Analyse und Zähmung

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Über die Motivation, das Projekt "Weltreligionen und Kapitalismus" anzugehen.

Als Zilu, ein Schüler des chinesischen Philosophen Konfuzius ("Meister Kong"), durch das Tor ging, fragte ihn der Wächter: "Woher kommst Du?" "Vom Meister Kong", antwortete Zilu. "Ist das nicht der, der weiß, dass er Unmögliches versucht und es dennoch tut?"

Die Befreiung der Gesellschaften der westlichen Welt aus den diversen dirigistischen und kollektivistischen Korsetts hat viele Fortschritte gebracht: Kräfte der Persönlichkeit wurden freigesetzt, Kreativität gefördert, Monopole gebrochen.

Die Krisen neoliberalen Wirtschaftens - Stagnation in den entwickelten Ländern, latente Arbeitslosigkeit, zunehmende Kluft zwischen Arm und Reich, Abbau der Sozialsysteme, ökologische Schäden - und der krasse Missbrauch von Anlegerkapital (wie zum Beispiel in den Fällen enron, WorldCom, Parmalat, Revco und ähnlichen) sind andererseits Anlässe genug, um eingehend über Wege aus diesen offensichtlichen Fehlentwicklungen nachzudenken. Die Auseinandersetzungen darüber haben längst den Charakter von Glaubenskriegen angenommen, es ist Zeit, sie auf den Boden nüchterner Überlegungen und Konzeptionen zurückzuführen.

Neoliberales Wirtschaften ist in vielen Belangen erfolgreich: Der Transfer von Kapital und Wissen hat den Industrieländern enormen materiellen Fortschritt und vielen Entwicklungsländern eine, wenn auch bescheidene und ungerecht verteilte, Wohlstandszunahme gebracht.

Zwei Seiten der Medaille

Wie alles Wachsende, wenn es nicht rechtzeitig am Zunehmen ins Monströse gebremst wird, produziert aber auch der Neokapitalismus seine Perversionen. Offensichtlich dräut auch hier ein Umschlagen von Quantität in Qualität in einem Ausmaß, dass irgendwann ein letztes zusätzliches Bisschen zu plötzlichen Instabilitäten führt. Überdies sind viele der derzeit zu diagnostizierenden Übelstände keineswegs nur auf die herrschende Wirtschaftsform zurückzuführen. Sie haben ihre Wurzeln auch in anderen Ursachen:

* Sprunghaftes Bevölkerungswachstum oder schneller Bevölkerungsrückgang

* Kultur- Religions- und Zivilisationskonflikte, Gewalt

* Mangelhafte Aufklärung und Ausbildung

* Erosion der Wertesysteme

* Einfluss manipulierter Informationskanäle und Lobbys

* Migration

Die Problematik ist multikausal, und wie bei jedem Knoten tut man gut daran zu versuchen, sie geduldig aufzudröseln und nach neuen Wegen zu suchen. Wird das, was sodann bleibt, wirklich noch der Kapitalismus sein, den wir kennen? Müssen wir drei Schritte zurück oder einige nach vorne in dessen Entwicklung tun? Kann sich die unsichtbare Hand selbst aus dem Morast ziehen, sich sozusagen selbst die Hand schütteln, oder bedarf es anderer systemischer Effekte? Dies ist das Thema des Projektes "Kapitalismus - gezähmt?" des Club of Vienna.

Labyrinth der Vernetzung

Angesichts der überwältigenden Komplexität, der labyrinthhaften Vernetzung ("Linkage" nennt es die jüngste Wissenschaft von den small worlds) der modernen Welt erscheint der Versuch, Lösungswege aus dem Multilemma aufzuzeigen, fast blasphemisch. Zwischen Worten und Werken, das weiß jeder, der Verantwortung zu tragen gewohnt ist, liegen Welten. Es gibt viele, die glauben, genau zu wissen, was zu tun wäre. Bietet man ihnen das Steuer des Schiffs an, ergreifen sie, nachdem sie dessen gewaltigen Druck erstmals gefühlt haben, allerdings meist schändlich die Flucht.

Grimmig stimmt man den Zieglers, Chomskys, Moores und anderen Adepten rabenschwarzer Kritik zu. Kaum hat man das jeweilige Buch aber zugeschlagen, kehren massive Zweifel ein - Zweifel daran, ob tatsächlich alles so furchtbar und unabänderlich sei. Man blickt über den Rand des Buches und sieht unser - das europäische - Umfeld: Sauberkeit, Wohlstand, Zukunftschancen, Überfluss. Ist man älter, vergleicht man mit früheren Jahrzehnten und ist, zumindest was das Materielle anlangt, nicht unzufrieden.

Andererseits verstört der Gedanke an das Elend in den Entwicklungsländern, die Beeinträchtigung der Umwelt, die zunehmende Aggressivität und die reduzierten Chancen der Jungen in Europa und Nordamerika auf weiteren Zuwachs. Es verstören der ungebremste Durchmarsch materieller Werte an die Spitze der Wertepyramide, der Zerfall moralischer Begrenzung, die Verblödung und Vermassung durch elektronische Götzen und das Verblassen natürlicher Autoritäten, die Halt und Zusammenhalt geben.

Ergebnis: Empfehlungen

In akribischer Detailarbeit haben Mitglieder des Club of Vienna in den letzten Jahren Argumente und Wege zu identifizieren versucht, welche konkrete Auswege weisen und vor allem als Grundlage konkreter "Empfehlungen an Verantwortungsträger" dienen können. Eine hochkonzentrierte Übersicht über diese notwendigen Wege zeigt die nebenstehende Abbildung.

Bausteine

Ein weiterer Baustein in diesem geistigen Konstruktionsprozess soll der jüngste Kongress "Weltreligionen und Kapitalismus" in Wien mit Spitzenrepräsentanten der großen Religionsgemeinschaften sein - Hüter der Werte und moralischen Systeme und ihrer mystischen Komponenten. Der Club wird die Ergebnisse in einem Sammelband integrieren, welcher eine Synthese der bisherigen Arbeiten, die erwähnten "Empfehlungen an Verantwortungsträger" und die Inhalte der Referate beinhalten wird. Er wird bis spätestens Ende des Jahres erhältlich sein; Vorbestellungen können beim Club of Vienna (Rilkeplatz 2, 1040 Wien oder per E-Mail an info@clubofvienna.org) angemeldet werden.

Der Autor studierte Metallurgie und ist nach seiner Karriere an der Spitze multinationaler Konzerne selbstständiger Unternehmer. Er ist Autor zahlreicher Beiträge in Presse, Radio und TV, hat Aufsichtsratsmandate im In- und Ausland inne und gehört dem Präsidium des Club of Vienna an.

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