
10 Jahre Papst Franziskus: Pontifex, der Zeichen setzt
Vor zehn Jahren: Die Wahl von Jorge Mario Bergoglio am 13. März 2013 zum Bischof von Rom war eine Überraschung. Franziskus’ Pontifikat erwies sich in vielerlei Hinsicht als ebenso neu wie uneindeutig.
Vor zehn Jahren: Die Wahl von Jorge Mario Bergoglio am 13. März 2013 zum Bischof von Rom war eine Überraschung. Franziskus’ Pontifikat erwies sich in vielerlei Hinsicht als ebenso neu wie uneindeutig.
Unfehlbar ist ein Papst, wenn er ex cathedra spricht. Allerdings nur, wenn er „Glaubens- und Sittenfragen“ definiert. Ansonsten kann er, wie jeder Mensch, irren. Das tat Franziskus, was die Prognose für seine Amtszeit anbelangt: „Ich habe das Gefühl, mein Pontifikat wird von kurzer Dauer sein. Vier oder fünf Jahre. Ich weiß nicht, oder zwei oder drei.“
Am 13. März 2013 wurde Kardinal Jorge Mario Bergoglio als erster Lateinamerikaner (mit italienischem Migrationshintergrund) und erster Jesuit zum Bischof von Rom gewählt. Noch nie zuvor hatte sich ein Papst, auch das ein Novum, Franziskus genannt. Der Argentinier wurde zu einer gigantischen Projektionsfläche. „Yes we can“, Obamas Wahlkampfslogan, schien plötzlich auch in der römisch-katholischen Kirche möglich: Es geht auch anders!
Spontan, wie er ist, unkompliziert, geradeheraus, überraschte Franziskus am laufenden Band. Beim Weltjugendtag in Rio de Janeiro rief er in die Menge: „Macht Krach!“ Auf dem Rückflug nach Rom fragte er, warum er Homosexuelle verurteilen solle. Er besuchte Lampedusa und Lesbos. Er appellierte dabei an die Menschlichkeit der Europäer. In Straßburg nannte er den Kontinent eine „Großmutter, die nicht mehr fruchtbar und lebendig“ sei. Er eckte an mit schrägen Vergleichen. Seine Metaphern waren ungewohnt, manche gingen auch daneben, waren aber umso eingängiger: Kirche als „Feldlazarett“ oder als „Zollstation“, der Beichtstuhl als „Folterkammer“. Wörter wie „Zärtlichkeit“ hatte man zuvor aus päpstlichem Mund eher selten gehört. Die „Wegwerfgesellschaft“ stieß einer bürgerlichen Religion auf. Mit „Diese Wirtschaft tötet“ eckte er bei Wirtschaftsbossen an.
Evangelii gaudium, sein Apostolisches Schreiben, das auf eine unter Benedikt XVI. abgehaltene Weltbischofssynode von 2012 reagierte, ist immer noch ein großer Wurf mit verstecktem Potenzial. Wenige Monate vor der UN-Klimakonferenz in Paris überraschte und beeindruckte Franziskus mit der Sozialenzyklika Laudato si’ (Mai 2015). Während der Corona-Pandemie veröffentlichte er die Enzyklika Fratelli tutti (Oktober 2020): Wer sprach zuvor von einer „Zeitenwende“?
Die bisher 40 Auslandsreisen waren politische Statements: Irak und Myanmar, Albanien, Malta, Nordmazedonien und Bosnien, die baltischen Staaten, Lund und Malmö in Schweden. Auf den Philippinen feierte er mit schätzungsweise sechs Millionen Menschen eine Messe: Weltrekord. In die USA und zu den Vereinen Nationen in New York gelangte er über Kuba, wo er auf dem Flughafen von Havanna den orthodoxen Patriarchen Kyrill I. traf. Kenia, Uganda, Mosambik, die Zentralafrikanische Republik, Ägypten und Marokko standen auf dem Reiseplan. In Nagasaki und Hiroshima verurteilte Franziskus den Einsatz von Atomwaffen. Die Besuche in den Vereinigten Arabischen Emiraten, Kasachstan und Bahrain wurden historisch genannt. Kanada war eine Bußreise, der Südsudan vor wenigen Wochen ein Schrei um Frieden.
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