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Eine „bessere CDU“?

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Von der Erkenntnis, daß mit Opportunismus allein kein Wahlkampf zu gewinnen ist, war jedoch wenig zu bemerken. Man höhnte zwar über die Unfähigkeit der CDU/ CSU, achtete aber peinlich darauf, den empfindlichen Partner nicht allzusehr zu reizen. Ja, man rechnete es sich in Karlsruhe sogar als Verdienst an, den Bundesaußenminister der CDU, Gerhard Schröder, gehalten zu haben, eine Äußerung, die mehr als alles andere zeigt, wie sehr die SPD zur Zusammenarbeit mit der CDU bereit ist. So unterließ man es, den relativ leicht zu erbringenden Beweis aufzustellen, daß es so, wie das Kabinett Erhard heute regiert und wie sich die CDU/CSU benimmt, nicht geht. Dafür machte man sich daran, sich selbst im besten

Licht und als künftige Regierungsmannschaft vorzustellen.

Das „Gegenkabinett“

Es spricht viel dafür, daß sich die SPD damit wieder einmal auf ein gefährliches Glatteis begeben hat. Die Regierungserklärung blieb, wie es zu diesem Zeitpunkt nicht anders sein konnte, recht farblos, und die Aufstellung eines Gegenkabinetts brachte Schwierigkeiten, die man wohl besser auf die Zeit nach der Wahl verschoben hätte. Man mußte einige Posten offen lassen, darunter den so wichtigen des Innenministers, als Bundesinnenminister Höcherl, der insofern besondere Chancen bot, nicht schwer zu übertrumpfen gewesen wäre. Trotzdem: Die Mannschaft, die Brandt schließlich am letzten Tag des Parteitags vorstellte, kann sich durchaus dem Vergleich mit dem amtierenden Bundeskabinett stellen. Fritz Erler, Carlo Schmid, Hermut Schmidt (Innensenator von Hamburg), Alex Möller, Karl Schiller, Ernst Schellenberg, Waldemar von Knöringen, Käte Strobl und Gustav Heinemann sind eine Mannschaft, die jedem Bundeskabinett Ehre machen würde. Die SPD hat damit bewiesen, daß sie genügend Ministeriabile in ihren Reihen hat.

Die Gefahr dieser Taktik erweist folgende Überlegung. Auch wenn die SPD die CDU/CSU in ihrer Kritik geschont hat, verpflichtet das die CDU nicht zu demselben Vorgehen. Sie wird daher sowohl das unvollständige Regierungsprogramm wie dieses Schattenkabinett, wie es die CDU nicht ungeschickt bezeichnet hat, unter schärfsten Beschuß nehmen. Hierin war die CDU/CSU noch in allen Wahlkämpfen Meister. Gelingt es ihr, die SPD bis zum Herbst ins Zwielicht zu bringen, so hat sie höchstwahrscheinlich die Wahl auch dann gewonnen, wenn ihre eigenen Leistungen bis zu diesem Zeitpunkt nicht überzeugender geworden sind. Mit anderen Worten, die SPD hat die Initiative schon jetzt praktisch der CDU überlassen, ohne die in ihrer Stellung als Opposition liegende Chance zu ergreifen, durch fortwährende Angriffe die CDU in eine Verteidigungsstellung zu zwingen.

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