7120335-1996_34_02.jpg
Digital In Arbeit

„Wir wollen Leben in Wien"

19451960198020002020

Mit „anständiger Ausländerpolitik" und Entbürokratisierung versucht die SPÖ ihre knappe absolute Mehrheit zu halten.

19451960198020002020

Mit „anständiger Ausländerpolitik" und Entbürokratisierung versucht die SPÖ ihre knappe absolute Mehrheit zu halten.

Werbung
Werbung
Werbung

dikfurche: Wird das Ausländerthema für die Wiener Wahl wahlentscheidend?

Bürgermeister Michael, Häupl: Ich weiß nicht, oh es wahlentscheidend wird, aber ein Wahlkampfthema ist es. Die Ausländerfrage beschäftigt viele Wiener. Wir haben bei den Gastarbeitern eine doppelt so hohe Arbeitslosigkeit wie bei den inländischen Arbeitern. Daher ist der wichtigste Auftrag, den wir zur Stunde haben, den Arbeitsmarkt in Ordnung zu bringen und zu halten.

dieFurche: Bernhard Görg hat mir gesagt, wenn die Ausländerfrage kein Thema ist, würden die Freiheitlichen mit Bestimmtheit dafür sorgen, daß es eines wird Und mit diesem Thema kann man in traditionelle Arbeiterbezirke einbrechen und Stimmen machen. Soziologen stellen dann fest, daß die Freiheitlichen eine Arbeiterpartei neuen Stils geworden sind häupl: Wenn man sich klar macht, daß es eine Unzahl von Arbeitern gibt, die sich formell in einem Angestelltenverhältnis befinden, dann ist die Feststellung von der „Arbeiterpartei FPÖ" Unsinn. Das ändert aber nichts an der Tatsache, daß es in tief roten Bereichen erhebliche Einbrüche gibt. N atürlich werben wir um jene, die uns in Richtung FPO verlassen haben, aber von ihrer grundsätzlichen Gesinnung zu uns gehören. Ich habe aufgrund dessen den Begriff der „anständigen Ausländerpolitik" geprägt. Das heißt: strenge Zuzugsbestimmungen, aber für jene Ausländer, die hier bei uns leben und arbeiten, ein

höchstes Maß an Integration und Liberalität.

dieFurche: Bedeutet das auch die Vergabe von Gemeindewohnungen an Ausländer?

HÄUPL: Ich sage ganz offen: Wenn es eine Mehrheit von 85 oder 90 Prozent gibt, die das nicht will, ist das auch zu respektieren. Aber ich gebe zu bedenken, daß ja auch eine nicht unerhebliche Zahl von Menschen, die erst vor kurzem die Staatsbürgerschaft bekommen haben, in Gemeindebauten wohnen. Die FPÖ entblödet sich da nicht, mit blauen Zetteln und Hausanschlägen mit den Namen dieser Neo-Österreicher nachzuweisen, daß es Ausländer im Gemeindebau gibt. Das halte ich für ungeheuerlich. So etwas hat es in Österreich seit der Nazi-Zeit nicht mehr gegeben.

diefurche: In Wien gibt es acht Prozent Arbeitslose. Verglichen mit anderen Bundeslän- ......

dem ist das ziemlich viel

HÄUPL: Im Vergleich mit anderen Millionenstädten Europas innerhalb - aber

noch viel mehr außerhalb - der Europäischen Union ist das ein vergleichsweise kleines Problem. Nichtsdestoweniger ist es für mich noch immer viel zu groß. Darum muß man mit einem ganzen Paket von Maßnahmen darum kämpfen, daß sich die Wirtschaft positiv entwickelt und das auch auf den Arbeitsmarkt Auswirkungen hat.

diefurche: Was steckt in diesem Paket*

HÄUPL: Das reicht von einer Verstärkung der öffentlichen Investitionen -

hier ist in hohem Ausmaß der Bund gefragt - bis hin zu dem, was unter dem Stichwort Deregulierung und Entbürokratisierung zu verstehen ist. Es hat sich über viele Jahrzehnte hinweg eine Menge von Rechtsvorschriften angesammelt, die kein Mensch mehr braucht.

dieFurche: Zum Beispiel? HäL'PL: Daß zum Beispiel in einem Einfamilienhaus Kellerhandlauf und Stiegenhöhe kontrolliert werden. Wir haben alle die Li-

beralisierung der Gewerbeordnung durch den ehemaligen Wirtschaftsminister Wolfgang Schüssel begrüßt, die unter anderem das Wegfallen der Genehmigungspflicht für Wirtshäuser beinhaltet. Aber ich werde dieser Tage eine Gruppe von sehr honorigen Bürgern dieser Stadt empfangen, die mir erklären werden, welch ein Skandal die Lärmbelästigung durch die vielen Wirtshäuser sei. Ich werde ihnen sagen: Liebe Freunde, erstens wollen wir Leben in der Stadt, zweitens wollen wir versuchen, außerhalb der Gewerbeordnung den Lärmpegel auf ein erträgliches Maß einzuschränken. Aber ihr könnt nicht permanent gegen die Bürokratie schimpfen und

für die Liberalisierung der Gewerbeordnung eintreten, und wenn es Euch selbst trifft, wieder nach Vorschriften rufen.

diefurche: Sie sprachen vorhin von Investitionen- Glauben Sie, daß es zu einem Ausverkauf Wiens ans Ausland kommen wird ?

HÄUPL: Ich sehe das mit weitaus größerer Gelassenheit, als meine Freunde aus der Gewerkschaft. Wir müssen einfach erkennen, daß wir uns seit geraumer Zeit in einer Phase der internationalen Kapitalakkumulation befinden. Wir sind stolz, daß große internationale Konzerne wie Siemens, Philips, Coca Cola, General Motors und andere Weltkonzerne ihre Europa-Standorte hier in Wien haben, aber das hat natürlich auch seine Schattenseiten - Conti-Semperit beispielsweise. Wir können uns nicht nur immer die Rosinen heraussuchen, so schön das auch wäre.

dieFurche: Was ist Ihr Wunschzkl für diese Wahl?

HÄUPL: Ich möchte stark genug sein, um jene abzuwehren, die aus dieser offenen und glanzvollen Stadt eine eingeengte und graue Stadt mit ideologischen Mauern, mit Ausländerhaß, mit Intoleranz und ähnlichem machen wollen. Mein Wunschziel ist, daß die Sozialdemokraten in Wien die

Ein Thema. Viele Standpunkte. Im FURCHE-Navigator weiterlesen.

FURCHE-Navigator Vorschau
Werbung
Werbung
Werbung