An der Belastungsgrenze

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Nur drei Tage noch, dann gehen wir wählen. Stichwahl ist. Hinter uns vier Wochen Intensiv-Wahlkampf. Zu kurz? Zu lang? Wohl beides zugleich. Belastungsgrenzen sind deutlich geworden:

Belastung der Wähler, die sich in kurzer Frist zu Hunderttausenden politisch neu entscheiden müssen.

Belastung der Kandidaten, zuletzt vor allem geistig-nervlich. Es war spürbar.

Und Belastung des Amtes, um das es geht - in seinen Möglichkeiten und Grenzen. Es fordert weit mehr Erfahrung und Charakter, als große Worte. Experimente mit "obersten Reformern" gehen meist schief. Demokratische Reform braucht beständigen Druck von unten, eine stabile Machtteilung und funktionierende Kontrollen. Aber keinen "starken Mann".

Sehr skeptisch habe ich die neuen Formen politischer Wahlinformation miterlebt: Nur noch selten waren die Bewerber im direkten Gespräch mit dem Bürger; selten auch fanden TV-Stationen die klassischen Wahldebatten attraktiv. Dafür aber wurden die beiden Kandidaten mit ständig wechselnden Regiekonzepten auf immer neue mediale Turnierplätze getrieben, Mann gegen Mann. Immer karger die Themenlage, immer komplexer die taktischen Einflüsterungen: ja, mehr Unterstellung und Heimtücke, aber doch lächelnd und staatsmännisch. Ja, mehr Kraftmeiertum, aber mit sanfter Zunge.

Man stelle sich einmal vor, das Schicksal hätte uns Österreichern in dieser Zeit nicht auch andere Großthemen beschert, Minister-und Kanzlerwechsel. Wie wäre der Spannungspegel zu halten gewesen?

Neu auch die Juroren: Sogar mittenhinein in TV-"Duelle" wurden Taktik, Stilistik und Polemik bewertet. Jedem Abend seinen Sieger und Verlierer. Wer wollte mit solcher Abrechnung schon bis zum Wahlsonntag warten

Würde, Werte -und Glaubwürdigkeit

Vermutlich ist es nicht leicht, die Volkswahl eines Bundespräsidenten in die gängigen Schemata zeitgemäßer politischer Massenunterhaltung zu zwängen: dieses vielwöchige Drama samt allen taktischen Finessen -mit nur zwei Akteuren! Dieses Fallenstellen für Gegner und Wähler -ohne dabei sein Anrecht als Vorbild und Vordenker zu verlieren. Sollten am Ende gar jene recht haben, die immer wieder mahnen, gerade bei diesem Amt und seiner Kür über Unvereinbarkeiten zwischen Form und Inhalt nachzudenken?

Zu vergeben ist ja nicht irgendeine (partei-)politische Führungsfunktion, sondern eine präzise umschriebene Aufgabe mit klarem Anforderungsprofil. Da geht es -mehr als irgendwo sonst in Österreich -um Würde und Werte. Um Recht und Gerechtigkeit. Um das Eigene im Größeren -und das Größere im Eigenen. Um das Gemeinsame im Bunten. Um Glaubwürdigkeit vor allem.

Wer diesem Land und sich selbst etwas Gutes tun möchte -für sechs, vielleicht gar zwölf Jahre -, der wird sich an diesem Sonntag alles an Zorn, Angst und Frustration, an Abrechnung und Abgrenzung von den Schuhen klopfen. Und wird mitentscheiden.

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