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Hohe Hürde für die SPD

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Nimmt man das Wahlergebnis in seinen prozentualen Verhältnissen, so ergeben sich für die SPD keine befriedigenden Aussichten. Die Koalitionsverhandlungen von 1961 und 1962 zeigten deutlich, daß die SPD nur über die absolute Mehrheit zur Regierungsverantwortung gelangen kann. Dazu scheinen keinerlei Aussichten vorhanden zu sein. Legt man zugrunde, daß die CDU in Landtagswahlen weniger gut abschneidet als in Bundestagswahlen, so käme sie an diesem Wahlergebnis gemessen 1965 an die 50 Prozent heran, was ihr in diesem Land nur 1957 gelungen war. Gelingt es der CDU, 1965 wieder die absolute Mehrheit zu gewinnen, so würde das allerdings noch mehr die FDP treffen. Sie hat 1961 mit ihrem überraschenden Erfolg einen unverhältnismäßig großen Einfluß auf die Politik gewonnen und diesen auch in einer Weise vertreten, der innerhalb der CDU die Neigung verstärkt hat, nur noch im Notfall die jetzige Koalition mit der FDP zu verlängern.

Ist Erhard, wie sich gezeigt hat, schon für die SPD ein gefährlicher Gegner, so kann er für die FDP geradezu zur Existenzbedrohung werden. Hat diese Partei doch 1961 mit der Parole „Für Erhard gegen Adenauer“ ihren Wahlerfolg errungen, eine Parole, die sich 1965 schwerlich wiederholen läßt. Das Abwandern der Stimmen der kleinen Parteien zur CDU hat auf einmal wieder für die FDP die Gefahr einer absoluten Mehrheit der CDU heraufbeschworen, die für diese Partei auf jeden Fall eine schwere Krise heraufbeschwören müßte. Auch die SPD ist damit, wenn sie weiter aufsteigen will, auf Stimmengewinne von der CDU angewiesen, was unter der Kanzlerschaft von Erhard nicht ganz leicht sein dürfte, wenn nicht Erhard sich aus unerfindlichen Gründen weiter auf die Bahn eines Parteipolitikers drängen läßt.

Dazu hat er aber nach der Wahl in Baden-Württemberg weniger Veranlassung denn je. Ganz gleich, ob nun die Gunst der Wähler ihm oder Kiesinger galt: Zum erstenmal seit Jahren ist der CDU ein spektakulärer Wahlsieg gelungen, und es wäre unbegreiflich, wenn Erhard das nicht benutzen würde, um sich von unbequemer Vormundschaft freizumachen. Die auffallend zurückhaltenden Kommentare zu diesem Wahlsieg von seiten rechtsgerichteter Funktionäre der CDU scheint anzudeuten, daß sie sich dieser Bedeutung der Wahl wohl bewußt sind. Wenn Erhard diese unerwartete Chance nutzt, dann kann die Wahl in Baden-Württemberg in der Tat die Bedeutung einer Testwahl erhalten.

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