"Alle Schattierungen von Grau"

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Es sind vor allem Männer aus der unteren Mittelschicht, die sich für die Botschaften von SOO begeistern. Ein Rechtsextremismus-Experte sieht wachsende Zustimmung zu Bürgerwehren in der Bevölkerung.

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Es sind vor allem Männer aus der unteren Mittelschicht, die sich für die Botschaften von SOO begeistern. Ein Rechtsextremismus-Experte sieht wachsende Zustimmung zu Bürgerwehren in der Bevölkerung.

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Cas Mudde ist einer der renommiertesten niederländischen Experten in Sachen Rechtsextremismus. In den Bürgerwehren erkennt er alte, vergessen geglaubte Muster wieder.

FURCHE: Um was für eine Organisation handelt es sich bei SOO?

Cas Mudde: Es handelt sich um eine Kombination. Ein Teil hat einen rechtsextremen Hintergrund, nicht aus Parteien, sondern aus kleineren Gruppierungen. Es gibt aber auch besorgte Bürger. Fast alle Mitglieder sind männlich, zwischen 25 und 45 Jahren, und sie sind sehr besorgt über Ausländer und Muslime. Ich würde SOO irgendwo zwischen einer rechtsextremen Organisation und einer allgemeinen Bürgerwehr verorten.

FURCHE: Wann hörten Sie zuerst von dieser Gruppe und um wie viele Personen handelt es sich ?

Mudde: Von SOO hörte ich letztes Jahr zum ersten Mal. In Amerika gibt es solche Milizen aber schon länger, vor allem an der Grenze, so wie die "Minute Men". In Osteuropa sehen wir diese Tendenzen jetzt auch. Besorgte Bürger, die in ihrer Nachbarschaft patrouillieren, haben auch in Europa eine lange und oft xenophobe Tradition. Zu den Zahlen kann man nichts sagen, weil die Sache momentan in Bewegung ist. Jedenfalls gibt es viele Länder, in denen diese Gruppen aktiv sind.

FURCHE: Warum ist es so schwer, solche Bewegungen inhaltlich einzuschätzen?

Mudde: Bei vielen islamophoben Gruppen gibt es Neonazis, aber auch besorgte Professoren und Hausfrauen und alle Schattierungen von Grau. Daher haben sie eine gewisse Brückenfunktion. Man sieht das an Pegida, die Neonazis, aber auch bürgerlich-konservative Personen anziehen. In gewisser Weise trifft das auch auf SOO zu, obwohl sie ein weniger breites Spektrum anziehen: vor allem Männer aus der Arbeiterklasse und unteren Mittelschicht.

FURCHE: Gibt es in der Bevölkerung eine wachsende Zustimmung zu solchen Gruppen?

Mudde: Ich denke schon. Vor zehn, 15 Jahren wäre so etwas absolut unakzeptabel gewesen. Wobei durch soziale Medien alle Meinungen heute viel lauter zu vernehmen sind. Selbst wenn es sie damals gab, hörten wir von ihnen nichts. Wenn man heute bestimmte Kommentare unter Artikeln anschaut, zeigt sich, dass es wirklich Akzeptanz gibt.

FURCHE: Wird das staatliche Gewaltmonopol dadurch unterminiert?

Mudde: Es würde zu weit gehen zu sagen, dass das Gewaltmonopol unterminiert wird. SOO beruft sich auf die Kriminalität von Flüchtlingen, oder auf Gerüchte darüber. Man kennt das aus Osteuropa: weiße Jugendliche, die Jagd auf Roma machen, oft auf Basis von Gerüchten von Frauenbelästigung oder Kleinkriminalität.

FURCHE: Die europäische Rechte strukturiert sich gerade neu. Was kennzeichnet diesen Prozess?

Mudde: Bestimmte, vor allem gefestigte radikale rechte Parteien sind so gewachsen, dass sie in verschiedenen Ländern die größte Partei sind. Daneben existiert auch ein rechtsradikaler Diskurs bei manchen Parteien, die vorher nicht rechtsradikal waren. Seit Kurzem gibt es zudem auch offen rechtsextreme Parteien wie die "Volkspartei - Unsere Slowakei". Erfolg haben vor allem die, die schon lange existieren: FPÖ, die niederländische PVV, Dansk Folkeparti (DF). Eine Ausnahme ist die AfD. Hinzu kommt eine enorme Diversität in der radikalen Rechten. Neben FPÖ oder FN gibt es neue Parteien, die an der Grenze sind wie UKIP, und extreme wie die Goldene Morgenröte. Die Diversität gab es immer, aber die Parteien waren nicht so erfolgreich.

FURCHE: "Soldiers of Odin" besteht aus Zweigen in verschiedenen Ländern. Bedeutet diese grenzübergreifende Struktur eigentlich, dass die Einschätzung überholt ist, wonach nationalistische Akteure nicht international kooperieren können?

Mudde: Ja, sie können tatsächlich zusammenarbeiten. Der Grund, warum das bislang nicht funktionierte, war nicht so sehr der Nationalismus, sondern betraf eher die Persönlichkeiten. Vor allem in Westeuropa, wo sich die Nationalisten nicht in die Quere kommen. Hier ging es darum, dass Haider und Le Pen nicht zusammenarbeiten konnten. Im Osten dagegen beanspruchten zum Beispiel slowakische und ungarische Nationalisten das gleiche Terrain.

Bei SOO ist das wie bei der Zusammenarbeit von White-Supremacy-Gruppen: Wenn der vermeintliche Feind international ist, ist die nationale Identität nicht mehr unbedingt zentral. Islamophobe Gruppen sehen einen Krieg des Westens gegen den Islam. Nun, den kann ein einzelnes Land nicht gewinnen. Einschränkend muss man sagen, dass es bei SOO eher um lose Verbindungen geht und der jeweilige Fokus lokal ist. Aber ideologisch steht nichts einer solchen Zusammenarbeit im Weg.

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