Alter Kampf mit neuen Waffen

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Wie die Regierung in scharfer Polemik um eine Vermögenssteuer streitet. Und warum davon am Ende die Opposition profitieren könnte.

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Wie die Regierung in scharfer Polemik um eine Vermögenssteuer streitet. Und warum davon am Ende die Opposition profitieren könnte.

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Fast 2000 Besucher saßen im Publikum, als Werner Faymann zwischen Gratis-Frühstück und Musikprogramm auf das Podium trat. Der Kanzler, in Maßanzug und rot-weiß gestreifter Krawatte, sprach von Konsequenzen, die man aus der Finanzkrise ziehen müsse. Mit einer Ansage begeisterte er besonders: "Wir müssen Vermögen besteuern und Arbeit entlasten.“

Das war im April 2009, beim Landesparteitag der Wiener Sozialdemokraten. Seitdem dominiert die "Verteilungsgerechtigkeit“ die politische Kommunikation der SPÖ und in regelmäßigen Abständen wird eine Vermögenssteuer gefordert. So konkret wie heute war das Konzept dafür seither aber noch nie - wenngleich es immer noch nicht besonders fortgeschritten ist.

Hitzige Klassenkampf-Rhetorik

Denn bisher weiß man nur, dass die "Millionärssteuer“ Privatvermögen über einer Million Euro mit 0,3 bis 0,7 Prozent belasten soll. Zwischen 500 Millionen und zwei Milliarden sollen dadurch zusätzlich ins Budget gespült werden. Mehr Details zur Steuer gibt es nicht. Die sollen von einer Arbeitsgruppe erarbeitet werden. Wer in der Task Force dabei ist, steht noch nicht fest. Ebenso wenig, wann mit der Arbeit begonnen wird.

Ungeachtet dessen ist eine hitzige Diskussion über die Reichensteuer entfacht. Die Reaktionen sind bisher parteilinientreu und erwartbar. Aber: "Das Ausmaß der Polarisierung ist verwunderlich“, sagt der Politologe Peter Filzmaier.

So spricht etwa Bauernbund-Präsident Fritz Grillitsch von "Raubrittertum“ und Innenministerin Johanna Mikl-Leitner von einer "Schnüffelsteuer“. ÖVP-Klubobmann Karlheinz Kopf interpretiert die SPÖ-Forderung als "Bußgeld für ein kapitalistisches Leistungsvergehen“. Und Finanzministerin Maria Fekter warnte äußerst ungelenk vor Hetze gegen Reiche.

Die Sozialistische Jugend hingegen posiert im Robin-Hood-Kostüm vor der Wiener ÖVP-Zentrale. Und SPÖ-Wirtschaftssprecher Christoph Matznetter echauffiert sich: "Ich verstehe die moralische Grundeinstellung in diesem Land nicht. Das ist peinlich für Österreich.“

Erst Kampagne, dann Arbeit

Fest steht jedenfalls: Das Geldvermögen ist in Österreich extrem ungleich verteilt. Und die Disparität wird immer größer: Der aktuelle Vermögens-Report der Valluga AG aus Vaduz zeigt, dass die Vermögen der Superreichen pro Jahr im Schnitt um acht bis zehn Prozent anwachsen.

Ob eine Vermögenssteuer aber tatsächlich mehr Gerechtigkeit bringt, darüber streiten auch Wirtschafts-Experten. Bernhard Felderer, Leiter des Instituts für Höhere Studien, bezweifelt das und lehnt die Wiedereinführung vom Vermögens-, Erbschafts- oder Schenkungssteuern ab. Margit Schratzenstaller-Altzinger vom WIFO hingegen spricht sich für bestimmte vermögensbezogene Steuern aus. Die Ökonomin bekrittelt aber: "Ich vermisse in der Reichensteuer-Diskussion den Gesamtzusammenhang.“

Der mangelnde Tiefgang der Diskussion könnte am Zeitplan liegen: "Bei diesem Thema steht der Kommunikationsplan lange vor der Arbeitsgruppe“, sagt Filzmaier. Aus SPÖ-Sicht scheint der Zeitpunkt der Debatte strategisch klug gewählt. "Während der Wirtschaftskrise war Leistungsgerechtigkeit das Top-Thema“, sagt Filzmaier. "Aber sobald die Krise vorbei ist, kann man beim Mittelstand wieder mit Verteilungsgerechtigkeit punkten.“ Außerdem sind Wähler in einem immer komplexeren Wirtschaftssystem dankbar für einfache Ansagen: Im Gegensatz zum erklärungsbedürftigen Transferkonto der ÖVP, ist die "Millionärssteuer“ für jedermann verständlich.

Ob die SPÖ aber auch bei den nächsten Wahlen von ihrer aktuellen Themenführerschaft profitiert, ist ungewiss. "Jetzt steht zwar die ÖVP als Verweigerer da, aber langfristig muss eine Kanzlerpartei Leadership beweisen“, sagt Filzmaier. "Es ist fraglich, ob die SPÖ die Mobilisierung aufrecht erhalten kann, falls sie bis zur Nationalratswahl kein Gesetz zusammengebracht hat.“

Vor einem anderen strategischen Fehler warnt der Politologe: Momentan bezieht sie sich ausschließlich auf die ÖVP als Gegner. Dabei gibt es drei Mittelparteien, die um den ersten Platz streiten. Die FPÖ hält sich in der aktuellen Debatte zwar dezent im Hintergrund - sie könnte aber trotzdem am Ende der wahre Profiteur der Debatte sein: "Die SPÖ hat eine Populismus-Schlacht eröffnet“, sagt Filzmaier, "und darin ist die FPÖ bekanntlich sehr gut.“

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