Erhard Busek  - © FOTO: APA/GEORG HOCHMUTH

Schüssel über Busek: Ein bunter Vogel bleibt auch im Alter bunt

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Zum 80. Geburtstag von Erhard Busek: eine persönliche Würdigung von Wolfgang Schüssel.

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Zum 80. Geburtstag von Erhard Busek: eine persönliche Würdigung von Wolfgang Schüssel.

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Geboren am 25. März 1941, mitten im Krieg, aufgewachsen im halb zerstörten Wien, bürgerlich erzogen – id est: Begeisterung für Literatur, Theater, Rhetorik und Diskussionsfreude, Disziplin, Intellekt. Katholik sein – das hieß im Nachkriegswien freies Durchatmen und Reformen. „Löscht den Geist nicht aus“, war das Motto des ersten Katholikentags 1952 und die nachhaltige Prägung durch Persönlichkeiten wie Otto Mauer, Karl Strobl, Pater Debray und die Katholische Aktion. Öffnung der Kirche in Richtung Ökumene, gesellschaftspolitische und soziale Fragen, Liturgiereform waren die wichtigen Themen. Erhard Busek war hier Beweger, Motivator, Vorbild für viele Junge. Erste politische Gehversuche im ÖVP-Klub, dann als General im Wirtschaftsbund. Auch dort Reformen – gegen die verstaubte Gewerbe­ordnung und Preis-Marktregelungen. Anerkennung der Bedeutung der freien Berufe und der leitenden Angestellten durch Gründung des Management-Clubs. Mit dem tödlichen Unfall Karl Schleinzers übernahm Josef Taus im Tandem mit Erhard Busek als Generalsekretär die Volkspartei. Die Städte und die politische Mitte rückten ins Zentrum der politischen Programmarbeit, die mit der Übernahme der Wiener Volkspartei vollendet wurde.

Erhard Busek motivierte (wie auch Alois Mock) eine ganze Generation junger Menschen, sich für Österreich und Europa zu engagieren.

Hier liegt für mich das überzeugendste Beispiel für die kreative Kraft Buseks. 1976 erfolgte sein Wechsel in die Wiener Stadtpolitik, zwei Jahre später erreichte er ein Drittel der Stimmen, bei der nächsten Wahl 35 Prozent. Hier entstanden Impulse für Wien, die bis heute prägend sind – größte deutschsprachige Universitätsstadt, Stadtfeste, Stadt-Außenpolitik, Kultur als Qualitätssiegel und „Lebensmittel“, Nachhaltigkeit als durchgängiges Prinzip für Umwelt, Natur, Wohnen, Wirtschaft, Verkehr. Nein zu Atom und Pro zur Hainburger Au waren selbstverständlich. Als Wiener Vizebürgermeister rüttelte er die verschlafene Großstadt auf, mit seinem kongenialen Partner Jörg Mauthe als Kulturstadtrat (siehe Karikatur von Wolfgang Schüssel) ließ er die bunten Vögel als Gegenmodell zu den grauen Stadt-Sauriern fliegen. Für altgediente ÖVP-Funktionäre war es ein Schock, nichts weniger als die Neugründung der Wiener ÖVP. Vergleichbar mit der türkisen Verwandlung der ÖVP auf Bundesebene durch Sebastian Kurz im Jahr 2017.

Erhard Busek und Jörg Mauthe - Erhard Busek und Jörg Mauthe (Karikatur: Wolfgang Schüssel) - © Karikatur: Wolfgang Schüssel
© Karikatur: Wolfgang Schüssel

Erhard Busek und Jörg Mauthe (Karikatur: Wolfgang Schüssel)

Die Stadtkultur war Erhard Buseks zentrales Anliegen: Stadtfeste, Grätzl-Aktivitäten, Altwiener Christkindlmarkt. Dazu eine wahrhaft metropolitische Stadt-Außenpolitik. So macht man urbane Politik. Die konservativen „Stahlhelme“ der eigenen Partei blieben – wenig überraschend – skeptisch. Aber wäre Stadtpolitik nicht gerade auch heute einige Versuche und Experimente wert? Die Digitalisierung bietet ungeheure Chancen für die Vertiefung der Beziehung des Bürgers zu seiner Stadt, zum Beispiel in Form direkter Mitbestimmung über Teile des Budgets oder unmittelbare Resonanz zur Qualität kommunaler Dienste. Faszinierend waren für mich immer die Busek'schen Diskussionsrunden mit den spannendsten Denkern, Künstlern und Wissenschaftern in der Wohllebengasse. Ein Wiener Salon im besten Sinne. Vermutlich würde heute wohl ein Mitglied der Jagdgesellschaft die WKStA alarmieren, um an die Teilnehmerliste dieser Abende heranzukommen. Kurzzeitige Ausflüge (Neos) und gelegentliche kritische Wortspenden zu einigen seiner späteren Nachfolger seien hier aus jahrzehntelanger Verbundenheit übergangen ...

Auf den alten Teppichen des Orients symbolisieren fliegende bunte Vögel eine gute Nachricht. Busek und Mauthe waren ein solches gutes Zeichen für Wien. Nach dem frühen Tod Mauthes schrieb die Puppenkünstlerin ­Christa Müller traurig: „Jörg M. ist tot. Die Neidgesellschaft lebt. Die bunten Vögel, die kräftigen, sind vielleicht in den Süden geflogen, die schwächeren haben sich irgendwo verkrochen. Hier herrscht Eiszeit, kulturelle, gefühlsmäßige Eiszeit.“

Mitteleuropa, Donauraum, Alpbach

Ohne ihn als Vizekanzler und Parteichef und den stürmenden Außenminister Alois Mock wäre das window of opportunity unseres EU-Beitritts 1994/95 vielleicht versäumt oder erst viel später geöffnet worden. Auch später blieb sein Blick auf Europa wach: Balkan, Mitteleuropa, Donauraum, Alpbach. Mit einem altersmilden Rückblick fragt man oft, was die Spannungen der Mock- und Busek-Anhänger auslöste. Beide überzeugte Europäer, bildungs­affin, kulturinteressiert, versierte Außenpolitiker (Mock der Transatlantiker, Busek als Anwalt der Mittel- und Osteuropäer), untadelige Christen und Demokraten, Reformer mit Herz und Verstand, skandalfrei, klug, im Lebensstil bescheiden. Busek motivierte (wie auch Mock) eine ganze Generation junger Menschen, sich für Österreich und Europa, für Bildung und Forschung, für seine Bürger und für zukunftstaugliche Politik zu engagieren. Ein wortgewaltiger Mutmacher gegen Angsthasen und Angstmacher. Ad multos annos, lieber Erhard!

Wolfgang Schüssel war von 1995 bis 2007 ÖVP-Bundesparteiobmann und von 2000 bis 2007 Bundeskanzler Österreichs.

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