Müller - © APA / AFP / Alberto Pizzoli

Gerhard Ludwig Müller: Weißer Elefant im Kardinalspurpur

19451960198020002020

Kardinal Gerhard Ludwig Müller, der am Todestag Benedikts XVI. 75 Jahre alt wurde, gilt als einer der ranghöchsten Kritiker von Papst Franziskus.

19451960198020002020

Kardinal Gerhard Ludwig Müller, der am Todestag Benedikts XVI. 75 Jahre alt wurde, gilt als einer der ranghöchsten Kritiker von Papst Franziskus.

Nachdem Erzbischof Georg Gänswein seine Erinnerungen mit dem demütigen Titel „Nichts als die Wahrheit“ unters katholische Volk gestreut hat, sorgt die nächste Neuerscheinung für Aufregung in den Couloirs des Vatikan: „Nach Treu und Glauben“ lautet der übersetzte Titel eines Interviewbuchs des deutschen Kurienkardinals Gerhard Ludwig Müller, der bis 2017 oberster Glaubenswächter des Papstes war und seither als weißer Elefant an der Kirchenspitze poltert.

Als Müllers Amtszeit an der Spitze der Glaubenskongregation nach fünf Jahren zur Verlängerung anstand, habe ihm Papst Franziskus quasi im Vorübergehen mitgeteilt, er benötige seine Dienste nicht mehr. Seither steht Müller bereitwillig für allerlei Wortspenden zur Verfügung, die jedenfalls das konservative Kirchenlager in ihrer Meinung bestärken, dass das gegenwärtige Pontifikat ein übles sei.

Auch im Interviewbuch nimmt sich Müller diesbezüglich kein Blatt vor den Mund – Franziskus habe mehrmals rechtliche Grundsätze verletzt, er habe in Missbrauchscausen Freunde beschützt und er und seine Berater seien, salopp gesagt, theologisch ahnungslos. Dass derartige Kritik einmal mehr aus jener Ecke kommt, die den absoluten Primat des Papstes behauptet, ist auffällig: Wenn der Papst nicht das tut, was diese Fraktion goutiert, dann darf man ihm schon ans Leder.

Kardinal Müller, Schüler des späteren Mainzer Kardinals Karl Lehmann, war schon als Bischof von Regensburg ab 2002 für Konflikte mit allzu Liberalen bekannt. 2017 holte ihn Benedikt XVI. an die Spitze der Glaubenskongregation. Seit 2006 ist Müller auch Herausgeber der 16-bändigen Gesamtausgabe der Werke Joseph Ratzingers/Benedikts XVI.

Da das konservative Kirchenlager nach dem Tod des Papa emeritus eine Identifikationsfigur sucht, bietet sich Müller gewiss dafür an. Mit 75 Jahren ist er auch längst nicht zu alt für einen Papstanwärter.

Erratische Wortmeldungen der letzten Jahre – er verglich die Vorschläge des Synodalen Wegs in Deutschland mit dem NS-Ermächtigungsgesetz oder unterstützte Verschwörungsmythen zur Coronakrise – lösten weithin Kopfschütteln aus. Bei den (ultra)konservativen Parteigängern in der katholischen Kirche hingegen schadet dies Müller keineswegs. Im Gegenteil.

Ein Thema. Viele Standpunkte. Im FURCHE-Navigator weiterlesen.

FURCHE-Navigator Vorschau