Skorka - © Foto: APA / AFP / Osservatore Romano

Abraham Skorka: „Gemeinsame Sprache erarbeiten“

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Abraham Skorka war Rabbiner in Buenos Aires und ist – seit dessen Tagen als Erzbischof dieser Stadt – ein enger Freund von Jorge Bergoglio, der seit 2013 als Papst Franziskus in Rom sitzt. Ein Gespräch über gemeinsame Erinnerungen und den Dialog der Religionen.

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Abraham Skorka war Rabbiner in Buenos Aires und ist – seit dessen Tagen als Erzbischof dieser Stadt – ein enger Freund von Jorge Bergoglio, der seit 2013 als Papst Franziskus in Rom sitzt. Ein Gespräch über gemeinsame Erinnerungen und den Dialog der Religionen.

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Er zählt zu den engsten Freunden von Papst Franziskus: der argentinische Rabbiner und Biophysiker Abraham Skorka, 71. Er war Rektor des lateinamerikanischen Rabbinerseminars in Buenos Aires, Rabbiner der jüdischen Gemeinde Benei Tikva, Professor der biblischen und rabbinischen Literatur sowie Lehrer für talmudisches Recht. Zur Zeit ist er Gastprofessor an der St. Josephs University in Philadelphia/USA. Die FURCHE hat mit ihm über die Freundschaft mit Franziskus und den interreligiösen Dialog gesprochen.

DIE FURCHE: Herr Skorka, wie sind Sie Jorge Mario Bergoglio begegnet?
Abraham Skorka:
Wir haben zwei Unabhängigkeitstage in Argentinien, jeweils am 25. Mai und am 9. Juli. An einem der beiden Tage war das und zwar im Jahr, als Bergoglio zum Erzbischof von Buenos Aires ernannt wurde, also 1998. Wie gewöhnlich trafen wir uns an diesen Tagen in der Kathedrale, da die Regierungsvertreter zusammen mit Vertretern der Kirche ein Te Deum feierten. Auch Repräsentanten anderer Religionen waren eingeladen. Ich war als Rektor des Rabbinerseminars und der Gemeinde Benei Tikva eingeladen worden. Bergoglio begrüßte alle Anwesenden. So haben wir uns kennengelernt. Ich glaube, er hatte von mir schon zuvor gehört, da ich für eine bekannte Zeitung über den interreligiösen Dialog schrieb. Jorge Mario Bergoglio hat eine besondere Art und Weise, mit Menschen umzugehen. Man fühlt sich auf der gleichen Ebene, kann mit ihm frei sprechen und auch Witze machen. Wir hatten ironisch über Fußball gesprochen, und ich verstand, dass da eine Meta-Ebene hinter diesen Witzeleien war. Er wollte damit sagen: Schau, wir können gemeinsam Witze machen und miteinander sprechen; wir sind beide gleichwertige Gesprächspartner. So begann unsere Freundschaft.

DIE FURCHE: Und wie haben Sie Ihre Freundschaft weitergeführt?
Skorka:
Er sagte, er sei der Erzbischof von Buenos Aires und ich der Rektor des Rabbinerseminar, aber beide setzten wir Taten und begnügten uns nicht einfach mit schönen Worten. Wir wollen gleichermaßen eine authentische Botschaft, die den Menschen wirklich etwas bringen kann, weiterreichen. So haben wir gemeinsam ein Buch geschrieben, das mittlerweile in 17 Sprachen erschienen ist und auf Deutsch mit dem Titel „Über Himmel und Erde“ 2013 veröffentlicht wurde. Damals wollte die ganze Welt verstehen, weshalb gerade er zum Papst gewählt wurde.

DIE FURCHE: Und hat die Welt verstanden, warum er zum Papst gewählt wurde?
Skorka:
Er ist mein Freund und selbstverständlich ist er mir sympathisch. Aber er war einfach die richtige Person zur richtigen Zeit am richtigen Ort. Die Kirche brauchte einen Mann mit besonderem Mut, revolutionär und vor allem einen, der ganz klar spricht. Die Kirche brauchte einen Mann, der wie die früheren Propheten in Israel zu sprechen wagte. Ich verstehe sein Pontifikat gerade aus dieser Perspektive heraus: ein Mann der Kirche, der hinausgehen will zu den Menschen, um ihnen eine Botschaft zu vermitteln und nicht einfach still zu sitzen. Für mich ist Religion nicht einfach eine Wiederholung von Zeremonien, sondern es bedarf einer wahren und brennenden Spiritualität. Das ist die Botschaft, die er uns vermittelt.

DIE FURCHE: Und wo ist das bemerkbar?
Skorka:
Das sieht man etwa darin, dass er versucht, die Kirche von innen her zu „reinigen“. Damit meine ich – von den Fehlern und Missständen der Vergangenheit. Denken wir an die Missbrauchsfälle. Er hat sie in der Öffentlichkeit klar benannt und verurteilt. Für mich als Jude ist das eine wichtige Botschaft, denn wir schauen mit Interesse, was im Christentum passiert. Wir teilen dieselben Probleme, was die schlechten Nachrichten in den Medien betrifft.

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