"Wir haben es in der Hand, welchen Weg wir gehen"

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Landeshauptmann Dr. Erwin Pröll über den eigenständigen und selbstbewussten Kurs für Niederösterreich, seine Motivation und ehrgeizige Vorhaben für die Zukunft.

Herr Landeshauptmann, das Thema Integration bewegt die Menschen zurzeit besonders. Was ist für Sie gelungene Integration, wie soll Integration in Niederösterreich konkret vorangetrieben werden?

Dr. Erwin Pröll: Integration geht nur, wenn man mit offener Hand und nicht mit erhobener Faust agiert. Wobei zwei Dinge klar sind. Zum einen: Integration ist keine Einbahnstraße, sondern muss von beiden Seiten gewollt und vorangetrieben werden. Und zum anderen: Der springende Punkt für erfolgreiche Integration ist, sich an Regeln zu halten und diese zu akzeptieren.

Welche Lösung schlagen Sie für die Asylfrage vor?

Pröll: Niederösterreich hat ja durch die Erstaufnahmestelle in Traiskirchen eine ganz besondere Situation im Zusammenhang mit dem Asylthema. Dazu ein ganz klares Wort: Jene Asylwerber, die bereits in einem anderen EU-Mitgliedsland einen Asylantrag gestellt haben und von denen dort schon ein Fingerabdruck genommen wurde, die werden wieder in dieses Land zurückgebracht. Und was den Umgang mit Asylwerbern betrifft, werde ich auch in Zukunft meine klare Linie fortsetzen: Wer aus politischen Gründen zu uns kommt, sich integriert und sich an die Gesetze und Regeln hält, der hat einen Platz bei uns. Wer allerdings aus anderen Gründen ins Land kommt, sich hier an den Rand stellt und mit dem Gesetz in Konflikt kommt, für den ist kein Platz.

Österreich ist derzeit mit einer massiven Teuerungswelle konfrontiert, die viele schmerzhaft zu spüren bekommen. Wie begegnet Niederösterreich dieser Entwicklung?

Pröll: Zunächst finde ich es unglaublich, dass ein SPÖ-Bundeskanzler dieser Teuerungswelle einfach zuschaut, mit den Achseln zuckt und die Hände in den Schoß legt. Umso mehr achten wir in Niederösterreich darauf, dass jene nicht unter die Räder kommen, die bei dieser Entwicklung nicht mehr mitkönnen. So haben wir in Niederösterreich etwa den Heizkostenzuschuss auf 200 Euro verdoppelt. Für Pendler haben wir die Einkommensgrenzen für den Bezug der Pendlerhilfe massiv angehoben, so dass mehr Menschen von dieser finanziellen Unterstützung profitieren. Für die niederösterreichischen Studenten haben wir die Kosten für das Semesterticket in Wien auf 50 Euro halbiert. Dazu unser gesamtes Pflegepaket und eine Vielzahl an sozialen Maßnahmen, wo wir konkrete Hilfe leisten, wie auch die Schulstarthilfe, die Mehrkinderfamilien einen Teil der finanziellen Belastung zu Schulbeginn abnehmen soll.

Stichwort Pflegepaket, wo sich Niederösterreich ja mit einem eigenen Pflegemodell abkoppelt. Warum dieser eigene Weg?

Pröll: Bei uns in Niederösterreich gilt in sozialen Fragen das "Hand in Hand-Prinzip", wo es darum geht, ein dichtes Netz von öffentlicher Hilfe und privater Obsorge zu knüpfen. Gerade in der Pflege- Frage empfinde ich es als ungerecht, wenn diejenigen, die unser Land aufgebaut haben, bestraft werden sollen. Deshalb haben wir in Niederösterreich die Pflege leistbar und straffrei gemacht. Wir gewähren höhere Förderungen und stellen so sicher, dass sich jede und jeder eine 24-Stunden-Betreuung auch leisten kann, ohne dafür bestraft zu werden.

Ein weiteres großes Thema, das die Menschen verunsichert, ist der Klimaschutz: Was will das Land NÖ in dieser Sache in den nächsten Jahren tun? Welche großen Projekte sind hierzu geplant?

Pröll: Wir haben uns ein ehrgeiziges Ziel vorgenommen: Bis zum Jahr 2020 wollen wir den Anteil der erneuerbaren Energie am Gesamtenergiebedarf von derzeit 25 Prozent auf 50 Prozent verdoppeln. Niederösterreich ist schon heute die Nummer eins bei Biogas, Ökostrom und Windenergie. Für die Zukunft konzentrieren wir uns zum einen auf den Schwerpunkt Mobilität, wo es vor allem um den Vorrang für alternative Treibstoffe und den Umstieg auf öffentliche Verkehrsmittel geht. Der zweite Schwerpunkt betrifft "Bauen und Sanieren". So wenden wir 130 Mio. Euro für energiesparendes Bauen bei öffentlichen Gebäuden auf.

Ausbau des Verkehrs in Zeiten des Klimaschutzes: Wird es auch zum Ausbau des öffentlichen Nahverkehrs kommen?

Pröll: Mobilität wird immer wichtiger. Und dem begegnen wir nicht mit einer Romantik der Vergangenheit, sondern mit klaren Zukunftskonzepten. Das heißt bei uns in Niederösterreich: Verkehr zu vermeiden, Vorrang für den Öffentlichen Verkehr und vermehrt auf umweltfreundliche Technologie zu setzen. So wenden wir bis 2012 rund 2,5 Milliarden Euro für den Ausbau des Öffentlichen Verkehrs auf und zwei Milliarden für den Ausbau der Straßeninfrastruktur. Und dass wirtschaftliche Dynamik und Klimaschutz bei uns kein Widerspruch sind, bestätigt uns das Umweltbundesamt. Denn Niederösterreich ist neben Kärnten das einzige Bundesland mit einer sinkenden Treibhausgasbelastung.

Sie haben kürzlich die "Charta ländlicher Raum" präsentiert, ein wesentlicher Punkt darin: die Modernisierung landwirtschaftlicher Betriebe. Wie konkret soll das dafür vorgesehene Geld eingesetzt werden?

Pröll: Unsere "NÖ Charta für den ländlichen Raum" enthält nicht nur Zielvorgaben, sondern auch ganz konkrete Umsetzungsschritte. Ein wesentlicher Punkt ist dabei das Landespaket für die Landwirtschaft, wo wir insgesamt 24 Millionen Euro für Investitionen in die Modernisierung landwirtschaftlicher Betriebe bereitstellen. Diese Investitionsförderung gibt es etwa für Stallneubauten oder Sanierungen von Höfen. Damit wollen wir all jenen helfen, die weiterhin Landwirt bleiben wollen und die in moderne Strukturen investieren möchten.

Die Region Niederösterreich und ihre Nachbarländer: Was sind in diesem Bereich die großen Brocken für die nächsten Jahre?

Pröll: Auf wirtschaftlicher Ebene wird es darum gehen, unseren Weg der Internationalisierung fortzusetzen. Wir haben schon bisher die Chancen in den neuen EU-Mitgliedsländern gut genutzt, was nicht zuletzt durch eine überdurchschnittliche Außenhandelsverflechtung mit den mittel- und osteuropäischen Ländern zum Ausdruck kommt. Ein zweiter Schwerpunkt wird die Zusammenarbeit in Sicherheitsfragen sein - Stichwort Schengen.

Wie der Bevölkerung die Angst vor der Schengen-Öffnung nehmen und zugleich die Nachbarschaft mit anderen Regionen jenseits der Grenzen vertiefen?

Pröll: Den ersten wesentlichen Schritt haben wir getan, indem wir uns sehr intensiv auf die Schengen-Erweiterung vorbereitet haben. Wir haben durchgesetzt, dass der Personalstand der Polizei und der Assistenzeinsatz des Bundesheeres aufrecht bleiben. Und die Zahlen zeigen, dass wir damit richtig liegen. Die Zahl der Straftaten in Niederösterreich ist im ersten Monat nach der Schengen-Erweiterung um rund 2.000 zurückgegangen. Dahinter steckt die harte Arbeit der Exekutive und die gute grenzüberschreitende Zusammenarbeit mit den Nachbarn.

Sie sprechen immer von "klaren Verhältnissen", die Sie sich für das Land Niederösterreich wünschen. Was steckt hier dahinter?

Pröll: Klare Verhältnisse sind die Grundlage für rasche Entscheidungen und konsequentes Handeln. Ich möchte eines nicht für Niederösterreich: Dass uns verwaschene Verhältnisse so wie auf Bundesebene vom erfolgreichen Weg abbringen. Aber - und das ist etwas, was ich erbitte: Klarheit ist kein Geschenk. Und nur wenn wir wieder Klarheit haben, können wir mit Sicherheit in die Zukunft gehen. Denn eines dürfen wir nicht übersehen: Die Unsicherheit, die Krisen und Turbulenzen rund um uns machen es uns nicht einfach. Und wir können die Welt um uns nicht bestimmen. Aber wir haben es in der Hand, wie stark sich unser Land behaupten kann und welchen Weg wir gehen.

Herr Landeshauptmann, Sie amtieren seit 1992, was ist Ihre große Motivation und Motivationsquelle, um für weitere fünf Jahre für dieses Bundesland an der Spitze zu arbeiten?

Pröll: Die Antwort darauf ist relativ einfach, auch wenn sie sehr pathetisch klingen mag, aber es ist wirklich so: Ich liebe dieses Land. Ich kann mir daher keine schönere Aufgabe vorstellen, als Landeshauptmann von Niederösterreich und damit erster Diener des Landes zu sein. Dazu kommt, dass im Laufe der Jahre ein großes Vertrauen zwischen den Landesleuten und mir entstanden ist, das nicht nur Kraft für die Arbeit gibt, sondern dem ich mich sehr verpflichtet fühle.

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