Zähes Ringen um die QUOTE LIGHT

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Das EU-Parlament hat sich für eine Frauenquote in Aufsichtsräten entschlossen.Gegen deren Umsetzung gibt es in einigen EU-Ländern vehementen Widerstand.

"Zuerst habe ich nicht an die Quote geglaubt. Ich bin eine Verfechterin des freien Marktes und stehe Regulierungen skeptisch gegenüber. Dann habe ich erkannt, dass es einen gesetzlichen Rahmen braucht, um Unrecht zu bekämpfen“, sagt die Telekommunikations-Unternehmerin und Top-Managerin Candace Johnson. Sie war es, die auf Anregung der EU-Justizkommissarin und Quoten-Initiatorin Viviane Reding eine Online-Datenbank für weibliche Führungskräfte ins Leben gerufen hat. Ziel der EU-Initiative ist es, sichtbar zu machen, dass es sie sehr wohl gibt: Top qualfizierte und ehrgeizige Frauen mit Führungserfahrung, die sofort die Position einer Aufsichtsrätin einnehmen könnten und wollten.

Frauen hebenAnforderungsprofil

Johnson geht es nicht bloß um einen höheren Frauenanteil: "Wir haben uns genau überlegt, welche Kritierien jeder erfüllen sollte, der in den Aufsichtsrat möchte - und festgestellt, dass es in den Altherren-Netzwerken de facto keine nachvollziehbaren Kriterien gibt. Diese Postenschacherei und Hordenmentalität wollen wir abstellen.“ Das Auswahl-System müsse strenger, objektiver und transparenter werden.

Der Erfolg hat sich schnell eingestellt: Schon 8000 geeignete Frauen konnten weltweit für die Datenbank rekrutiert werden, 4000 Profile wurden inzwischen in die Datenbank eingearbeitet. Vor zwei Monaten ging die "European Board Ready Women Database“ online. "400 Frauen sind bereits als Kandidatinnen für Aufsichtsräte im Gespräch“, berichtet Johnson.

Ein Blick zurück: Schon 2010 hatte EU-Kommissarin Viviane Reding erstmals den Vorschlag der Kommission für eine Frauenquote vorgestellt. Nach massiven Widerständen in- und außerhalb der Kommission musste Reding immer wieder Rückzieher machen. "Ausgerechnet zwei Frauen, EU-Außenbeauftragte Ashton und die dänische Klimakommissarin Heedegard haben sich aus Rücksicht auf die Befindlichkeit in ihren Heimatländern gegen verbindliche Quoten ausgesprochen“, kritisiert die grüne EU-Parlamentarierin Ulrike Lunacek.

Aus dem ursprünglichen Vorschlag wurde nun eine "Light-Variante“: Ab 2020 sollen 40 Prozent der Aufsichtsräte in börsennotierten Unternehmen Frauen sein. Die Quote wird nicht für börsennotierte mittelständische Unternehmen mit weniger als 250 Mitarbeitern oder weniger als 50 Millionen Euro Jahresumsatz gelten. Betroffen wären also insgesamt rund 5000 europäische Unternehmen.

Wieso man nur die Aufsichtsräte, und nicht gleich auch die Vorstände in die neue Regelung inkludiert hat? "Schon die Umsetzung des ersten Schrittes wäre ein Erfolg angesichts der Widerstände, die da zu überwinden waren und noch zu überwinden sind“, betont Lunacek.

Ein weiterer Haken an der neuen Regelung: Wer die Quote nicht erfüllt, muss mit keinen Sanktionen rechnen. Sanktioniert wird nur dann, wenn die Auswahlverfahren nicht transparent durchgeführt werden. "Ob das tatsächlich geschieht, wird aber nur bei Beschwerden geprüft“, kritisiert Lunacek. Die schwarze EU-Parlamentarierin Elisabeth Köstinger hingegen spricht sich gegen eventuelle Sanktionen für Unternehmen aus: "Anreize für Unternehmen sind die bessere Maßnahmen.“ Eine Quote für Vorstände hält die ÖVP-Politikerin für kontraproduktiv: "Solche starren Vorschriften könnten die Wettbewerbsfähigkeit von Unternehmen negativ beeinflussen.“ Wichtig ist Köstinger auch, dass Klein- und Mittelunternehmen - also 99 Prozent aller heimischen Betriebe - von der Quote ausgenommen sind.

Warum sich die EU überhaupt in diese Thematik einmischt? "Wegen der im EU-Recht festgelegten Gleichbehandlung“, erklärt Evelyn Regner, die rote Vizevorsitzende des Rechtsausschusses im EU-Parlament. "Die EU darf immer nur dann was machen, wenn die Nationalstaaten das nicht auf die Reihe kriegen.“ Jahrzehntelang habe man auf die Freiwilligkeit von Unternehmen gesetzt - ohne Erfolg. In Österreich liegt die Frauenquote in den Aufsichtsräten mit 11,6 Prozent noch immer zwei Prozentpunkte unter dem EU-Schnitt.

Deutscher Kurswechsel

Die deutsche Change Managerin Carola Eck-Philipp berät Frauen, die in den Aufsichtsrat wollen, und erlebt immer wieder dasselbe Szenario: Einen verdeckten Widerstand. "Kein Mann sagt heutzutage noch: ‚Wir wollen keine Frau im Aufsichtsrat.‘ Aber es findet sich immer wieder irgendein anderer fadenscheiniger Grund, keine Frau aufzunehmen.“ Sobald aber Frauen tatsächlich mit an Bord sind, würde sich dieser Widerstand auflösen, so Eck-Philipp: "Die Frauen gehen dann gut vorbereitet in die Sitzungen hinein, bewähren sich und erhalten Anerkennung.“

Die tatsächliche Einführung der Quotenregelung wird einzig von den Mitgliedsstaaten abhängen. Neun Länder haben sich gegen eine Quote ausgesprochen: Deutschland, Großbritannien, Schweden, Dänemark, die Niederlande, Estland, Litauen, Ungarn und Tschechien. Nachdem nun aber die deutsche Kanzlerin Angela Merkel im Zuge der Regierungsbildung einen Kurswechsel eingeschlagen hat, könnte das auch in anderen Blockadestaaten zu einem Umdenken führen. "Weil jetzt bei der CDU Bewegung in dieser Frage signalisiert wurde, erwarte ich, dass auch die ÖVP endlich ihre Blockadehaltung aufgibt“, erklärt Lunacek. Die Rede von der undankbaren Rolle der "Quotenfrau“ will die Grüne nicht gelten lassen: "Wenn es unter den Bewerbern keine gleich qualifizierte Anwärterin gibt, müssen die Unternehmen keine ‚Quotenfrau‘ anstellen.“ Und: Die Quote würde bei einer Unterrepräsentanz von Männer auch umgekehrt gelten: "Bei gleicher Qualifikation soll der Kandidat oder die Kandidatin genommen werden, dessen oder deren Geschlecht im Aufsichtsrat weniger vertreten ist.“

Die Datenbank-Gründerin Johnson, selbst Präsidentin von drei Verwaltungsräten, blickt der Einführung der Quote gespannt entgegen. Bisher war sie immer die erste und einzige Frau. "Ich war aber auch immer die Jüngste, die einzige Technikerin und die einzige Amerikanerin“, betont die heute 60-jährige Managerin.

Und sie war diejenige, die andere Frauen ins Boot holte. "Mir wollten Männer aus Malta, aber auch aus Deutschland weismachen, dass es keine geeigneten Frauen für die dortigen Räte gibt - dabei konnte ich ihnen aus dem Stand mehrere Frauen aufzählen, mit denen ich bestens zusammengearbeitet hatte.“ Johnson weiß, was es heißt, die einzige Frau zu sein: "Man hat automatisch einen anderen Status. Spätestens vor der Männertoilette ist für Frauen Schluss. Sobald aber drei Frauen am Tisch sitzen, wird man nicht mehr auf das Frausein reduziert.“

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