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Alles Wahre hat Platz in der Kirche

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Es ist nur zu begreiflich, daß diese Ungewißheit des Überganges auch vor jenem Orden nicht haltmachen konnte, der bisher die nachtridentinische Ära zutiefst geprägt hatte. Wenn alles, was bisher Gültigkeit hätte, in Zukunft kaum hoch Gültigkeit haben kann, hat dann ein Orden noch eine Existenzberechtigung, der mit diesen Formen derart verknüpft war? Oder kann er vielleicht nur dadurch gerettet werden, daß er völlig neue Wege geht und so vieles abwirft, was ihm bisher als heilig galt? So mancher Jesuit steht vor der harten Frage, ob in dieser heutigen Situation noch von ihm in Gehorsam eine Haltung verlangt werden kann, der er eigentlich nicht mehr nachkommen will, und so mancher Obere steht vor der gleichen Frage, was er denn von seinen Untergebenen noch an Gehorsam fordern darf. In solchen Situationen geschehen nur zu leicht Grenzüber-schreituingen, die zu schweren Spannungen innerhalb des Ordens führen müssen.

Der Jesuitenorden, dem immer von seinen Feinden nachgesagt wurde, er fordere von seinen Mitgliedern einen Kadavergehorsam gegenüber den Oberen, hat es dennoch immer verstanden, das Prinzip einer starken Autorität mit dem Prinzip der Freiheit des einzelnen zu vereinen. Aber das ewige Sprechen vom Dialog und von der Demokratisierung der Kirche hat vielfach Obere unsicher gemacht, ob sie notwendige Regie-rungsimaßnahmen überhaupt noch durchführen können und hat so manches Mitglied des Ordens unsicher gemacht, wieweit die Gehorsamverpflichtung des Ordens für ihn noch verpflichtend ist.

Welchen Weg gibt es nun aus dieser Krise, kann es überhaupt noch einen Weg geben? Der Jesuitenorden war sicherlich der Orden der neuen Zeit, so wie die Benediktiner der Orden des christlichen Altertums waren und die Franziskaner und Dominikaner die Orden des christlichen Mittelalters. Aber ein Orden verliert doch noch nicht seinen Sinn, wenn eine Epoche zu Ende geht, für die er eigentlich geschaffen wurde. Jeder Orden hat einen Kern von Werten in sich, die immerwährend Gültigkeit haben und mit denen er eigentlich bis ans Ende der Welt leben kann. Dies gilt natürlich auch für den Jesuitenorden, von dem immer behauptet wurde, daß er sich ständig gewandelt habe und der sich doch in Wirklichkeit nicht wandeln kann. Nur zu richtig wurde von den Jesuiten gesagt, „sie mögen sein wie sie sind oder sie mögen nicht sein“. Das Grundprinzip des Ordens .ist, alles zur größeren Ehre Gottes zu vollbringen, und zwar in der bestmöglichen menschlichen Form. Und es zu vollbringen in dem Gedanken, daß alles, was wahr ist, Platz in der Kirche hat. Und alles zu vollbringen in der Treue zur Kirche und zu ihrem Oberhaupt, dem Papst, ohne den es keine Kirche gibt. Dies ist der ewige Wert des Jesuitenordens, und von hier aus kann er alle seine Krisen überwinden, wie er bisher alle Verfolgungen überwunden hat. Gewiß, die Überwindung dieser Krise wird nicht leicht sein, denn es wird vielleicht notwendig sein, auf viele Mitglieder zu verzichten und wieder mit einer Handvoll anzufangen, wie einst zur Zeit Ignatius von Loyola, die aber beseelt ist von den gleichen Beweggründen, die diese kleine „Companfa“ in die Welt hinaustrieb, besessen von dem Grundsatz, die Welt im Namen Gottes zu verändern. Dies allerdings wird wieder nur gelingen, wenn der Orden Obere hat, die den Mut aufbringen, Obere zu sein und bereit sind zu regieren, auch wenn dies für sie persönlich nicht immer angenehm ist.

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