz, 350 Kilometer nördlich der Hauptstadt, stationiert. Ursprünglich war gedacht, dass die International Security Assistance Force (isaf), zu der auch die Österreicher gehören, das Machtmonopol der Zentralregierung sichert. In der Praxis sind die isaf-Kommandeure und in ihrem Gefolge die Wiederaufbau-Teams in den Provinzen jedoch gezwungen, sich mit den Lokalherrschern zu arrangieren - um überhaupt handlungsfähig zu sein.

Stichwort Wiederaufbau-Teams: Seit Herbst 2002 sind auf Initiative der usa hin solche Reconstruction Teams, bestehend aus Soldaten, Entwicklungshelfern und Diplomaten, im Einsatz - und wegen dieser Vermischung von zivilem Wiederaufbau und militärischem Engagement massiver Kritik ausgesetzt. Vielleicht werden ja auch die 93 österreichischen Soldaten mit Hilfsorganisationen in Clinch geraten, die eine Instrumentalisierung der Entwicklungsleistungen für militärische Zwecke befürchten. Die Organisation "Ärzte ohne Grenzen" hat aus diesem Grund im letzten Jahr sämtliche Projekte in Afghanistan eingestellt.

Nicht vielleicht, sondern ganz sicher werden die 93 österreichischen Soldaten aber sehr schnell merken, dass sie mit ihrem Einsatz in Afghanistan in ein regionales Interessengeflecht der Sonderklasse eingestiegen sind: Nachbar Pakistan betrachtet paschtunisch besiedelte Gebiete in Afghanistan nach wie vor als sein Staatsgebiet - eine mächtige, souveräne Zentralmacht in Kabul, die diesen Gebietsansprüchen entschieden entgegentritt, liegt deshalb nicht im Interesse Islamabads. Nachbar Iran wiederum wird einen möglichen Erfolg des Einsatzes der internationalen Truppen mit Argwohn verfolgen und zu verhindern wissen - eine vom Erzfeind usa unterstützte Regierung vor der eigenen Haustür liegt gewiss nicht im Interesse Teherans. Das gleiche gilt für Russland: Moskau wird nicht aufhören, die Tadschiken mit modernster Waffentechnik zu beliefern, um einen Fuß in der afghanischen Tür zu behalten und der Dominanz der Paschtunen und damit der usa Einhalt zu gebieten.

"Wenn wir nicht nach Afghanistan gehen, dann kommt Afghanistan zu uns", hat Verteidigungsminister Günther Platter den österreichischen Einsatz gerechtfertigt. Stimmt nicht! Afghanistan ist schon da, in Form von Flüchtlingen, in Form von Drogen - und Afghanistan wird weiterhin zu uns kommen. Und zwar solange, bis sich die Drogenbekämpfung nicht mehr nur auf Lippenbekenntnisse beschränkt; solange, bis sich nicht mehr Friedens- und Macht-Interessen mischen; solange, bis man kein westliches Demokratiemodell mehr einer vor-modernen Stammesgesellschaft überstülpt, sondern die traditionellen Institutionen berücksichtigt. Solange man all diese Änderungen in der westlichen Afghanistan-Politik nicht zumindest einleitet, ist es jedenfalls zu früh, 93 für drei Monate verleaste österreichische Soldaten als wirklichen "Akt der Solidarität" (© Platter) zu bezeichnen.

wolfgang.machreich@furche.at

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