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Wir sind alle betroffen

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Die Aktion der Grünen „Fall der Woche“ präsentiert die bewußte rechtliche Benachteiligung der Ausländer.

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Die Aktion der Grünen „Fall der Woche“ präsentiert die bewußte rechtliche Benachteiligung der Ausländer.

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DIEFURCHE: Wie kamen Sie auf die Idee, „Fälle der Woche“ zu veröffentlichen

TEREZIJA STOISITS: Der Auslöser war, daß die Zeit Österreichs als einstmals weltweit beispielgebendes Asylland vorbei ist. Seit die Ausländergesetze so verschärft worden sind, ist der Schutz der ausländischen Staatsbürger in diesem Land praktisch weg. Ich alleine erhalte pro Tag mindestens fünf Anrufe von Betroffenen. Deshalb haben wir gemeinsam im Klub die Idee geboren, daß wir über 25 Wochen lang immer einen aus dieser ganzen Fülle von Härtefällen herausgreifen.

DIEFURCHE: Hat es in den bisherigen 18 Fällen schon Erfolge gegeben?

STOISITS: Ja, durchaus. Es gibt Fälle, die wir präsentiert haben und die gelöst sind. Von den 18 bisher fünf. Bei anderen sind erste Schritte gesetzt, sie sind aber teilweise noch in Schwebe. Im „Fall der Woche neun“, einem Mann aus Togo, der mit einer Österreicherin verheiratet und abgeschoben worden ist, haben wir den Kontakt leider verloren.

DIEFURCHE: Woher kommen die Menschen, die sich an Sie wenden* STOISITS: Die Mehrzahl der Hilferufe kommt von den Österreichern selbst, die für bekannte Personen intervenieren. Dies zeigt Solidarität, aber auch, daß Ausländergesetze uns alle betreffen, wenn etwa Arbeitskollegen, Schulfreunde oder die eigene Putzfrau abgeschoben werden sollen. Auf der anderen Seite gibt es leider bestimmte Parteien und Medien, die ihre eigene „Art von Solidarität“ zu verbreiten versuchen.

DIEFURCHE: Wen meinen Sie damit? STOISITS: Lesen Sie die „Kronen-Zei- tung“, dann wissen Sie Bescheid. Zu sagen, der Haider ist schuld, wäre aber zu simpel. Das Tragische ist, daß die große Koalition jedem Druck nachgegeben hat. Diese Gesetze sind mit den Stimmen der Koalition beschlossen worden. Das sind für mich die Verantwortlichen. Eine ganz üble Rolle spielt hier gerade Bundeskanzler Franz Vranitzky, da er die Dreckarbeit von Innenminister Franz Löschnak erledigen läßt. Auch die Unterstützung der anderen Parlamentarier in dieser Frage geht gegen Null. Ich nehme jetzt das Liberale Forum (LIF) aus, die sind noch we nig in Erscheinung getreten, aber von Unterstützung kann keine Rede sein. Mein Eindruck ist leider der, daß das LIF nichts tut, was der Regierung all zu stark schaden kann. Das ist nicht mein Verständnis von vernünftiger Opposition.

DIEFURCHE: Woran liegt es vor allem, daß die Zahl der Asylanträge so drastisch zurückgegangen ist?

STOISITS: Wenn im Jahre 1989 21.882 Asylanträge gestellt wurden und im Jahre 1993 nur mehr 4.444, so spricht das für sich. Interessant ist, wer nun tatsächlich Asyl erhalten hat. Die Anerkennungsquote war 1991 12,6 Prozent, im Jahre 1993 7,8 Prozent.

Man fragt sich hier schon, was da passiert ist. Maximal 1000 Menschen bekommen pro Jahr noch Asyl, das ist lächerlich. Sie brauchen heute gar keinen Asylantrag mehr stellen. Wenn sie nicht direkt aus dem Verfolgerland vom Himmel fallen, haben sie keine Chance, da heißt es Drittlandklausel. Alleine die Tatsache, daß man in einem Drittland durchgereist ist, genügt, um ihren Antrag abzulehnen. Beispielsweise wurde einer vergewaltigten Bosnierin, die mit dem Bus über Ungarn nach Österreich gekommen ist, aus diesem Grunde der Asylantrag abgelehnt.

DIEFURCHE: Was wünschen sie sich für die Zukunft?

STOISITS: Ich bin so visionslos. Menschlichkeit und Humanität in der Praxis gelebt und durch Gesetze auch gewährleistet zu haben, da wäre ich schon zufrieden. Aber ich weiß nicht, ob das nicht schon zu visionär ist, bei dem was ich heute erlebe.

Das Gespräch

führte Michael Wagner.

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