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Am 11. Oktober jährt sich der Beginn des II. Vatikanums zum 40. Mal. Der Geist des Konzils wird wieder beschworen werden. Doch der amtskirchliche Zeitgeist weht längst in eine ganz andere Richtung.

Rom, 6. Oktober 2002: Dass an jenem Herbstmorgen, wenige Tage vor dem 40. Jahrestag der Konzilseröffnung, Josemaría Escrivá vom Papst heiliggesprochen wurde, war kein Treppenwitz der Kirchengeschichte. Denn - so paradox es klingen mag - der Opus-Dei-Gründer ist eine Symbolgestalt für den Stellenwert des Konzilsgeistes in der Amtskirche von heute: Escrivás Idee von der Alltagsheiligung, vor gut 70 Jahren entstanden, liegt inhaltlich durchaus auf der Linie, die in Dokumenten des II. Vatikanums zu finden ist. Sein äußerst konservatives Kirchenbild, sein streng hierarchisches Amtsverständnis hingegen scheinen nicht vom Geist des Aggiornamento, des Öffnens der Kirchentüren zur Welt, das Johannes XXIII. seiner Kirche mit diesem Konzil ermöglichen wollte, geprägt. Aber dafür - Escrivás Heiligsprechung ist da ein klares Zeichen - handelt es sich um den amtskirchlichen Zeitgeist, der immer stärker die (nach)konziliaren Aufbrüche oder das, was davon übrig ist, torpediert.

In diesen Tagen werden alle kirchlichen Strömungen wieder den Geist dieses Konzils beschwören - auch mit den Texten, die dort zwischen 1962 und 1965 erarbeitet und beschlossen wurden: denn diese lassen viele Interpretationen zu; jedenfalls waren auch konservative, insgeheim gegen das Konzil eingestellte Kirchenleute noch nie verlegen, ihre Ansichten mit Texten aus dem Fundus des II. Vatikanums zu begründen.

Letzte Woche beging die Theologische Hochschule des Zisterzienserstiftes Heiligenkreuz ihr 200-Jahr-Jubiläum; dort sprachen zwei konservative Theologen, die der Papst mit dem Kardinalspurpur ausgezeichnet hat, auch aus, wohin der amtskirchliche Mainstream geht: So lehnte der 82-jährige Kardinal Leo Scheffczyk eine Kirchenkritik, die sich auf die Kirche als ganze beziehe, ab. Und Kardinal Avery Dulles, 84, äußerte: "Da Christus der Kirche eine hierarchische Konstitution gab, kann sie nicht sich selbst in eine Demokratie wandeln."

Andere Stimmen, zumal aus der Hierarchie, sind kaum zu hören. Kirchenmänner, die den konziliaren Aufbruch nicht weiter befördern, werden bei Bischofsernennungen oder Theologenbestellungen bevorzugt: Das ist nicht nur in Österreich evident. Stimmen, die fürs Weiterdenken und -treiben des durchs Konzil Begonnenen kämpfen, sind selten - und in den Kirchenleitungen jedenfalls nicht mehr in der ersten Reihe zu finden.

Die Kirche habe Berührungsängste mit der Moderne, meinte dieser Tage Weihbischof Helmut Krätzl, eine dieser seltenen Gegenstimmen zum amtskirchlichen Zeitgeist: besonders in Fragen der Sexual- und Ehemoral habe die Kirche an Glaubwürdigkeit verloren. Und weiter: Dies sei nicht zuletzt deshalb geschehen, weil die Kirche die neuen Ansätze des Konzils nicht weitergedacht habe. Krätzls Worten ist wenig hinzuzufügen.

Der abgewürgte "Dialog"

Doch zumindest einige der Probleme, denen sich die katholische Kirche zur Zeit gegenübersieht, könnten in den Perspektiven, die beim II. Vatikanischen Konzil angedacht wurden, lösbar sein: Da sind etwa die Missbrauchsskandale, die nicht zuletzt mit der hermetischen Organisation, die die Kirche jahrelang war und nach Meinung der Konservativen auch bleiben soll, zu tun haben. Transparenz und Offenheit: auch das sind Charakteristika der von den "Hermetikern" diffamierten demokratischen Gesellschaft; jedenfalls dieser Zug modernen Zusammenlebens müsste weltweit auch in die Kirche und in die Kirchenspitze Einzug halten.

Oder: Auch die jüngste, kurzfristig nicht existenziell scheinende Debatte übers Verhältnis der Kirche zum Antisemitismus könnte in einem weniger engen Kirchenbild sehr produktiv angegangen werden (langfristig ist es für die katholische Kirche ebenfalls existenziell, mit der eigenen Geschichte ins Reine zu kommen).

Weitere Beispiele gibt es zuhauf. Hierzulande bäumte sich die Konzilsgeneration zum letzten Mal im Jahr 1998 auf, als sie beim "Dialog für Österreich" noch einmal versuchte, auch die österreichische Kirchenspitze mit ins Boot des Aggiornamento zu holen. Die Forderungen und Anliegen der Konzilsbewegten, so stellten viele damals fest, hatten sich seit den siebziger Jahren nicht geändert; das Beharrungsvermögen Roms wie - mittlerweile - der Mehrheit der heimischen Bischöfe aber ebenfalls nicht. 1998 war zu sehen: Das konziliare Aufbruchspotenzial ist nicht verschwunden; nach dem Abwürgen des "Dialogs" liegt es aber wieder brach. Keine gewagte Prognose: Würde es jemand ehrlich heben wollen, gäbe es den Aufbruch im Nu und aufs Neue.

Als vor wenigen Wochen Kardinal König und Bischof Krätzl gemeinsam ihre Bischofsjubiläen begingen, blitzte dieser verschüttete Aufbruch einen Moment lang wieder auf. Zur Zeit scheint es aber nur ein frommer Wunsch zu sein, dass Österreichs derzeitige Kirchenleitung die Perspektiven der Konzilsgeneration für einen neuen Anfang nutzt.

otto.friedrich@furche.at

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