„Wir stehen vor einer Herkulesaufgabe“

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Finanzstaatssekretär Lopatka fordert die Zusammenlegung aller Länderwahlen, die Teilprivatisierung der ÖBB und das Ende des Heeresgrenzeinsatzes. Das Gespräch führte Oliver Tanzer

Seitdem Reinhold Lopatka Finanzstaatsekretär ist, eckt er mit ungewöhnlichen Vorschlägen an. Im FURCHE-Interview spricht Lopatka über die Budgetmisere, die Pflichten der Länder und neue Sparmöglichkeiten.

Die Furche: Laut Verfassungsgesetz muss das neue Budget dem Parlament spätestens am 22. Oktober vorgelegt werden. Warum schafft die Regierung das nicht?

Reinhold Lopatka: Wir stehen da vor einer riesigen Aufgabe. Wir haben in den vergangenen Jahren weit über unseren Verhältnisse gelebt und wissen, dass weitere Kosten, die wir nicht verhindern können, auf uns zukommen. Denn ein Prozent mehr Arbeitslose heißt für uns kumuliert 570 Millionen Minus. Allein eine einprozentige Veränderung bei den Pensionen macht 370 Millionen aus, ein Prozent bei den Beamten 100 Millionen. Von 2008 auf 2010 sind alleine diese drei Bereiche um mehr als drei Milliarden gestiegen. Dazu kommt noch ein Einnahmensturz von 70 auf 58 Milliarden Euro. Daher stehen wir vor einer Herkulesaufgabe, die Zeit braucht.

Die Furche: Als interner Grund dafür gelten die Wahlen in Wien und in der Steiermark.

Lopatka: Nein. Es ist ja kein Landeshauptmann für die Krise verantwortlich zu machen. Wir müssen ausgabenseitig sparen, und das wird ein sehr schwieriges Unterfangen. Meines Erachtens muss da auch vom Parlament Verständnis da sein.

Die Furche: Sie selbst sind für die Einsparungen beim Finanzausgleich zuständig und zunehmend ein rotes Tuch für die Landeshauptleute.

Lopatka: Ich kritisiere aber nicht nur die Länder. Wenn ich etwa an die Hypo Alpe Adria denke, kann ich nicht einfach sagen: „Grauenhaft, was da passiert ist“, ohne gleichzeitig zu hinterfragen, ob die Kontrolleinrichtungen des Bundes funktioniert haben. Passiert ist der Skandal auf Landesebene, aber die Kontrolleinrichtungen des Bundes wären hier ebenfalls gefordert gewesen.

Die Furche: Was wäre die nötige Konsequenz?

Lopatka: Bis 1995 hat es strengere Regeln für die Länder gegeben. Wenn Kredite aufgenommen wurden, musste das sehr wohl dem Finanzministerium vorgelegt werden. Diese Regelungen sind dann durch den EU-Beitritt weggefallen.

Die Furche: Sie sähen das Gesetz gerne wieder in Kraft?

Lopatka: Ja. Es muss klare Regelungen für Haftungen und Kredite geben. Daneben müssen paktierte Zusagen aus dem Finanzausgleich für den Bund durchsetzbar werden. Wenn der Wiener Bürgermeister sagt, dass ihn die vereinbarte Angleichung des Beamtenpensionsrechts nicht mehr interessiert, und es gibt keine Sanktion, dann kann das nicht funktionieren. Der Bund müsste hier die Möglichkeit haben, Gelder einzubehalten.

Die Furche: Warum sollten die Landeshauptleute dem zustimmen?

Lopatka: Weil es im Interesse aller sein muss, dass Vereinbarungen eingehalten werden. Es ist nicht einsehbar, wenn Kärnten und Wien das machen, was ihnen gefällt. Wien treibt es ja sogar noch weiter und gibt Beamten eine zusätzliche Urlaubswoche.

Die Furche: Eines der Geschenke vor den Wahlen im Herbst.

Lopatka: Die größten Hürden für gemeinsame Reformen sind Landtagswahltermine. Wenn man in Ruhe mit allen Landeshauptleuten verhandeln könnte, wäre sehr viel mehr möglich. Deshalb schlage ich vor, statt neun Wahlterminen in den Ländern einen Wahltermin zu machen. Landtags- und Gemeinderatswahlen sollten an fixen Wahltagen stattfinden. Welchen Sinn macht es, dass unmittelbar hintereinander Burgenland, Wien und die Steiermark an unterschiedlichen Terminen wählen? Es verlängert nur den Wahlkampf und verursacht Kosten.

Die Furche: Wahlzuckerl werden aber auch im Bund verteilt. Man braucht sich nur an die Nationalratsbeschlüsse vor den Wahlen 2008 zu erinnern.

Lopatka: Ich halte das, was da passiert ist, rückblickend für sittenwidrig und einen Skandal.

Die Furche: Aber bei den meisten Beschlüssen war damals auch die ÖVP mit dabei.

Lopatka: Jede Partei ist unmittelbar vor einem Wahltag gefährdet. Man darf hier nicht scheinheilig sein. Um so etwas auszuschließen, bin ich dafür, dass ab dem Beschluss des Wahltermins keine für die nächste Legislaturperiode finanzwirksamen Gesetze mehr beschossen werden dürfen. Also eine Sperre ab einem Zeitpunkt zehn Wochen vor der Wahl. Hätte es dieses Gesetz gegeben, hätten wir uns am 24. September 2008 Ausgaben in Milliardenhöhe erspart.

Die Furche: Die Regierung hat ein Einsparungsziel von sechs Milliarden Euro. Woher nehmen?

Lopatka: Es gibt Doppelgleisigkeiten, Sonderpensionsregelungen oder die ÖBB, wo wir im letzten Jahr bereits sieben Milliarden zuschießen mussten, das sind 2500 Euro für jeden Steuerzahler.

Die Furche: ÖBB-Vertreter fühlen sich zu unrecht kritisiert.

Lopatka: Wie das? Das Unternehmen hatte 900 Millionen Euro Defizit im Jahr 2008. Für diese Leistung bekamen 15 Vorstandsmitglieder je 50 Prozent des Jahresgrundgehalts als Bonus. Damit verdiente jeder von ihnen mehr als der Bundeskanzler. Mit Verantwortung hat das nichts zu tun. Würden sie ihre Verantwortung wahrnehmen, müssten einige der Herren zurücktreten. Aber sie halten die Hand auf und die Gewerkschaft schweigt dazu. Im Gegenzug duldet der Vorstand eine Hundertschaft an dienstfreigestellten ÖBB-Betriebsräten.

Die Furche: Was wäre eine mögliche Lösung?

Lopatka: Die Infrastruktur, also das Schienennetz, sollte weiterhin in öffentlicher Hand bleiben. Der Rest muss privatwirtschaftlich organisiert werden. Zurzeit sind die ÖBB ein Staat im Staat.

Die Furche: Es gibt noch kleinere Investitionen des Bundes, die sich infrage stellen lassen, wie etwa der Grenzeinsatz des Bundesheeres: ein Millionenprojekt mit sehr bescheidenen Ergebnissen.

Lopatka: Bei einer derart geringen Zahl an Aufgriffen von Schleppern und illegalen Flüchtlingen beantwortet sich diese Frage von selbst. Man zählt ja – überspitzt formuliert – mehr Selbstmorde von jungen Grenzsoldaten als Aufgriffe.

Die Furche: Einigen Landeshauptleuten, unter anderen Erwin Pröll, wird das nicht gefallen. Die Länder sind ohnehin unter Druck angesichts vieler pleitegefährdeter Gemeinden.

Lopatka: Die Ursache für diese Malaise liegt auch in unserer verfehlten Finanzverfassung. Der Bund wurde 1948 beinahe allein zuständig für die Einnahmen. Den Ländern hat man diese Verantwortung entzogen. Das halte ich für eine Fehlkonstruktion. Wenn ich Föderalismus ernst nehme, muss ich die Einnahmenmöglichkeiten der Länder stärken. Dann wird auch verantwortungsvoller mit dem Geld umgegangen. Bund, Länder und Gemeinden werden nur dann die notwendige Konsolidierung erreichen, wenn alle bereit sind, Abstriche zu machen. Die Einnahmenverluste, die Arbeitslosigkeit und die katastrophale demografische Entwicklung erfordern diese gemeinsame Kraftanstrengung.

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