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Wirkungsvolles Mittel gegen zunehmende Militarisierung

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dieFurche: Ist eine Neutralitätsdebatte gegenwärtig notwendig?

Andreas Pecha: Ich denke, daß sie notwendig ist. Denn die Konzeptionen der einzelnen Parteien sind doch sehr unterschiedlich. Die ÖVP ist eher am Abschaffen oder am Verschwindenlassen der Neutralität orientiert. Die SPÖ leistet noch anhaltenden Widerstand, obwohl es auch hier geteilte Meinungen gibt, ob die Neutralität aufrechterhalten werden soll -aber im großen und ganzen steht man noch dazu. Meinungsdifferenzen gibt's auch bei den Grünen, die Freiheitlichen sind für den sofortigen Beitritt zur NATO, was mit der Neutralität unvereinbar ist, das Liberale Forum ist auch eher auf Abschaffung der Neutralität aus. Die Debatte ist auch im Hinblick auf die anstehende Regierungskonferenz der EU-Staaten notwendig, wo es um die gemeinsame Außen- und Sicherheitspolitik (GASP) und um die Formulierung von Richtzielen geht. Es ist also sehr sinnvoll, daß man sich darüber unterhält. Die Frage ist nur, wie das geschehen soll.

dieFurche: Man sollte möglichst offen und ohne Etikettenschwindel darüber reden.

Pecha: Richtig. Denn genau das ist es, was passiert. Denn was soll - ergänzend zur Neutralität - ein Solidaritätsgesetz im Bundesverfassungsrang, wie es die ÖVP vorgeschlagen hat, bedeuten? Das ist nichts anderes als eine Beruhigungspille, die ausgeteilt wird: Na ein bisserl bleiben wir noch neutral, im Endeffekt verschwindet die Neutralität aber, reden wir nicht darüber und schlußendljch wird sich die Sache erledigen. Was mich daran stört, ist die Außenwirkung, die das ganze hat. Bezüglich der internationalen Staatenwelt taucht immer mehr die Frage auf, ob das noch ein neutraler Staat ist, was da unter Neutralität überhaupt verstanden wird?

dieFurche: Schließt Neutralität Solidarität aus?

Pecha: In keiner Weise. Neutralität als Begriff bedeutet nichts, solange es keine dazugehörige aktive Friedensund Neutralitätspolitik gibt. Das ist auch Anliegen der Friedensbewegung. Österreich hat als UNO-Mit-glied im internationalen Bereich viele Dinge schon mitgetragen. Im Bereich der Neutralen und Blockfreien hat Österreich auch eine wichtige Rolle für Entwicklungsländer gespielt. Wenn Solidarität jetzt auf die | Festung Europa eingeschränkt wer den sollte, dann hört sich das auf, dann stellt sich die Frage, ob man Dinge wie Entschuldungsmaßnahmen noch eigenständig betreiben kann. Das wird davon abhängen, worauf man sich bei der Regierungskonferenz einigt, welche Mehrheitsverhältnisse die GASP bestimmen werden.

dieFurche: Die Pazifisten seien Neutralisten, wirft Andreas Khol Friedensbewegten vor.

Pecha: Das sehe ich nicht so. Neutralität heißt, sich nicht in kriegerische Handlungen einzumischen beziehungsweise so zu wirken, daß man sich in Friedenszeiten bereits darauf verlassen kann, daß dieser Staat neutral ist, das hat nichts mit Neutralismus zu tun, sondern bedeutet Eingreifen in heraufdämmernde Konflikte im Sinne von Konflikpräventi-on. Österreich hat immer an peace keeping Operationen teilgenommen. Das wird ja immer auch groß erwähnt. Daß sich Österreich jetzt einreihen soll in peace enforcement, in irgendein Militärbündnis, in eine weiterentwickelte WEU oder gleich in die NATO, das lehnen wir von der Friedensbewegung grundsätzlich ab. Gegen jede weitere Militarisierung werden wir auf jeden Fall ankämpfen. Es ist fatal, wenn Regierungspolitiker in Brüssel hinter vorgehaltener Hand ununterbrochen den WEU- oder NA-TO-Beitritt verkünden und zu Hause noch Neutralität spielen. Wir sind der Meinung, daß diese Frage einer Volksabstimmung unterzogen werden sollte, man darf Neutralität nicht auf die langsame Art und Weise auslaufen lassen. Wenn ich wir sage, dann meine ich die große Mehrheit in der breiten Palette der Friedensbewegung in Österreich. Neutralität ist für uns ein wirkungsvolles Mittel des Politikmachens gegen die Militarisierung in Europa, gegen die Tendenz, alles nur mehr militärisch zu definieren - Stichwörter: NATO-Erweite-rung und schnelle Eingreiftruppe.

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