Wir und das neue Denken

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Wie quer durch unsere Parteien -ob links oder rechts, ob christlich, liberal oder sozialistisch -jetzt von einer weitgehend gleichen, rigiden Flüchtlingspolitik geträumt wird.

Am vergangenen Wochenende haben wir ein Spruchband über dem Eingang unserer Kirche aufgehängt: "Wir sind keine flüchtlingsfreie Zone! Unsere Solidarität gehört den Schwächsten." Was uns dazu veranlasst hat, war die Auflösung des Flüchtlingsheims in St. Gabriel bei Wien - und die Verlegung von minderjährigen oder traumatisierten, psychisch kranken Flüchtlingen. Begründet wurde die Aktion mit "ungenügenden Sicherheitsvorkehrungen", die sich beim tragischen gewaltsamen Tod eines Flüchtlings gezeigt hätten.

Jetzt hagelt es Proteste - von Österreichs Psychiatern und Psychotherapeuten und von den (6000 Priester und Brüder zählenden) Steyler Missionaren, die seit 26 Jahren Tausende Asylwerber in St. Gabriel aufgenommen und mit Caritas-Hilfe betreut hatten. Eine nicht nacherzählbare Erfolgsgeschichte.

Massiver geistiger umbruch

Manchmal braucht es ein konkretes Ereignis, um weit Grundsätzlicheres zu überdenken. Etwa:

Welch massiver geistiger Umbruch in unserem Land innerhalb von nur drei Jahren geschehen konnte.

Wie sehr sich Österreichs Selbstverständnis in Asylfragen inzwischen neu definiert hat.

Wie massiv die mediale Globalisierung -von den Übergriffen in der Kölner Silvesternacht 2015/16 über Viktor Orbáns Integrationsverweigerung bis zu Donald Trumps Mauerbau -indirekt auch unser Denken und Handeln verändert hat.

Wie sich selbst klare nationale Differenzen in der Asylpolitik jüngst in Luft aufgelöst und ganz neue Allianzen ermöglicht haben.

Wie quer durch unsere Parteien -ob links oder rechts, ob christlich, liberal oder sozialistisch -jetzt von einer weitgehend gleichen, rigiden Flüchtlingspolitik geträumt wird.

Wie sich unsere Religionsführer noch immer bemühen, Breschen der Mitmenschlichkeit zu schlagen, aber ein humanitäres Aufbegehren ihrer Gläubigen nicht in Sicht ist.

Wie das Asylrecht -ein zentrales Menschenrecht ("Jeder Mensch hat das Recht, in anderen Ländern vor Verfolgungen Asyl zu suchen und zu genießen") - inzwischen systematisch in Vergessenheit gerät. Und dies, obwohl die Zahl der Flüchtlinge zwar weltweit massiv gestiegen, die der über das Mittelmeer Kommenden aber massiv gesunken ist; und die von Österreich fixierten Flüchtlings-Höchstzahlen bei weitem nicht mehr erreicht werden.

Und wie uninteressant inzwischen der Strom von Abschiebeflügen medial geworden ist, der zwar unvermeidbar, aber in so vielen Fällen enorm tragisch ist. Usw. usw.

Es ist schon wahr: Im Zeitalter der großen Ängste ist "Sicherheit" die stärkste Erwartung der Wähler an ihre Regierenden. Für Idealismus bleibt da wenig Platz. Ob es aber sehr motivierend und hilfreich ist, wenn Regierungsmitglieder jetzt öffentlich von ihrer Erkenntnis sprechen, "dass die Welt nicht zu retten ist"?

Ich würde mir andere Botschaften an uns Bürger erhoffen.

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