Angst vor Gottes Segen?

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1998, beim "Dialog für Österreich", forderten die Delegierten "pastorale Barmherzigkeit" für wiederverheiratete Geschiedene.

Von der kirchlichen Öffentlichkeit scheinbar weitgehend unbemerkt (von der breiteren Öffentlichkeit sowieso), sollte unlängst ein wichtiges Thema des "Dialog für Österreich" quasi abgehakt werden. Die Delegiertenversammlung 1998 in Salzburg hatte unter anderem gefordert, es solle für wiederverheiratete geschiedene Gläubige nach pastoralen Wegen gesucht werden, die Hoffnung geben und das Ziel haben, "dass die pastorale Barmherzigkeit noch umfassender werde".

Der Vorarlberger Bischof Klaus Küng, der Ehe- und Familienreferent der Österreichischen Bischofskonferenz, legte nun unlängst eine von einer Expertengruppe erarbeitete Broschüre vor, mit der diesem Anliegen entsprochen werden solle. Sie ist von der römischen Glaubenskongregation approbiert worden und soll damit offensichtlich auch den Abschluss des von der Delegiertenversammlung geforderten Dialogs unserer Bischöfe mit der Leitung der Weltkirche darstellen.

Nur: Für das, was in diesem Dokument zu lesen ist, hätte es des ganzen Prozesses gar nicht bedurft. Die jetzt vorgelegte Broschüre beschränkt sich nämlich im Kern auf die Zurückweisung großzügigerer Auslegungen des päpstlichen Rundschreibens "Familiaris consortio" aus 1981: "Manche meinten", so das "Dialog für Österreich"-Dokument, "aus diesen Darlegungen (in Familiaris consortio, Anm.) ableiten zu können, dass je nach Vorliegen der Situation die Zulassung wiederverheirateter Geschiedener zu den Sakramenten (Eucharistie und Bußsakrament) möglich sei." Die Broschüre zitiert den entsprechenden Abschnitt Nr. 84 von Familiaris consortio daher in seinem Zentrum und ausführlich und will sie offensichtlich als Grenzlinie für die Diskussion betrachtet wissen.

In Zweit-Ehe: Enthaltsamkeit

Familiaris consortio spricht in Nr. 84 zunächst von der Pflicht der Hirten zur Unterscheidung der verschiedenen Situationen bei wiederverheiratet - geschiedenen Gläubigen: "... ob jemand trotz aufrichtigen Bemühens, die Ehe zu retten, völlig zu Unrecht verlassen wurde, oder ob jemand eine kirchlich gültige Ehe durch eigene schwere Schuld zerstört hat. Wieder andere sind eine neue Verbindung eingegangen im Hinblick auf die Erziehung der Kinder und haben manchmal die subjektive Gewissensüberzeugung, dass die frühere, unheilbar zerstörte Ehe niemals gültig war".

Aber dann heißt es weiter: "Die Kirche bekräftigt jedoch ihre auf die Heilige Schrift gestützte Praxis, wiederverheiratete Geschiedene nicht zum eucharistischen Mahl zuzulassen. Sie können nicht zugelassen werden; denn ihr Lebensstand und ihre Lebensverhältnisse stehen in objektivem Widerspruch zu jenem Bund der Liebe zwischen Christus und der Kirche, den die Eucharistie sichtbar und gegenwärtig macht ... Ließe man solche Menschen zur Eucharistie zu, bewirkte dies bei den Gläubigen hinsichtlich der Lehre der Kirche über die Unauflöslichkeit der Ehe Irrtum und Verwirrung ... Die Wiederversöhnung im Sakrament der Buße, das den Weg zum Sakrament der Eucharistie öffnet, kann nur denen gewährt werden, welche die Verletzung des Zeichens des Bundes mit Christus und der Treue zu ihm bereut und die aufrichtige Bereitschaft zu einem Leben haben, das nicht mehr im Widerspruch zur Unauflöslichkeit der Ehe steht. Das heißt konkret, dass, wenn die beiden Partner aus ernsthaften Gründen - zum Beispiel wegen der Erziehung der Kinder - der Verpflichtung zur Trennung nicht nachkommen können, sie sich verpflichten, enthaltsam zu leben, das heißt sich der Akte zu enthalten, welche Eheleuten vorbehalten sind."

Unauflöslichkeit unauflösbar

Rund um dieses Zitat des päpstlichen Rundschreibens wird im neuen "Dialog für Österreich"-Dokument einerseits ausgeführt, was trotzdem an seelsorglicher Betreuung von wiederverheirateten Geschiedenen beziehungsweise an Teilhabe dieser am Leben der Gemeinde möglich ist. Und auch schon bisher bekannt war. Andererseits wird der Versuch einer Argumentation für die Position von Familiaris consortio Nr. 84 unternommen. Auch diese keineswegs neu.

Da ist zunächst vom "universalen Heilswillen Gottes" die Rede: "Jeder Mensch kann das Heil erlangen - Immer ist Umkehr und Vergebung von Gott möglich, ganz gleich, was geschehen ist. Voraussetzung ist Einsicht, Reue und Entschlossenheit zu einem neuen Bemühen ... Niemand soll sich von der Kirche ausgeschlossen fühlen, auch wenn in bestimmten Situationen nicht immer sofort eine Lösung möglich ist; langfristig gilt für jeden Menschen ohne Ausnahme: wer bemüht ist, wer seine Fehler einsieht und bereut, gelangt zur Aussöhnung mit Gott, der Kirche und sich selbst."

Aber unter "Die besondere Problematik beim Ehesakrament" kommen die bekannten Relativierungen: Weil die Ehe Gott zum Urheber hat, reales Abbild seines Bundes mit den Menschen ist, von Christus zum Sakrament erhoben dessen Liebe und Hingabe für die Kirche darstellt, ist ihre "Einheit und Unauflöslichkeit nicht relativierbar. Das aber wird zur großen Schwierigkeit, wenn eine Beziehung misslingt."

"Misslingt" wird gesagt und damit wenigstens kurz Verständnis für die komplexe Realität des Scheiterns einer Ehe signalisiert. Aber kurz darauf: "Widersprüchlich wird deshalb der Empfang der Kommunion, wenn jemand nicht mit dem ihm anvertrauten Ehepartner, sondern mit jemandem anderen zusammenlebt."

Ratzinger dachte einst anders

Ein dreißig Jahre älterer Text wirkt da viel jünger: "Wo eine erste Ehe seit langem und in einer für beide Seiten irreparablen Weise zerbrochen ist; wo umgekehrt eine hernach eingegangene zweite Ehe sich über einen längeren Zeitraum hin als eine sittliche Realität bewährt hat und mit dem Geist des Glaubens, besonders auch in der Erziehung der Kinder, erfüllt worden ist (so dass die Zerstörung der zweiten Ehe eine sittliche Größe zerstören und moralischen Schaden anrichten würde), da sollte auf einem außergerichtlichen (kirchenehegerichtlichen, Anmerkung des Verfassers) Weg auf das Zeugnis des Pfarrers und von Gemeindegliedern hin die Zulassung der in einer solchen zweiten Ehe Lebenden zur Kommunion gewährt werden." So der Theologieprofessor Joseph Ratzinger 1972, zitiert in Weihbischof Krätzls Buch "Neue Freude an der Kirche" (Verlag Tyrolia, Innsbruck 2001).

Und Krätzl fragt selbst weiter zur "Enthaltsamkeit" als Bedingung für den Kommunionzugang: "Ist aber dann in dieser Partnerschaft - aus der sie sich gar nicht lösen dürfen - jede Form der intimen Liebesbezeugung schwere Sünde ?"

Warum gibt es in der Kirche so viel Angst vor dem Gewissen der Gläubigen, von dem doch das II. Vatikanum sagt: "Nun aber werden die Gebote des göttlichen Gesetzes vom Menschen durch die Vermittlung seines Gewissens erkannt und anerkannt" (Erklärung über die Religionsfreiheit, Artikel 3). Und nicht nur Krätzl drängt sich dann die Frage auf, "ob Geschiedene, die in einer zweiten Verbindung leben, nicht in bestimmten Fällen subjektiv für den Eucharistieempfang sogar disponiert sein können, auch wenn sie im objektiven Widerspruch zur kirchlichen Ordnung leben".

Vor allem ängstliche Sorge

Gegen Schluss des "Dialog für Österreich"-Dokumentes kommt noch einmal ängstliche Sorge durch: "Wenn bereits kirchlich verheiratete geschiedene Gläubige eine Ziviltrauung eingehen und um eine kirchliche Feier bitten, ist zu beachten, dass alles zu vermeiden ist, was den Eindruck einer neuen sakramental gültigen Eheschließung erwecken könnte. Erlaubt ist privates Gebet für die einzelnen Partner, für ihren Glaubens- und Bekehrungsweg, für die Kinder und so weiter. Man kann ihnen auch anraten, eine private Wallfahrt (ohne besonderen Gottesdienst) zu unternehmen."

Angst, dass sich der Gottessegen vom "Segen der Kirche" selbständig machen könnte ?

Der Autor ist Pfarrer in Probstdorf sowie Universitätsseelsorger in Wien.

DIE ZITIERTE BROSCHÜRE "ORIENTIERUNGSHILFE FÜR GESCHIEDENE UND WIEDERVERHEIRATETE GESCHIEDENE GLÄUBIGE" ist beim Österreichischen Pastoralinstitut, 1010 Wien, Stephansplatz 3/3, Tel. 01/51552-3751,

E-Mail: oepi@utanet.at erhältlich.

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