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Adams Rippe konveniert den Patriarchen sehr

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Ist der Koran frauenfeindlich? Wer ist für die Unterdrückung der Frau in der islamischen Welt verantwortlich?

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Ist der Koran frauenfeindlich? Wer ist für die Unterdrückung der Frau in der islamischen Welt verantwortlich?

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Man darf den Islam nicht mit den Moslems verwechseln — so die in den USA lehrende pakistanische Theologin Riffat Hassan und die indische Rechtsanwältin Sona Khan auf die eingangs gestellte Frage.

Hassan, die sich seit Jahren mit feministischer Koranlesung befaßt, spricht den Koran von jeder frauenfeindlichen Haltung frei. Sie sieht in der Traditionsliteratur (hadith), den Anekdoten aus dem Leben des Propheten Muhammad und seiner Geährten, die „Linse“, durch die Moserns seit Jahrhunderten den Islam sehen — und zwar getrübt sehen.

Eindrucksvolles Beispiel: die Schöpfungsgeschichte. Jeder Moslem wird auf die Frage danach mit der aus der Genesis bekannten Version - Eva wurde aus Adams Rippe geschaffen — antworten.

Diese Geschichte kommt im Koran schlicht und einfach nicht vor, wohl aber in den Traditionen, und das in einer Färbung, die nicht anders als abwertend für die Frau zu nennen ist. Sie ist nicht nur yom Mann, sondern für ihn geschaffen. Im Koran hingegen ist laut Hassan die Schöpfungsgeschichte neutral formuliert; aber nur allzu gern haben sich männliche Moslems die Darstellung, die einer patriarchalischen Gesellschaft besser konvenier- te, zu eigen gemacht.

Die Juristin Khan erzählt aus ihrer Praxis als Rechtsanwältin, die sich voll und ganz der Sache der moslemischen Frauen verschrieben hat. Eine Verbesserung der Situation der Frauen im Islam muß untrennbar mit rechtlichen Reformen verbunden sein. Was beispielsweise in Pakistan und Bangladesh „Islamisierung“ genannt werde, sei in erster Linie immer eine rechtliche Schlechterstellung der Frau, die nicht zuletzt darauf abziele, die Frau vom Markt zu verdrängen — zum Beispiel ein mit zur Wahrung des Anstands gerechtfertigtes Ausgehverbot für Frauen, das ihnen selbständige Berufsausübung praktisch unmöglich macht (vom Koran ausdrücklich erlaubt). Die Arbeitsplätze bleiben den Männern.

Dieses Thema wurde von den moslemischen Denkerinnen gemeinsam mit Vertretern des Christentums und des Judentums beim ISAT (International Scholar's Annual Trialogue, FURCHE 1 und 2/1994) erörtert. Die Affäre um die 32jährige moslemische Ärztin und Schriftstellerin Taslima Nasrin (FURCHE 24/94) zeigt die lebensge- , fährliche Brisanz der Frauenfrage im Islam.

MISSBRAUCH VON RELIGION

Dabei geht es um eine Antwort auf die entscheidende Frage, ob die unleugbare Diskriminierung der Frau in allen drei monotheistischen Religionen ihre Wurzel in den heiligen Texten selbst, in der Interpretation oder lediglich in den Traditionen der sogenannten abrahamitischen Glaubensgemeinschaften hat: ein herme neutisches oder ein soziologisches Problem in dem Sinn, daß Gesellschaften sogar ihr religiöses Vermächtnis gegen Frauen gebraucht haben — wobei jedoch ein Mißbrauch vorliegt, die authentische religiöse Offenbarung selbst frei von jeglicher Frauenfeindlichkeit ist und erst durch die totale Frauenemanzipation die Authentizität der Religion wiederhergestellt sein wird.

Dem Gefühl zum Trotz, bei der jüdischen, christlichen und moslemischen Frauenproblematik sei eine Art Nord-Süd-Gefälle (oder Erste- W elt-Dritte-W elt-Gefälle) festzu- stellen, berichtete die Theologin Hassan auch von dem großen Leid, das sie immer wieder bei vielen ihrer amerikanischen Hörerinnen sehe und spüre.

Und wenn auch in den drei Religionen auf unterschiedlichem Niveau — keinesfalls intellektuell gesehen, sondern den sozialen Kontext betreffend — diskutiert wird, so geht es doch immer um die eine Frage: Können die drei abrahamitischen Religionen helfen, Ungerechtigkeiten zu beseitigen — oder stehen sie etwa dabei gar im Wege?

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