Zivildienstreform auf Raten

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Erste Schritte zu einem modernen Sozialdienst wurden überlegt, dann hat die Reformkommission der Mut verlassen und die Brille der Parteipolitik den Blick über den Horizont getrübt, meint Caritas-Präsident franz küberl.

Gleich vorweg: Die Zivildienstreformkommission hat einige sehr beachtliche Ergebnisse erbracht, die in der öffentlichen Debatte (naturgemäß) nun nicht erörtert wurden: Das Dach eines zwölf Monate lang möglichen freiwilligen Sozialdienstes; eine starke Option, Frauen den Zugang zur freiwilligen Ableistung von Zivildienst und freiwilliger Verlängerung zu ermöglichen; klarere Möglichkeiten, einen Auslandszivildienst abzuleisten und bessere finanzielle Rahmenbedingungen werden kommen.

Die Diskussionen am Ende der Kommissionsarbeit waren aber klarerweise auf die Dauer des Zivildienstes fokussiert. Es hat im Vorfeld der Entscheidung mehrere Vorschläge gegeben, die aber wenig (aus unserer Sicht zu wenig) unter den politischen Parteien verhandelt wurden. Letztlich musste man schnell den Eindruck gewinnen, die unterschiedlichen Positionen in dieser Frage dienten mehr der eigenen Profilierung, denn einem breiten Konsens über die heikle Frage, wie lange man männliche Staatsbürger zum Dienst für Staat und Gesellschaft verpflichten will. Klar war bald, dass die erste Etappe der Verkürzung - neun Monate Pflichtdienst und die Möglichkeit, bis zu drei weiteren Monaten freiwilligen Zivildienst zu absolvieren - eine sehr deutliche Mehrheit in der Kommission hatte.

Der Punkt, an dem sich die Geister letztlich schieden, war die Frage der verbindlich zu vereinbarenden zweiten Etappe einer weiteren Verkürzung. Den ersten Schritt (Verkürzung auf neun Monate) sind ja praktische alle Kommissionsmitglieder, natürlich neben den Regierungsparteien auch Grüne und spö, mitgegangen. Nicht gelungen ist, auch den zweiten Schritt festzuschreiben. (Mein Kompromissvorschlag, in einem zweiten Schritt auf acht Monate Zivildienstpflicht zu reduzieren, war nicht mehrheitsfähig).

Neues Spiel

Jetzt gilt es die Chance der weiteren Gespräche auf politischer Ebene und in weiterer Folge im Nationalrat zu nützen. Spieler und Spielsteine werden nun neu aufgestellt. In der politischen Diskussion besteht die Herausforderung nun darin, das Spielziel - eine vernünftige Reform des Zivildienstes - mutig und weiter zu definieren und dabei den Blick über die Grenzen und in die Zukunft zu richten: Es geht um den Mut, einen freiwilligen Sozialdienst als neue Perspektive zu entwickeln. Die nun vorgeschlagene Variante einer freiwilligen dreimonatigen Verlängerung des neunmonatigen Pflichtdienstes verlangt genauso nach Rahmenbedingungen wie ein anzudenkender freiwilliger Sozialdienst nach Abschaffung von verpflichtendem Wehrdienst und Zivildienst.

Dabei geht es sowohl um attraktive Einsatzplätze, um neue Anforderungen an die derzeitigen Zivildienstträgerorganisationen, um Rahmenbedingungen im inhaltlichen, aber auch im finanziellen Bereich. Es geht auch um die attraktive Möglichkeit für Frauen, diesen Dienst freiwillig zu leisten. Denn der freiwillige Sozialdienst funktioniert nur, wenn sich genügend junge Menschen melden. Und der freiwillige Sozialdienst funktioniert nur, wenn die staatlichen Rahmenbedingungen klar sind, einschließlich des Interesses, das der Staat am Funktionieren dieser neuartigen Spielform sozialen Engagements haben muss. Daher wird es auch eines Vertrages nach Artikel 15a der Bundesverfassung zwischen den Gebietskörperschaften bedürfen, um die von Bund, Ländern und Gemeinden zu erbringenden Leistungen und zu erfüllenden Aufgaben festzuschreiben.

Damit ist aber schon der letztlich entscheidende Punkt angesprochen, wenn von der Frage nach dem "Funktionieren" des Zivildienstes/Sozialdienstes gefragt wird.

Soziale Initialzündung

Die Erwartung der Caritas ist hier klar umrissen, es geht um eine individuelle Komponente und einen gesamtgesellschaftlichen Aspekt. Individuell bedeutet: Der Zivil-/Sozialdienst ist so gestaltet, dass er für viele junge Menschen als eine Art Initialzündung für ihr soziales Engagement fungiert. Eine Erfahrung, die sie hinführt, im persönlichen Leben das Engagement für andere als sinnvoll und bereichernd einzustufen und dauerhaft zu leben. Die Folge könnte eine grundsätzlich höhere Bereitschaft sein, sich in der freiwilligen Arbeit unterschiedlichster Facetten zu engagieren, weil es als bereichernd empfunden wird, eigene Talente und Zeit für andere Menschen zu investieren.

Der gesamtgesellschaftliche Aspekt ist: Individuell gelebte Solidarität hat positive Auswirkungen auf das Zusammenleben aller Menschen in Österreich.

10-Jahres-Plan der Solidarität

Klar ist, hier geht es nicht um kurzfristig anzustrebende Entwicklungen. Hier ist wohl als Lernziel eine Art "Zehn-Jahres-Plan der Solidarität" realistisch. Der Zivil-/Sozialdienst als Phase der Orientierung und Erfahrung im Umgang mit Menschen am Rand der Gesellschaft und am Rand des Lebens: Wenn es uns gelingt, dies in eine neue Form zu gießen, ist das für junge Menschen eine wertvolle Basis für den weiteren Lebensweg und den Berufsweg. Das tut den jungen Menschen gut, das tut Österreich gut. Wenn sich die Gespräche der politischen Parteien daran orientieren, dann könnte die nächste Runde im Ringen um die Zukunft des Zivildienstes Möglichkeiten eröffnen, die in der Reformkommission nicht mehr gegeben waren. Dass der Verfassungsgesetzgeber klug beraten wäre, für die Dauer des Zivildienstes (ähnlich dem Präsenzdienst) Ermächtigungen zur Präzisierung zu geben, hat die Bundesheerdebatte der letzten Tage gezeigt.

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