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Aktuelles vom Ewigen

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Bald nachdem Paulus die Christengemeinde in Korinth gegründet und danach verlassen hatte, entstanden Streit und Spaltung. Das grundsätzlich Neue des Christentums mußte sich im Alltag, im Zusammenleben der Gemeinde wie in theologischen Grundfragen, erst einspielen. So überhäufte man den Apostel mit (Des-)Information, Anfragen, Beschuldigungen.

Im ersten Kbrintherbrief, wie er im Neuen Testament steht, versucht Paulus darauf zu antworten. Seine teilweise recht konkreten Anweisungen stoßen heute vielfach auf Unverständnis und Ablehnung: daß Frauen beim Gottesdienst Kopftücher tragen oder in der Kirche schweigen sollen, wird zu Recht als skandalös empfunden. Ist aber auch „die Torheit des Kreuzes” oder das Bestehen auf der leiblichen Auferstehung des Herrn zeitbedingte Bedeweise, die in der

Kirche des 20. Jahrhunderts keinen Platz mehr hat?

Jacob Kremer, emeritierter Wiener Ordinarius für Neutestamentliche Bibelwissenschaft, der nun einen wesentlichen Teil seiner Forschungen zusammenfaßt, gibt zunächst eine gründliche Vers-für-Vers-Auslegung: Was wollte Paulus den Korinthern sagen? Auf welche konkreten Fragen hat er geantwortet? Worin bestanden die Probleme? Bei der Lektüre dieser Hauptabschnitte wird man sich Schritt für Schritt in den Bibeltext vertiefen, der trotz der Situationsab-hängkeit der Kirche auch heute als Wort Gottes gilt. Zumal Kremer es versteht, Begriffe wie Kreuz, Apostel, Unzucht, Jungfräulichkeit, Götzendienst, Prophetie, Liebe, leib (Christi), Auferstehung auch dem Laien begreiflich zu machen.

Nach der präzisen Texterklärung versucht er in jedem Absatz zu fragen, was die Aussagen für den Christen und die Kirche(n) heute bedeuten können. Auch hier gelingt es ihm ausgezeichnet, zwischen Zeitbedingtem und aktueller Gültigkeit zu unterscheiden. Zum berühmt-berüchtigten Schweigegebot für Frauen formuliert er fast paradox: „Eine geistliche Auslegung der Paulusworte müßte heute gerade zu jener Konsequenz führen, die zwar dem Buchstaben des Textes widerspricht, aber seinem Anliegen gerecht wird: Die Frau darf in der Kirche nicht schweigen! Gleichzeitig ist aber im Sinn des Apostels jeder Frau zu sagen, daß die Verwirklichung dieser Aufforderung von ihr und allen Geduld verlangt.”

Wer nach fast 400 Seiten noch nicht müde ist, findet in einer 40 Seiten langen Liste weitere Speziallite-ratur. Bibelarbeit ist mühevoll - aber es lohnt sich, mit Hilfe dieses Werkes lesen zu lernen.

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