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Im Rahmen der Präsentation des Buches "Zivilcourage" (s. Buchtipp) diskutierten kürzlich Armin Thurnher ("Falter"-Chefredakteur), Manfried Welan (Politologe, Universität f. Bodenkultur), Emil Brix (Generalsekretär der Österreichischen Forschungsgemeinschaft, Leiter der kulturpolitischen Sektion im Außenamt) und Friedhelm Frischenschlager (FP-, später LIF-Politiker, zuletzt für die OSZE im Kosovo tätig). Die Furche als Mitveranstalter (neben Österr. Forschungsgemeinschaft, Österreichisches Institut für Erwachsenenbildung) dokumentiert Auszüge aus den Debattenbeiträgen.

Fehlende Öffentlichkeit

Österreich ist eine wunderbare Demokratie, der gar nichts fehlt, außer einer funktionierenden Öffentlichkeit. Eine solche Öffentlichkeit aber ist notwendig für so etwas wie Zivilcourage. Öffentlichkeit wird in Österreich nicht einmal ansatzweise als Nährboden der Demokratie verstanden, wo Argumente verhandelt werden, sondern eher als eine Art Präsentations- und Beeinflussungssystem von diversen Interessensgruppen, nicht nur politischen. Dementsprechend werden Verhaltensweisen geprägt - und dementsprechend sehen die Vorbilder aus, die uns entgegentreten.

Man sollte Zivilcourage nicht nur als Haltung gegenüber dem Staat sehen, es gibt noch eine andere wichtige Perspektive. Gerade im Journalismus sieht man das sehr gut: Da muss man zur Kenntnis nehmen, dass die Medien mehr noch als durch die Politik durch ökonomischen Druck bedroht sind. Nur wird dieser vom Publikum kaum wahrgenommen. Oft kommt der Journalismus, die Art, wie Medien gemacht werden, den ökonomischen Rahmenbedingungen ja schon sehr entgegen. Es gibt auch hier eine Schere im Kopf, die heute - anders als vor 30, 40 Jahren - weniger politische Freundschaften berücksichtigt, als die ökonomischen Interessen des eigenen Verlags.

Eine Mischform von beidem haben wir im ORF: da ist der Staat, der den Mut der Redakteure erfolgreich einschränkt; andererseits aber gibt es den notorischen Quotendruck, der dem Unternehmen stark zusetzt. Aber vielleicht ließe sich ja auch argumentieren, dass der ORF, hätte er mehr Zivilcourage, auch bessere Quoten erzielen würde und wirtschaftlich erfolgreicher wäre...

Tapferkeit vor dem Freund

Ich habe einmal Zivilcourage als "Tapferkeit vor dem Freund" bezeichnet - und das war auch gemünzt auf Erhard Busek; der hat diese "Tapferkeit vor dem Freund" immer gehabt, und er hat sie nach wie vor. Ich habe in meiner Zeit in der Politik wenig an solcher Tapferkeit erlebt, und ich halte das für ein großes Problem der Parteiendemokratie.

Jemand, der in fast allen Bereichen Zivilcourage gezeigt hat, war Sokrates - er hat nach der Wahrheit gesucht. Auch dazu, zu versuchen mit jedem ins Gespräch zu kommen und ihn zur Wahrheit zu führen, gehört Mut, auch das hat mit Zivilcourage zu tun.

Für Österreich gibt es zwei Musterfälle von Zivilcourage: Zwentendorf und Hainburg. Die sind zu Chiffren geworden, die bis heute wichtig sind. Und dann gibt es auch zwei österreichische Typen: den Herrn Karl, der, wie wir wissen, in allen Gesellschaftsschichten vorkommt; und den Bockerer, der sehr wohl als ein Beispiel für Zivilcourage gelten kann.

Es hat in Zeiten der NS-Diktatur durchaus viel Zivilcourage gegeben; es hat auch viel Zivilcourage zur Besatzungszeit, 1945 bis 1955, gegeben; auch zur Zeit der postautoritären Demokratie der permanenten Großen Koalition. John F. Kennedy hat auf dem Weg zur Präsidentschaft "Profiles of Courage", Musterbeispiele für Zivilcourage, unter den Berufspolitikern beschrieben - ein Buch gegen Opportunismus und Populismus. Das wäre im übrigen auch eine lohnende Aufgabe für die Kandidaten im laufenden österreichischen Präsidentschaftswahlkampf gewesen, solche Profile zu sammeln, denn da würde man auch das Profil derjenigen, die kandidieren, gut erkennen können...

Im Kaffeehaus versickert

Ich kann mich bisweilen des Eindrucks nicht erwehren, dass in Österreich die Zivilcourage im Kaffeehaus versickert. Viel weiter reicht es meistens nicht. Dieses Jammern in der Halböffentlichkeit mag ja durchaus therapeutische Wirkung haben, aber eine nachhaltige Stärkung von Zivilcourage ist in Österreich jedenfalls nicht gelungen.

Das hat auch mit den Medien zu tun, ich bin mir aber nicht sicher, ob das nur an den ökonomischen Zwängen liegt, denn es geht ja auch immer um individuelles Verhalten.

Dazu gehört auch, dass zivilcouragiertes Verhalten in der Regel bestraft wird. Ich denke etwa an jenen niederländischen Beamten, der auf Probleme in der EU-Kommission hingewiesen hat - das hat zwar letztlich zum Rücktritt der Kommission geführt, ihm selber aber hat das nicht geholfen. Oder der Fall Gerhard Hirschmann: Die zynische Lesart lautet, wenn er naiv genug war zu glauben, dass er für das Aufdecken von Missständen belohnt wird, dann ist ihm nicht zu helfen.

Nun gibt es zwar öffentliche Anerkennung für zivilcouragiertes Verhalten: Journalistenpreise, Preise für ehrenamtliches Wirken etc. Das sind schon Signale, aber irgendwie scheint es doch nicht ganz ernst gemeint zu sein. Bis zu einem gewissen Grad ist das auch verständlich, weil Zivilcourage den Politikern das Leben nicht einfacher macht.

Buchtipp:

Zivilcourage

Hg. von Emil Brix, Jürgen Nautz, Klaus Thien

Reihe Civil Society der Österreichischen Forschungsgemeinschaft, Bd. 8

Passagen Verlag, Wien 2004

166 Seiten, e 20,50

Feines Netz der Mächtigen

Zunächst würde man meinen, dass es Zivilcourage in einer verfassten Demokratie gar nicht geben kann: dass politisches Engagement mit Nachteilen, gar mit Risken und Gefahren verbunden sein soll, passt ja nicht zur Demokratie. Tatsächlich ist die Situation grundlegend zu unterscheiden von jener in Diktaturen oder totalitären Systemen. Aber wenn man sich die konkrete Praxis ansieht, dann merkt man sehr schnell, dass ein politisches Agieren gegen den Mainstream sehr wohl mit Nachteilen, wenn auch nicht mit existenzieller Bedrohung verbunden ist. Gerade die österreichische Situation ist bis heute durch ein sehr feingesponnenes Netz der Mächtigen gekennzeichnet, das störende Aktivitäten sanktioniert. "Komm zu uns, lass dich durch uns vertreten; wir brauchen deine Mitgliedschaft, damit wir etwas für dich tun können...": so läuft es nach wie vor. Hier dagegenzuhalten, erfordert durchaus ein beträchtliches Maß an Zivilcourage.

Dabei geht es aber nicht nur um die Grundrechte des Einzelnen, sondern ich glaube, dass solche Netze ein politisches Gemeinwesen massiv beeinträchtigen. Zivilcourage ist daher nicht nur etwas Individuelles, sie ist auch unerlässlich für das Gesamtsystem, für die demokratische Kultur.

Insgesamt sehe ich aber trotz allem eine durchaus positive Entwicklung; nicht zuletzt deshalb, weil sich die Österreicher zunehmend trauen, das Wahlgeheimnis auch tatsächlich zu nützen. Durch die Wählermobilität haben die gewachsenen Machtstrukturen, die freiheitsbeschränkend sind und sich auch für politisches Engagement hemmend auswirken, deutlich an Relevanz verloren.

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