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Wirklich befriedigend?

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Es ist daher beunruhigend, wenn man Berichte der eingangs wiedergegebenen Art liest; doppelt beunruhigend, da wir heute für unser Anliegen Südtirol zwangsläufig der „slowenischen“ Einstellung nicht entraten können und uns ferner vernünftigermaßen sagen müssen, daß Fehler und Unterlassungen, deren Großausmaß die alte Monarchie gesprengt hat, im jetzigen kleineren Ausmaß zumindest noch immer schweren Schaden stiften können; nicht zuletzt unserem Ansehen, wenn die Einhaltung moderner Selbstverständlichkeiten immer wieder von außen erzwungen und eingemahnt werden muß. Der Hinweis Landeshauptmann Simas auf die Praxis bei der Verwendung des Slowenischen als zusätzliche Amtssprache steht, wie oben gezeigt, in einer verhängnisvollen Tradition. Es kann zudem heute nur noch lächerlich anmuten, wenn geäußerte Unzufriedenheit mit der Bemerkung erwidert wird, die betreffende Angelegenheit „sei in der Praxis vollkommen befriedigend geregelt“. Und schlechtweg besorgniserregend ist die leichte Art, mit der die Kärntner Landesregierung über die Fragen der Durchführung gesetzlicher Minderheitenrvorschriften im allgemeinen und der doppelsprachigen Aufschriften im besonderen hinweggeht: Da darüber völlig gegensätzliche Meinungen bestünden, sollen sie „am zweckmäßigsten noch weiter zurückgestellt bleiben“. Ist doch nicht recht einzusehen, wie das Zurückstellen einer Frage zweckmäßig sein kann. Welchem Zweck soll damit gedient sein? Jedem Zweck kann schließlich nur die Lösung einer Frage gerecht werden, aber doch sicher nicht ein Aufschub.

Und wie steht es heute? Die „befriedigende Praxis“ gab ‘es, wie oben gezeigt, schon zu Taaffes Zeiten, der wenigstens noch die Offenheit und den Humor besaß, das Kind beim Namen zu nennen. Heute, da der Humor und damit offenbar auch die gesunde Selbstkritik im Alltag ziemlich verlorengegangen sind, wird solch ein lebenswichtiges Problem von einem Parteisekretär als „kaum verständlich“ abgetan. Indem Herr Pauiitsch dabei die vom österreichischen Gesetzgeber eingeräumte Möglichkeit eines slowenischen Elementarunterrichts erwähnt, vergißt er, daß angesichts dieses pars pro toto für eine wirklich vollkommen befriedigende Regelung noch immer einiges zu tun bleibt. Ob man eine Unterlassung in diesem Zusammenhang nur als Kulturschande oder als förmlich traditionelle und chronische Unbelehrbarkeit bezeichnen will, ist dann nur mehr Geschmackssache; richtig ist jedenfalls beides. Schon die skizzierte Geschichte des Problems seit 1848 zeigt nur zu deutlich, daß die von Herrn Vinko Zwitter genannte Selbsthilfe in den seither verflossenen 120 Jahnen in der Tat sehr oft die einzige Lösung darstellte. Den Ansehen Österreichs schaden nicht erst Ausbrüche des Unwillens über gewisse Zustände, sondern schon vorher eben diese.

Daß es auch anders geht, zeigt eine Nachricht von Ende Mai aus Bern, wonach der Bundesrat beschlossen hat, den jährlichen Beitrag des Bundes an die „Ligda Ro- montscha“ ab 1969 von bisher 110.000 auf 170.000 Franken zu erhöhen. Aufgabe der genannten Liga ist dile Erhaltung und Förderung der rätoromanischen Sprache und Kultur. In seiner Botschaft hebt der Bundesamt die Bedeutung der Mehrsprachigkeit der Schweiz als ein Element der Selbstbehauptung nach außen und damit auch des inneren Zusammenhaltes hervor. Die „Neue Zürcher Zeitung“ vom 29. Mai, S. 17, sagt hierzu wörtlich: „Das nahezu einstimmige Ergebnis der eidgenössischen Volksabstimmung vom 20. Februar 1938, durch die das Rätoro- _ manische zur vierten Landessprache erhoben worden war, bildete ein eindeutiges Bekenntnis des schweizer Volkes zum eidgenössischen Staatsgedanken, zum Glauben, daß nicht die Sprache, ethnische oder geographische Gegebenheiten einen Staat bilden, sondern eine gemeinsame geschichtliche Vergangenheit, das Bekenntnis zu denselben politischen Idealen, kurzum der Wille, ein Staat, eine Nation zu sein. Die Gleichberechtigung der verschiedenen Sprachen und Kulturen bildet eine selbstverständliche Voraussetzung unserer mehrsprachigen Gemeinschaft“. Der betreffende Artikel befaßt Sich sodann eingehend in liebevoller Weise mit der Betreuung des rätoromanischen Volkstums. Infolge der Abwanderung aus den Bergtälem nach den großen Wirt- sahaftszentren und wegen des gleichzeitigen Zuzugs von Anderssprachigen habe die sprachliche Vermischung stark zugenommen. Immer mehr Romanen befänden sich in Gemeinden, in denen sie eine Minderheit darstellen. Die „Ligia Romontscha“ sorge dafür, daß das romanische Denken und Fühlen unter den Romanen in solchen Gemeinden vertieft und in den romanischen Gemeinden die Assimilation von anderssprachigen Einwohnern gefördert wird.

Sollte dies mutatis mutandis nicht auch in Österreich möglich sein? Wo uns die gegenteilige Haltung doch so ungeheuer geschadet hat und — noch immer schaden kann.

Zunächst — wie die Laibacher Episode zeigt — unserem guten Verhältnis zu den südslawischen Nachbarn. Ferner ist hier der Einfluß der slowenischen Presse in Italien, England, den Vereinigten Staaten, Kanada, Australien und Argentinien zu bedenken, wo heute insgesamt mehrere Zehntausende von Slowenen leben. Darunter führen z. B. Blätter wie die „Ameriska Domovina — American Home“, eine Tageszeitung in den Vereinigten Staaten, ständige Spalten für Kärnten und das „Slowenische Küstenland“. England und die USA sind Signatare des Staats- Vertrages, ohne deren zumindest relatives Wohlwollen auch unsere lebenswichtigen Anliegen nicht erfüllbar sind. Grundsätze der Liebe sind erst recht in der Politik solche der Klugheit.

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