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Dank weitgehender Einsicht und Opferwilligkeit der gewerblichen Wirtschaft, „, insbesondere der Industrie, wurde im Wege einer freiwilligen Aktion die ständige Aufwärtsbewegung der Preise zum Stillstand gebracht, ja es sind in zahlreichen Einzelfällen auch gewisse Preisabschläge festzustellen. Damit ist eine Atmosphäre der Beruhigung geschaffen, in der reale Erwägungen gedeihen und in der es möglich erscheint, auch heikle Dinge, wie es Währungsangelegenheiten nun einmal sind, in voller Offenheit zu besprechen.

Die erste bange Frage, die sich wohl jedem von uns aufdrängt, geht dahin, ob die gegenwärtig laufende Aktion schon eine dauernde Stabilisierung unseres Preis-Lohn-Gefüges beinhalte oder nur als eine Art Atempause aufgefaßt werden könne. Wir werden uns diese Frage um so besser und klarer beantworten können, wenn wir vorerst den Ursachen der stürmischen Preisentwicklung in den letzten vier Jahren — also in der Zeit nach der sogenannten „Währungsreform“ vom Dezember 1947 — nachgehen.

Diese gewaltigen Steigerungen (auf rund das Dreifache der damaligen Lebenshaltungskosten) mit der Erhöhung der internationalen Rohstoffpreise und dem Abbau der Subventionen allein begründen zu wollen, hält einer Überprüfung nicht Stand, da der Einfluß dieser Komponenten auf die österreichische Preisentwicklung, wie statistisch erwiesen, nur einen geringen Bruchteil ausmachte. Es muß vielmehr offen ausgesprochen werden, daß wir Österreicher — und zwar nicht nur die Bevölkerung, sondern vor allem Parlament und Regierung — in den letzten Jahren unseren Wunschträumen zu viel nachgegeben haben, daß wir glaubten, gleichzeitig auf den verschiedensten Gebieten uns Dinge leisten zu können, die andere, viel reichere Staaten sich zeitweilig versagen oder zumindest auf einen längeren Zeitraum verteilen mußten, und daß dadurch, trotz der gewaltigen Zuschüsse der Marshall-Hilfe, das monetäre Gleichgewicht unserer Wirtschaft gestört wurde.

Sehen wir zu, wie es zu dieser Störung praktisch gekommen ist.

Vor allem müssen wir uns eines ehernen und unabänderlichen Wirtschaftsgesetzes erinnern, das in tausendfältiger Erfahrung erprobt und von der Wissenschaft bestätigt ist: des Gesetzes von Angebot und “Nachfrage, übersteigt in einem lfigeren Zeitabschnitt die Nachfrage das Angebot, so steigen unaufhaltsam die Preise. Auf dem Markte der Konsumgüter wird dies regelmäßig dann der Fall sein, wenn auf den verschiedenste! Wegen, populär ausgedrückt, .mehr Geld unter die Leute kommt'; alä Konsumgüter vorhanden sind, wenn also einem künstlich gesteigerten geldlichen Kaufkraftvolumen keine entsprechende Steigerung der Konsumgüterproduktion gegenübersteht. Es ist dies eine der vielen Varianten jener Vorgänge, die man unter dem Sammelbegriff .Inflation“ versteht.

In Österreich hat nun diese Diskrepanz zwischen geldlicher Nachfrage und Angebot an Konsumgütern eine ganze Reihe von Ursachen. Zunächst: Wir haben in den letzten vier Jahren geradezu gigantische Investitionen durchgeführt, die auf etwa 32 Milliarden Schilling geschätzt werden, wovon nur etwa ein Viertel durch Zuwendungen aus der Marshall-Hilfe gedeckt erscheint. Es wurden also durchschnittlich Jahr für Jahr etwa 20 Prozent unseres Vcwcseinkommens für langfristige Investitionen verwendet, die sich, so notwendig und nützlich sie — zumindest zum Teil — waren, doch erst in vielen Jahren und auch dann erst allmählich in einer Steigerung unseres volkswirtschaftlichen Ertrages auswirken werden. Die augenblickliche Wirkung hingegen beinhaltet eine sehr beträchtliche Steigerung des gesamten Lohnvolumens, also eine Steigerung der Nachfrage nach Konsumgütern, denen keine erhöhte Produktion dieser Güter gegenübersteht. Es hätten also, um den Gleichgewichtszustand aufrechtzuerhalten, alle übrigen Konsumenten ihren .Verbrauch“ einschränken müssen. Man kann sich dies auch plastisch an einem Bild klarmachen: aus einem Topf kann man bekanntlich nicht mehr herausnehmen, als darin ist. Wenn wir nun aus dem großen Topf .Volkseinkommen“ mehr für Investitionen verwenden, bleibt eben weniger für den .Verbrauch“ übrig. Das aber wollten wir Österreicher, Parlament und Regierung auf der einen, Arbeiter, Unternehmer und Bauern auf der anderen Seite, nicht wahrhaben. Sie alle übertrafen sich an Großzügigkeit im Geben und Nehmen — allerdings nicht von realen Werten, sondern von Geldzeichen!

Parlament und Regierung setzten ihren Stolz darein, allen .gerechtfertigten“ Ansprüchen der verschiedensten Bevölkerungsschichten nachzukommen, ohne hiebei zu bedenken, daß die letzte Rechtfertigung doch wohl die volkswirtschaftliche Deckung durch Realwerte darstellt. So kam es zu dem jetzt eben zur Beratung stehenden Staatsbudget von annähernd 20 Milliarden Schilling beziehungsweise, wenn wir die Budgets der Länder und Gemeinden hinzurechnen, zu Gesamtausgaben der öffentlichen Hand von annähernd 30 Milliarden Schilling, also beträchtlich mehr als 50 Prozent des Volkseinkommens! Die monetäre Kehrseite dieser schillernden Ausgabenmedaille ist aber die Tatsache, daß sich die öffentlichen Budgets zum allergrößten Teil (direkt oder indirekt) in Löhne und Gehalte umsetzen, die allen möglichen Zwecken dienen mögen, sicherlich aber nicht der Steigerung der Konsumgüterproduktion. Es wird demnach durch die übersteigerten Budgets eine künstliche Erhöhung der Nachfrage, also des „Verbrauches“ geschaffen. Im gleichen Sinne wirken die Defizite der öffentlichen Betriebe, die im abgelaufenen Jahr allein bei den Bundesbahnen die unvorstellbare Höhe von 2600 Millionen Schilling erreichen werden. Die Wissenschaft bezeichnet solche Defizite als offene Inflation. Auf derselben Ebene liegen schließlich die Subventionen zwecks Verbilligung von Konsumgütern. Sie bewirken — ganz im Gegensatz zur guten Absicht ihrer Urhaber! — letzten Endes einen Preisauftrieb, da sie ja eine weitere künstliche Kaufkraft, nicht aber eine Vermehrung der Güterproduktion schaffen.

Wir sehen also, daß der gleiche Staat, der sich immer wieder in Strafdrohungen, Beschwörungen und Appellen an die Einsicht der Bevölkerung wendet, andererseits durch seine großartige Geberlaune, wenn auch vielleicht sogar unabsichtlich und unbewußt, das Möglichste dazu tut, im Wege der Schaffung einer künstlichen Nachfrage preissteigernde Auswirkungen auszuüben!

Wenn Parlament und Regierung so großzügig im „Geben“ sind, ist es dann wohl verwunderlich, wenn Arbeiter, Bauern und Unternehmer im „Nehmen“ nicht zurückstehen wollen?

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