Beate Meinl-Reisinger: "Wollen Sie einen Strache als Bürgermeister?"

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NEOS-Spitzenkandidatin Beate Meinl-Reisinger will in den Wiener Gemeinderat. Wie ein pinkes Wien aussehen würde und warum sie sich den David-gegen-Goliath-Kampf antut.

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NEOS-Spitzenkandidatin Beate Meinl-Reisinger will in den Wiener Gemeinderat. Wie ein pinkes Wien aussehen würde und warum sie sich den David-gegen-Goliath-Kampf antut.

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Für die NEOS wird die Wien-Wahl zu einem wichtigen Test. Welches Konzept haben Sie gegen die Arbeitslosigkeit und die hohen Mieten? Und wie wollen Sie das politische System verändern? Ein Hintergrundgespräch.

DIE FURCHE: Die SPÖ unterstellt Ihnen herzlosen Neoliberalismus, Sie seien eine Partei für Besserverdiener und Wirtschaftstreibende. Was sagen Sie dazu?

Beate Meinl-Reisinger: Das ist Blödsinn. Wir vertreten alle, die die Schnauze voll haben von diesem System und Veränderung wollen. Viele wünschen sich eine neue Kraft, die mal aufräumt, und ich bin diese neue Kraft. Dass das politische System nur noch darum kämpft, sich selbst zu erhalten, sieht man in allen Bereichen. Ob Kammerstaat oder zig verschiedene Sozialversicherungsträger. Wien hat 1112 Politiker - Hamburg kommt mit weniger als der Hälfte aus.

DIE FURCHE: "Gegen das System" sind auch viele FPÖ-Wähler. Die NEOS-Aktion "Strache abmontieren" verläuft aber eher mau?

Meinl-Reisinger: Das war eine Crowdfunding-Aktion. Mir geht es darum, Straches Art von Politik klar abzulehnen. Er ist ein politisches Chamäleon: Der gleiche Strache, der vor ein paar Wochen meinte, die Flüchtlinge sollen sich in der Herkules-Maschine "anurinieren", redet jetzt davon, dass er dankbar sei, dass die Österreicher so viel Menschlichkeit zeigen. Das ist nicht auszuhalten.

DIE FURCHE: In Ihrem neuen Video heißt es: "Strache ist ewig gestrig. Er hasst Flüchtlinge, er hasst Schwule, er hasst vielleicht auch dich." Da buhlen Sie um Jungwähler.

Meinl-Reisinger: Wenn ich es schaffe, Leute daran zu hindern, FPÖ zu wählen, soll mir das mehr als recht sein. Strache bringt keine Veränderung. Er hat keine Lösungen parat und sie ist Teil des politischen Establishments. Es gibt immer noch Korruptionsfälle aus der Zeit von schwarz-blau.

DIE FURCHE: Wie sollte die Politik mit der aktuellen Flüchtlingskrise umgehen?

Meinl-Reisinger: Es geht zuerst einmal um humanitäre Hilfe. Das System versagt hier komplett, der Föderalismus funktioniert nicht. Die Zivilgesellschaft springt ein, ich habe es selbst am Westbahnhof gesehen. Darauf können wir stolz sein, das gibt mir Hoffnung. Aber wir brauchen endlich eine europäische Migrations-und Asylstrategie, und das muss Österreich aktiv einfordern.

DIE FURCHE: Sie waren immer eine Europa-Verfechterin. Sind Sie enttäuscht von der EU?

Meinl-Reisinger: Ich bin groß geworden mit der Idee des vereinten Europas. Ich will nicht, dass mir dieses Europa wegen Egoismen zerstört wird. Es sind die Nationalstaaten, die sich nicht zu einer gemeinsamen Lösung durchringen können. Wenn man das Projekt Europa ernsthaft fortführen will, müssen wir uns um diese Probleme kümmern und nicht um Glühbirnen.

DIE FURCHE: Sie wollen in der Verwaltung einsparen. Vizebürgermeisterin Maria Vassilakou (Grüne) kritisierte, dass ÖVP und NEOS mit der Axt durchgehen würden und so die Arbeitslosigkeit befeuern würden.

Meinl-Reisinger: Ich will in der Politik einsparen. Die einzigen, die arbeitslos werden würden, wären ein paar Politiker. Ich habe neun Punkte vorgelegt, angefangen bei der Halbierung der Parteienförderung bis zur Abschaffung unnötiger Versorgungsposten. Wir brauchen nicht 100 Gemeinderäte und 1112 Bezirksräte. Auch im Bereich der Wiener Beamtenpensionen, die höher sind als bundesweit, möchte ich einsparen.

DIE FURCHE: Wie würden Sie die Beschäftigung fördern?

Meinl-Reisinger: Die Politik schafft keine Jobs. Sie muss Rahmenbedingungen schaffen, damit Arbeitsplätze entstehen. Dafür braucht es eine unternehmerfreundliche Politik. Mir geht es vor allem um die Start-Ups und die kleinen und mittleren Unternehmen, die echte Jobmotoren sind. Für sie sind die Lohnnebenkosten eine große Belastung, genauso wie die Bürokratisierung.

DIE FURCHE: Wie wollen Sie Wohnen in Wien wieder leistbarer machen?

Meinl-Reisinger: Für den sozialen Wohnbau gibt es zu strenge Zugangsregelungen, die gerade für junge Menschen schwer erfüllbar sind. Ich finde es nicht fair, wenn Spitzenverdiener im Gemeindebau zur Sozialmiete wohnen. Wer mehr verdient, soll mehr bezahlen. Auch die Übergabe-Regelungen sind zu großzügig. Ich hätte die Gemeindewohnung meiner Großmutter übernehmen können, das sehe ich nicht ein. Und im gemeinnützigen Bereich müssen wir über die Baunormen nachdenken. Höhere Baukosten verursachen höhere Wohnkosten.

DIE FURCHE: Wie würde sich ein pinkes Wien vom rot-grünen Wien unterscheiden?

Meinl-Reisinger: Durch die schlankere Stadtpolitik hätten wir mehr Geld für Bildung. Ich bin nicht bloß für mehr Lehrer wie die Grünen, sondern weiß auch, wie ich das finanziere. Außerdem braucht Wien dringend ein Transparenzgesetz in Verwaltung und Politik. Und ich bin für mehr Bürgernähe. In Stuttgart etwa können Bürger Vorschläge zum Budget machen, die wiederum von Bürgern bewertet werden.

DIE FURCHE: Sie bringen einen Topjob und zwei Kinder unter einen Hut. Für viele Frauen ist das nicht so leicht. Wie kann man sie fördern?

Meinl-Reisinger: Für mich ist es auch nicht leicht. Fragen Sie bitte auch meine männlichen Kollegen zur Vereinbarkeit von Familie und Beruf! Beim Ausbau der Kinderbetreuung müssen wir quantitativ was machen, aber auch qualitativ. In Wien liegt der Betreuungsschlüssel bei den Null- bis Dreijährigen im Kindergarten bei 1:8, bei den Drei- bis Sechsjährigen bei 1:17. Aber der Kindergarten ist als erste Bildungseinrichtung ungemein wichtig. Bei den unter Dreijährigen soll der Betreuungsschlüssel auf 1:3 gesenkt werden, bei den Drei- bis Sechsjährigen auf 1:8.

DIE FURCHE: : Mit der FPÖ würden Sie keinesfalls koalieren. Mit wem schon?

Meinl-Reisinger: Wollen Sie einen Strache als Bürgermeister oder einen Gudenus als Stadtrat? Ich nicht. Ich habe einen Plan vorgelegt, welche Punkte ich angehen will. Das wird meine Verhandlungsbasis sein.

DIE FURCHE: Spüren Sie nach den Wahlschlappen in der Steiermark und im Burgenland Druck, dass jetzt alles an Ihnen liegt?

Meinl-Reisinger: Nein. Ich sehe, dass viele das politische System satt haben. Meine Forderung, 120 Millionen rauszuschneiden aus den Kosten des politischen Systems und in die Bildung zu stecken, haben schon 20.000 Wienerinnen und Wiener unterschrieben.

DIE FURCHE: Macht Ihnen der Aktionismus Spaß oder machen Sie das aus Geldmangel?

Meinl-Reisinger: Wir finanzieren alles aus Spenden und Darlehen, kämpfen als David gegen Goliath. Daher spitzen wir zu und setzen unsere Themen in Aktionen um. Ich will nicht verhehlen, dass einiges auch Spaß macht.

DIE FURCHE: Die NEOS sind sehr idealistisch in die Politik gestartet und nun im tagespolitischen Hickhack angekommen. Wie hat sich Ihr Zugang zur Politik verändert?

Meinl-Reisinger: Ich bin in die Politik gegangen, weil ich keine Lust habe, vom Sofa aus zu schimpfen. Wenn mich meine Kinder einmal fragen, was ich damals gemacht habe, will ich sagen können, "Ich habe was getan". Solange ich diese Kraft in mir spüre, wird sich an meinem Zugang nichts ändern.

DIE FURCHE: Warum legen Sie vor der Wienwahl Ihr Nationalratsmandat zurück?

Meinl-Reisinger: Ich werde nicht auf meinem Nationalratssessel picken bleiben, wenn ich für die Wienerinnen und Wienerarbeiten will. Strache macht das so. Ich nicht.

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