Zur Wiedervereinigung Zyperns gezwungen

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Ari Rath, gebürtiger Wiener Jude, als Jugendlicher vor den Nationalsozialisten nach Israel geflohen und langjähriger Chefredakteur der Jerusalem Post, hat im Interview mit der FURCHE gemeint, dass die politischen Falken, die Hardliner, die in die Politik gewechselten Generäle die besseren Friedensverhandler sind – weil ihnen, den Haudegen, von ihren Wählern Kompromisse eher zugestanden werden. Im Konflikt zwischen Israelis und Palästinensern erfährt diese Theorie gerade wieder einen Rückschlag. Doch Raths Logik steht erneut auf dem Prüfstand, seit Dervis Eroglu am Sonntag mit 50,3 Prozent der Stimmen zum neuen Präsidenten der „Türkischen Republik Nordzypern“ (KKTC) und damit zum höchsten Repräsentanten der Inseltürken gewählt worden ist.

Mit Eroglu als neuem Volksgruppenführer beginnt eine neue Ära auf Zypern. Nach mehreren Jahren der Annäherung zwischen Türken und Griechen auf der Insel steht Eroglu für einen wieder erstarkten türkischen Nationalismus. Natürlich werde er die 2008 begonnenen Verhandlungen fortsetzen, kündigte er an. Die Frage ist jedoch, was Eroglu mit dem zypriotischen Präsidenten Demetris Christofias besprechen will. Denn er zweifelt am Endziel der Verhandlungen: der Gründung eines gemeinsamen Staates von Griechen und Türken auf Zypern. Dass sein jetzt abgewählter Vorgänger, der EU-Anhänger Mehmet Ali Talat, diese Grundlinie verfolgte, war für Eroglu „ein großer Fehler“. Der will maximal einen lockeren Staatenbund, was Kritiker als Festschreibung der Teilung bewerten.

Der aus Famagusta (türkisch: Gazimagusa) im Osten Zyperns stammende 72-jährige Eroglu war schon unter dem als „Mr. No“ bekannten Hardliner Rauf Denktas in den 1980er- und 1990er-Jahren Regierungschef der KKTC. Bis heute ist die KKTC international isoliert und wäre ohne die Unterstützung der Türkei nicht lebensfähig.

Diese Abhängigkeit macht Eroglus Verhältnis zu Ankara zu einer delikaten Angelegenheit. Seit die türkische Regierung die EU-Bewerbung des eigenen Landes vorantreibt, ist sie sehr an einer einvernehmlichen Lösung auf Zypern interessiert. Im Wahlkampf unterstützte Ankara deshalb ganz offen Eroglus Gegner Talat.

Der türkische Ministerpräsident Recep Tayyip Erdogan erklärte nach den Wahlen am Montag, es sei der Wunsch seiner Regierung, dass die Wiedervereinigungsverhandlungen der beiden Zypern-Volksgruppen fortgesetzt würden. Und auch Washington sowie die Europäische Union verlangten von Eroglu umgehend, dass er die von seinem abgewählten Vorgänger geführten Verhandlungen mit der griechisch-zypriotischen Mehrheitsbevölkerung weiterführt. „Es gibt keine Alternative zu einer Lösung, der Status quo ist unhaltbar“, sagte die Sprecherin von EU-Erweiterungskommissar Stefan Füle in Brüssel.

Der zypriotische Präsident Christofias telefonierte bereits mit Eroglu und gratulierte ihm zum Wahlsieg, worauf beide ein Treffen vereinbarten. Christofias wurde 2008 von der griechisch-zypriotischen Bevölkerung mit dem Versprechen gewählt, die Wiedervereinigungsgespräche voranzutreiben. Die griechisch-zypriotischen Wiedervereinigungsgegner und Christofias-Widersacher frohlocken deswegen über Erdoglus Wahlsieg und erklärten unisono, dass die Verhandlungen nun in einer Sackgasse seien, aus der sie nicht mehr herauskommen würden. Außer die Ari Rath-Logik stimmt doch – wenn schon nicht in Israel, dann wenigstens auf Zypern.

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