Karfreitag - © Foto: Pixabay

Karfreitagsbitte: Alte Wunde Antijudaismus

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Rom hat die antijüdische Karfreitagsbitte im wiederzugelassenen tridentinischen Ritus "entschärft". Viele Juden und Christen sind damit nicht zufrieden.

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Rom hat die antijüdische Karfreitagsbitte im wiederzugelassenen tridentinischen Ritus "entschärft". Viele Juden und Christen sind damit nicht zufrieden.

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"Juden und der Vatikan: Ein neuer Zusammenprall." So titelte das Time Magazine, nachdem die Vatikanzeitung Osservatore Romano am 5. Februar einen neuen Text der tridentinischen Karfreitagsfürbitte für die Juden veröffentlicht hatte. Von vielen jüdischen Stimmen kam laute oder leise Kritik an der neuen Karfreitagsbitte des alten Ritus. Auch Rabbiner Walter Homolka kritisierte letzte Woche in seiner FURCHE-Kolumne die "römische Kosmetik" am antijüdischen Gebet.

Nirgendwo sonst in der katholischen Kirche war der christliche Antijudaismus bis zum II. Vatikanum so manifest wie in der Karfreitagsliturgie. Die christliche "Theologie der Verachtung" gegen das jüdische Volk kulminierte in der Fürbitte für die "treulosen" Juden, für die die Christen trotz der "Verblendung jenes Volkes" beten würden. Johannes XXIII. strich 1959 das "treulos", das schlimmste Wort des Gebets.

Aber der immer noch massiv antijüdische Rest überstand auch noch die letzte Revision des alten Messbuchs von 1962, die im Juli von Papst Benedikt XVI. als "außerordentliche Form" des Messritus wieder in Kraft gesetzt wurde. Jüdische wie christliche Stimmen bestürmten Rom seither, die unsägliche Karfreitagsbitte abzuändern.

Die katholische Kirche war dabei von ihrem Antijudaismus längst abgerückt. In der Erklärung Nostra Aetate hatte das II. Vatikanum nicht nur jede Art der Judenverfolgung verurteilt, sondern auch den Alten Bund Gottes mit Israel als gültig anerkannt. Von daher bekam das Gespräch zwischen Christen und Juden entscheidenden Impuls: Christen sprachen nicht mehr von der "Bekehrung" der Juden - wie im vorkonziliaren Karfreitagsgebet: Da das Volk Israel in den Bund Gottes eingeschlossen ist, muss es auch nicht mehr "bekehrt" werden.

Diese neue Theologie gegenüber dem Judentum findet in der seit 1970 gültigen Karfreitagsbitte für die Juden ihre Entsprechung, in der kein Wort mehr über Bekehrung verloren wird, sondern um die Treue Israels zu seinem Bund mit Gott gebetet wird. Dieser Quantensprung in einem neuen Verhältnis von Katholiken und Juden zueinander wurde aber in den letzten Jahren von konservativen Christen wieder zunehmend in Frage gestellt.

Der amerikanische Theologe John T. Pawlikowski, einer der weltweit führenden katholischen Proponenten des christlich-jüdischen Gesprächs, klagte kürzlich auch in der FURCHE: Prominente Stimmen würden den Einschluss der Juden in Gottes Bund wieder in Frage stellen. Pawlikowski sieht sich in seiner Ahnung bestätigt, denn der Papst machte nun nicht die nachkonziliare Karfreitagsbitte von 1970 auch für den alten tridentinischen Messritus verbindlich, sondern gab einen neuen Text heraus: Dieser merzt zwar die explizit antijüdischen Stellen aus, bittet aber wieder um die Bekehrung der Juden. In einer ersten Stellungnahme zur neuen alten Karfreitagsbitte merkte Pawlikowski an, er habe mit seinen Befürchtungen recht behalten.

Aber auch wenn nur wenige "Traditionalisten" den Karfreitag im alten Ritus feiern, so haben die Vorgänge sehr wohl Einfluss aufs katholisch-jüdische Gespräch. Das kritisiert auch der österreichische Koordinierungsausschuss für christliche-jüdische Zusammenarbeit, in dem Vertreter christlicher Kirchen und des Judentums sich um eine dauerhaft neues Verhältnis zueinander mühen, in einem Brief an Kurienkardinal Walter Kasper, der für die Beziehungen zum Judentum zuständig ist: "Wir erleben eine Neuauflage der, Theologie der Verachtung'", heißt es unter anderem in diesem Schreiben. Kasper seinerseits bestreitet diese Sicht und meinte, die Fürbitte sei "keine Beleidigung" für die Juden, da der darin formulierte "Eintritt" in die Kirche eine endzeitliche Hoffnung ausdrücke.

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