Manuela Horvath: "Zigeuner" ist Fremdbezeichnung

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Über Volksgruppen-Arbeit und die schmerzhaften Erinnerungen an das Attentat in Oberwart. Manuela Horvath, Leiterin der Roma-Pastoral im Burgenland, im Interview.

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Über Volksgruppen-Arbeit und die schmerzhaften Erinnerungen an das Attentat in Oberwart. Manuela Horvath, Leiterin der Roma-Pastoral im Burgenland, im Interview.

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Werden Roma und Sinti in Liedern als fahrendes Volk durch Europa besungen, so entwickelte sich im Burgenland über die vergangenen Jahrzehnte eine starke Community. Ein FURCHE-Gespräch mit der Leiterin der Roma-Pastoral, Manuela Horvath, wenige Tage vor dem Welt-Roma-Tag.

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DIE FURCHE: Frau Horvath, am Beginn unseres Gesprächs eine Frage nach der richtigen Begriffs-Verwendung: Warum "Roma" und nicht "Zigeuner"?

Manuela Horvath: Der Begriff "Zigeuner" ist eine Fremdbezeichnung, politisch nicht korrekt und wird in erster Linie von Nicht-Roma verwendet. Auch, wenn viele unter ihnen Romnija und Roma mit der Bezeichnung "Zigeuner" nicht beleidigen wollen, so versuche ich immer wieder einzulenken und betone, dass "Roma" unsere Eigenbezeichnung ist und dass ich als "Romni" bezeichnet werden möchte, und nicht als "Zigeunerin".

DIE FURCHE: Seit einem Jahr leiten Sie die Roma-Pastoral im Burgenland. Wie kann sich ein Außenstehender Ihre tägliche Arbeit vorstellen?

Horvath: Die Arbeitsschwerpunkte der Roma-Pastoral sind sehr umfangreich und gehen von schulischer und außerschulischer Aufklärungsarbeit über die Geschichte und gegenwärtige Situation und den Alltag von Roma bis hin zur Unterstützung der Volksgruppen-Angehörigen in schwierigen Lebenssituationen. Wichtig sind, neben der Gestaltung kirchlicher Feste in unserer Sprache, aber auch Nachmittage mit Eltern und Kindern, weil erst durch persönliche Gespräche ein Einblick in die Lebenssituation des und der Einzelnen gewonnen werden kann. Ich versuche mein Bestes, Volksgruppenangehörige individuell zu stärken, aber auch das Gemeinschaftsgefühl zu forcieren. Innerhalb der Diözese Eisenstadt habe ich dabei Gestaltungsfreiheit und kann, gemeinsam mit unserem Roma-Seelsorger und unseren ehrenamtlichen Mitarbeiterinnen und -mitarbeitern, nicht nur für die Volksgruppe arbeiten, sondern vor allem auch mit ihr.

DIE FURCHE: Machen Sie auch gezielte Aufklärungskampagnen?

Horvath: Gezielte Kampagnen gibt es nicht, aber wir transportieren bei allen unseren Feierlichkeiten etwas über die Kultur der Volksgruppe mit. Bei großen Veranstaltungen wie den Gedenkfeiern in Oberwart oder der Wallfahrt nach Mariazell nehmen ja auch viele Nicht-Roma teil ...

DIE FURCHE: Spielen Wallfahrten eine besondere Rolle innerhalb der Roma-Community?

Horvath: Nach Ende der Nazi-Herrschaft pilgerten viele ehemalige KZ-Insassinnen und -insassen nach Mariazell, um der Muttergottes für ihr Überleben zu danken. Seit 1996 treffen sich jedes Jahr am zweiten Sonntag im August Roma und Sinti aus Österreich, Deutschland, Ungarn und anderen europäischen Ländern zur mittlerweile traditionellen Roma-Wallfahrt. Die Liturgie wird zum Teil in Romanes abgehalten, und viele Nicht-Roma hören dort zum ersten Mal unsere Sprache. Haupt-Zelebrant bei der jährlichen Wallfahrt ist immer ein Bischof - um die Wichtigkeit der Roma-Wallfahrt zu unterstreichen und um Bischöfe aus den unterschiedlichsten Diözesen auf die Situation der Roma auch aufmerksam zu machen. Ebenso gibt es in der Bischofskonferenz auch einen zuständigen Bischof für Roma und Sinti. Dieser ist seit kurzem Weihbischof Franz Scharl.

DIE FURCHE: Sie haben Morde an Roma und Sinti angesprochen: Arbeiten Sie mit den Angehörigen Ihrer Volksgruppe auch dieses schmerzhafte Kapitel auf?

Horvath: In Kooperation mit dem Verein Roma Service etwa wird die Errichtung von Gedenktafeln für die Roma-Holocaust Opfer in jenen Ortschaften initiiert, in denen Roma vor dem Zweiten Weltkrieg lebten. Im Feber organisiere ich die jährliche Gedenkfeier für die Roma-Attentatsopfer vom 4. Feber 1995. Diese Gedenkfeier zu planen und durchzuführen und nicht mehr nur als Gast daran teilzunehmen, ist für mich emotional sehr schwierig. Ich bin in der Roma-Siedlung in Oberwart aufgewachsen und zwei meiner Cousins sind bei dem Bombenattentat ums Leben gekommen.

DIE FURCHE: In wenigen Tagen ist Welt-Roma-Tag. Wie begehen Sie diesen Tag und was bedeutet der 8. April für Sie als Romni?

Horvath: Am Welt-Roma-Tag wird die Kultur der größten ethnischen Minderheit Europas gefeiert. Zugleich wird aber auch auf die Situation von Roma weltweit hingewiesen. Vor zwei Jahren gab es am Welt-Roma-Tag eine große Veranstaltung im Stephansdom: Roma aus Wien und aus dem Burgenland haben dort gemeinsam gefeiert und an einer Agape im bischöflichen Palais teilgenommen. Der Roma-Tag bedeutet für mich ganz allgemein eine zusätzliche Anerkennung und Wertschätzung unserer Volksgruppe.

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