tiso - © Foto: Wikipedia (gemeinfrei)

Anton Hruboň: Tisos Gloriole

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Anton Hruboň, Jahrgang 1989, blickt in seinem Buch „Mythos und Kult Jozef Tisos“ – unbefangen – auf beide Ausrufungen der slowakischen Unabhängigkeit 1939 und 1993 zurück.

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Anton Hruboň, Jahrgang 1989, blickt in seinem Buch „Mythos und Kult Jozef Tisos“ – unbefangen – auf beide Ausrufungen der slowakischen Unabhängigkeit 1939 und 1993 zurück.

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Glaubt man dem slowakischen Historiker Anton Hruboň, dann liegen über Jozef Tiso alle Fakten auf dem Tisch: geboren 1887, 1910 Priesterweihe in Wien, Theologe in Nitra, nach 1918 Engagement in Andrej Hlinkas Slowakischer Volkspartei, nach Hlinkas Tod 1938 de facto Parteichef, nach dem Münchner Abkommen Ministerpräsident des slowakischen Landesteils der Tschechoslowakei, am 9. März 1939 von der Prager Zentralregierung abgesetzt, am 13. März in Berlin von Hitler empfangen und zur Ausrufung eines selbstständigen Slowakischen Staats am Tag danach vergattert. Am 26. Oktober 1939 Staatspräsident, am 23. Oktober 1942 Führer von Partei und Staat. 1945 Flucht nach Westen, Festnahme durch die Alliierten und Auslieferung an die ČSR, am 18. April 1947 Hinrichtung nach einem Schauprozess.

Hruboň, Dozent an der Universität Banská Bystrica, sieht Tiso weniger als kontroverse Figur denn als Pragmatiker: Im Königreich Ungarn gab er sich hungarophil, im Nationalrat der Tschechoslowakischen Republik trat er stets nur für die Föderalisierung ein. Hitler hatte für die Rolle des Staatsgründers eigentlich Karol Sidor ausersehen, Tisos langjährigen Kontrahenten. Da Sidor als neuer slowakischer Ministerpräsident das Angebot aus Loyalität zur noch amtierenden Prager Zentralregierung zurückwies, griff er auf den soeben entlassenen Vorgänger zurück. Unter der Drohung, widrigenfalls die Slowakei zu zerschlagen, ließ sich Tiso zum Vollstrecker von Hitlers Plänen überreden.

Während man in Berlin einen katholischen Priester als Oberhaupt eines Vasallenstaats eigentlich als No-Go betrachtete, habe Tiso, so Anton Hruboň, gerade auf die religiöse und konfessionelle Karte gesetzt. Tiso sei kein Faschist gewesen, die revolutionären Nationalsozialisten waren ihm unsympathisch, sein Ideal war der christliche Ständestaat. Da er aber, wenn auch widerstrebend, die Anordnungen aus dem Reich mittrug, von der Deportation der Juden 1942 bis zur Niederschlagung des Volksaufstands 1944, musste er in Kauf nehmen, dafür zur Rechenschaft gezogen zu werden.

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