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Geht Europa nach links?

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Geht Europa politisch unaufhaltsam nach links? Diese Frage drängt sich nach dem französischen Wahlsonntag auf. Am nächsten Sonntag wird es in Paris höchstwahrscheinlich eine sozialistische Regierung geben.

In den Niederlanden regiert be reits eine Koalition unter Sozialdemokraten; in Italien hat die Linke vor einem Jahr zum erstenmal seit dem Krieg die Regierung übernommen; in Großbritannien hat die Labour-Party kürzlich einen Erdrutsch-Sieg gefeiert und achtzehn Jahre konservative Herrschaft beendet; in Deutschland könnte im nächsten Jahr die christlich-liberale Koalition durch ein rot-grünes Experiment abgelöst werden.

Aber von welcher „Linken” ist überhaupt die Rede?

„Sozialdemokratisch” nennen sich alle. Die österreichische SPÖ hat diesen Namen, den sie schon in der ersten Republik hatte, wieder angenommen. Die italienischen Ex-Kommunisten tragen ihn ebenso, und auch die französischen Sozialisten verstehen sich als Sozialdemokraten.

Dennoch vertreten sie höchst . unterschiedliche politische Richtungen.

In Italien hat die linke Koalition mit dem ehemaligen Christdemokraten und praktizierenden Katholiken Romano Prodi zwar ein bürgerliches Aushängeschild, wirkliche Reformen in der Sozial- und Wirtschaftspolitik verhindert aber schon die Abhängigkeit von den dogmatischen Kommunisten der „Rifondazione Comunista”.

Das Gegenstück ist die Labour-Party in England. Sie zeigt großen sozialpolitischen Reformeifer, hütet sich aber zugleich, die wichtigsten Reformen der „Thatcher-Revolution” zu beseitigen, die anderswo von Sozialdemokraten als „neoliberal” leidenschaftlich verdammt werden.

Die schwedischen Sozialdemokraten sind mit Eifer dabei, jenen Wohlfahrtsstaat zu demontieren, den sie über Jahrzehnte aufgebaut haben. Ihre deutschen Namensvetter hingegen sind weiter unverdrossene Verfechter eines Sozialstaates, den jenseits der niederländischen Grenze ebenfalls Sozialdemokraten längst schon energisch zurückgestutzt haben.

Welche Sozialdemokraten auch immer: Es scheint, daß die Menschen den Sozialisten eher zutrauen, die Antwort auf die gegenwärtige Krise zu haben.

Sind also die Sozialdemokraten die „bessere Partei für die schlechteren Zeiten”?

Vielleicht bestätigt sich hier eine politische Paradoxie: Nur der „nationale”, über jeden Verdacht erhabene Charles de Gaulle konnte in Frankreich einen nationalen Verzicht, die Aufgabe Algeriens durchsetzen.

Vielleicht werden es ausgerechnet die Sozialdemokraten sein, die in Europa den Abschied vom „sozialdemokratischen Jahrhundert” vollziehen.

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