"Zu spät rein, zu früh raus!"

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US-General und UN-Botschafter a.D. Jacques Paul Klein zu den größten Mankos der UNO-Friedensmissionen

Die Furche: Herr Botschafter, Sie haben UN-Missionen in Liberia und Ex-Jugoslawien geleitet - was braucht es für einen gelungenen Einsatz?

Jacques Paul Klein: Das erste, was man braucht, ist ein starkes Mandat des UN-Sicherheitsrates, inklusive klarer Ansagen, was mit der Mission erreicht werden soll.

Die Furche: Dann sind auch mehr UN-Mitgliedsstaaten eher geneigt mitzumachen?

Klein: Die heikle Frage ist, welche Länder mitmachen? Infanterie bekommt man leicht - von Indien, Bangladesch, Pakistan, doch Fußtruppen allein sind zuwenig: Man braucht Kommunikationseinheiten, Lazarette, Hubschrauber, Techniker. Das kriegt man viel schwieriger. Die Kapazitäten von immer mehr Ländern werden in der NATO eingesetzt oder in einem regionalen Kontext; daher gibt es immer weniger Länder, auf die die UNO zugreifen kann.

Die Furche: Wenn Sie nächstes Jahr Nachfolger von UN-Generalsekretär Kofi Annan wären - was würden Sie im Konfliktmanagement anders machen?

Klein: Ich würde eine klare Stellungnahme der Mitgliedsstaaten für eine stehende, sofort und überall einsetzbare UN-Einheit einfordern. Und wenn es dann Krisen gibt: Chaos, Aufruhr, Mord - dann muss der Sicherheitsrat mir das Mandat geben, einschreiten zu können. Ohne eine stehende Truppe dauert das Wochen, Monate ... Da braucht es einen Mechanismus, wo ein Land ein 250 Betten-Lazarett zur Verfügung stellt, ein anderes ein Hubschraubergeschwader usw. Das muss es geben und zwar sehr schnell - sonst steht die UNO weiterhin als Zuschauer am Rande, während unschuldige Menschen getötet werden.

Die Furche: Was hat die UNO in den letzten Jahrzehnten dazugelernt? Gibt es einen messbaren Fortschritt im Konfliktmanagement?

Klein: Um ehrlich zu sein: 50 Prozent aller UN-Missionen scheitern nach fünf Jahren. Warum? Weil wir zu spät hinkommen und weil wir nicht lange genug dort bleiben. Haiti ist ein perfektes Beispiel dafür: Haiti ist nach wie vor ein gescheiterter Staat; Haiti hätte eine UN-Mission gebraucht, die in den ersten fünf Jahren den Staat stabilisiert und Sicherheit garantiert; aber dann muss man noch 20, 25 Jahre dort bleiben und den Wiederaufbau begleiten, das Gesundheitssystem, das Bildungssystem usw. aufbauen helfen.

Die Furche: Rein in die Krise und zu schnell wieder raus ...

Klein: Ja, wir sind zu tempozentriert. Dazu kommen die übersteigerten Erwartungen; am Anfang geht man meistens zu überschwänglich in den Einsatz, dann kommt die Ernüchterung und in fünf Jahren wollen alle raus. Ich hatte bei meinen Einsätzen Glück, ich hatte klare Vorgaben: Entwaffnung, Aufbau von Polizeieinheiten, Grenzschutz ... Mittlerweile aber denk ich mir, es gibt in der UNO wirkliche Spezialisten; und wenn man die richtige Truppe beisammen hat, kann man auch große Einsätze schaffen.

Die Furche: Wenn Sie den kurzen Atem der Staatengemeinschaft beklagen - hängt das nicht auch mit den Schwierigkeiten zusammen, diese Einsätze und die damit verbundenen Kosten zuhause zu rechtfertigen?

Klein: Zu Zeiten des Ost-West-Konflikts war das noch leicht zu argumentieren. Aber warum heute in Regionen intervenieren, wo ein Land keine wirtschaftlichen oder politischen Interessen hat? Warum sollen wir da in den Krieg ziehen?

Die Furche: Warum?

Klein: Moralische Empörung muss den Ausschlag geben. Man kann nicht danebenstehen und nichts gegen Gräuel unternehmen. Da gibt es nur einen Grund: Weil es richtig ist, einzuschreiten. Und ich meine, die meisten Menschen, egal wo, verstehen und unterstützen weltweite Solidarität.

Die Furche: Was heißt das für Afghanistan?

Klein: Wir können dort nicht erfolgreich sein, ohne die nötigen Ressourcen. Afghanistan ist eine Frage der Standfestigkeit. Wir haben dort viel investiert, viel erreicht, wie können wir da jetzt aufhören und abgleiten, bevor wir einen endgültigen Sieg einfahren. Die Menschen in Afghanistan haben etwas Besseres verdient.

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