Zuckersaft statt Coca-Cola

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Globalisierungskritiker haben zum vierten Mal auf globaler Ebene darüber diskutiert, wie weltweite Gerechtigkeit zu erreichen ist.

Der Protest gegen Großkonzerne und Neoliberalismus beginnt mit kleinen Dingen, mögen sich die Organisatoren des sechstägigen Weltsozialforums (WSF) in Indien gedacht haben. Und sorgten dafür, dass die Teilnehmer aus aller Welt statt mit Coca-Cola und Hamburgern mit Zuckerrohrsaft und "vada prao", indischen Sandwiches, versorgt wurden.

Während also vor dem Konferenzzentrum in der indischen Millionenmetropole Mumbai, wie Bombay seit 1995 offiziell heißt, heimischer Proviant feilgeboten wurde, diskutierten drinnen ab 16. Jänner rund 100.000 Globalisierungskritiker (darunter etwa 20 Österreicher) in 1.200 Konferenzen, Workshops und Seminaren darüber, wie das Motto des WSF, "Eine andere Welt ist möglich", zu verwirklichen sei. Die Veranstaltung zeichnete sich durch eine Vielfalt an Themen aus, die auf den ersten Blick nicht viel gemeinsam haben mögen: Während die einen über die Frage der gesellschaftlichen Verantwortung von Unternehmen, die gerechte Verteilung natürlicher Ressourcen oder die Gleichberechtigung der Frauen debattierten, demonstrierten die anderen gegen US-Präsident George W. Bush oder kämpften gegen das indische Kastensystem, das noch immer zu massiven Diskriminierungen führt, obwohl diese seit Jahrzehnten gesetzlich verboten sind.

Neoliberale Tendenzen

Gerade dieses breite Themenspektrum sei wichtig, betont Chemie-Gewerkschafter Peter Schissler, Mitorganisator des Österreichischen Sozialforums, der bei den drei ersten Weltsozialforen im brasilianischen Porto Allegre dabei war. "Das WSF ist dazu da, möglichst viele Zugänge zu verschiedenen Themen zu finden, aber letztlich hat jedes Thema zu tun mit neoliberalen Tendenzen, mit Macht und der Ressourcen-Verteilung zwischen oben und unten." Schissler sieht die Bedeutung der jährlichen Großveranstaltung vor allem darin, ein Gegengewicht zu Weltbank, Währungsfonds und Welthandelsorganisation zu bilden.

Dabei wollen die Veranstalter das WSF aber längst nicht mehr nur als Gegenveranstaltung zum jährlich im Schweizer Davos stattfindenden Weltwirtschaftsforum gesehen werden, als die es im Jahr 2001 erstmals abgehalten wurde. "Es ist ein Ort, wo man gemeinsam über Werte, Utopien und Alternativen zum Neoliberalismus diskutiert", erklärt Karin Küblböck, Obfrau der globalisierungskritischen Organisation Attac Austria. Weltweite Vernetzung und Kooperation seien das Ziel des Forums. Attac etwa wolle vor allem Beispiele bereits erfolgter Privatisierungen und ihrer negativen Folgen sammeln und Informationen über erfolgreiche Kampagnen austauschen.

Naturgemäß stoßen diese Anliegen aber nicht überall auf Verständnis. Hanns Pichler etwa, Vorstand des Institutes für Volkswirtschaftstheorie und -politik an der Wirtschaftsuniversität Wien, hält das Sozialforum"für verzichtbar", erklärt er im Gespräch mit der Furche. Die sozialen Anliegen der Globalisierungskritiker seien längst in die Entwicklungszusammenarbeit und in die Programme von Währungsfonds und Weltbank aufgenommen: "Man kann sich dagegen stellen, aber dann muss man auch etwas besseres zu bieten haben. Alles andere ist müßig." Alternativen würden jedoch nicht aufgezeigt, "es besteht die Gefahr, dass alles einfach nur schlecht geredet wird." Außer einem "Debattierklub" habe das Forum nichts zu bieten.

Militante Töne

Diesen Vorwurf erhebt - mit anderen Intentionen - auch die indische Schriftstellerin Arundhati Roy, bekannt durch den Roman "Der Gott der kleinen Dinge". Sie eröffnete nicht nur das WSF, sondern auch die Parallel-Veranstaltung "Mumbai Resistance 2004", die sich selbst als "Fortsetzung der militanten Tradition der Antiglobalisierungs- und Antikriegsbewegungen" und das Sozialforum als "schwammiges Wortgeplänkel" sieht. Entsprechend deutlich Roys Worte auf dem WSF: "Wenn wir gegen Imperialismus und Neoliberalismus sind, müssen wir den Widerstand im Irak nicht nur unterstützen, wir müssen zum Widerstand im Irak werden."

Platz für Vielfalt

Das Sozialforum soll sich freilich gerade durch friedlichen Widerstand auszeichnen, und als solchen wollen zahlreiche teilnehmenden Organisationen die blutigen Anschläge im Irak einfach nicht sehen. Attac-Obfrau Küblböck nimmt solche Aussagen trotzdem gelassen: "Attac will nicht so militant auftreten, aber das ist eben ein Teil der Vielfalt am WSF. Für uns ist jedoch gerade der Dialog wichtig, in dem Alternativen entworfen werden." Bisherige Erfolge des WSF seien neben den weltweiten Friedensdemonstrationen im Februar 2003, dass "die neoliberale Ideologie bröckelt", weil immer mehr Stimmen einen Gegenentwurf dazu fordern würden. Auch die Attac-Obfrau hält daher viel von einer weiteren Forderung Arundhati Roys: zwei Konzerne zu boykottieren, die vom Irak-Krieg profitiert haben.

Die Schriftstellerin wird damit wohl nicht ausgerechnet Coca-Cola und McDonalds gemeint haben. Vermutlich hat es den beiden Konzernen auch keinen dauerhaften Schaden zugefügt, dass 100.000 Menschen sechs Tage lang auf Limonade und Hamburger verzichtet und sich beim Diskurs über "eine andere Welt" mit Zuckerrohrsaft und "vada prao" gestärkt haben.

Aber das waren ja auch nur die kleinen Dinge, mit denen der Protest gegen Großkonzerne und Neoliberalismus beginnt.

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