Antritt unter "ferner liefen"?

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Eine ganze Reihe von Kleinparteien will im Herbst auf dem Stimmzettel stehen. Chancen auf den Parlamentseinzug haben die wenigsten. Warum tut man sich das an?

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Eine ganze Reihe von Kleinparteien will im Herbst auf dem Stimmzettel stehen. Chancen auf den Parlamentseinzug haben die wenigsten. Warum tut man sich das an?

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Die Christen tun es. Die Männer tun es. Roland Düringer tut es. Ihnen allen reicht es augenscheinlich nicht mehr, sich privat unter ihresgleichen zu bewegen - in der Sonntagsmesse gemeinsam die Kirchenbank zu drücken, sich in virilen Bünden zu organisieren oder sechs Monate ohne Handy zu leben und sich Perlen in den Bart zu flechten. Sie alle - und noch einige mehr - wollen sich in einer politischen Bewegung repräsentiert sehen und sammeln deshalb Unterstützungserklärungen für einen bundesweiten Antritt bei der Nationalratswahl. Selbst Karl Schnell, den einst aus seiner Partei ausgeschlossenen ehemaligen Salzburger FPÖ-Obmann, scheinen politische Entzugserscheinungen zu plagen. Er hat einen Antritt ebenso angekündigt, wie eine Handvoll weiterer Kleinparteien.

Protestpartei oder Kunstprojekt?

Um am 15. Oktober auch wirklich am Stimmzettel zu stehen, muss bis zum Stichtag 18. August ein Landeswahlvorschlag mit genügend Unterstützungserklärungen eingereicht werden. Gelingt es nicht, die Unterschriften dreier Abgeordneter zu lukrieren, müssen jene wahlberechtigter Bürger herhalten -2600 "Autogramme" muss eine Liste für ein österreichweites Antreten sammeln. Diese haben auch nach einem bestimmten Schlüssel auf alle Bundesländer verteilt zu sein. Bei vielen Kleinparteien legt man sich derzeit also ordentlich ins Zeug, damit der Traum vom Wahlantritt im Herbst nicht schon mitten im Sommer geplatzt ist.

Aber warum eigentlich? Spenden sammeln, Unterschriften keilen, mit Abgeordneten mauscheln - das Prozedere ist mühsam, zeitund bisweilen auch geldintensiv. Warum also tut man sich das an, bleibt die Chance, in den Nationalrat einzuziehen - und damit Zugang zu Förderungen und Privilegien, zu den Futtertrögen der Republik zu erlangen - für die meisten kleinen Listen doch verschwindend gering? Ist es Geltungsdrang, eine besondere Form von kanalisiertem Narzissmus? Ist es die Sehnsucht nach einem Kollektiv in einer zunehmend individualisierten Gesellschaft? Oder doch der tiefe Wunsch, für politische Interessen gesellschaftlicher Gruppen zu lobbyieren? Die Antworten darauf dürften so vielfältig sein, wie die weltanschaulichen Positionen der Kandidaten.

Und während dem Kabarettisten Roland Düringer auch selbst noch nicht ganz klar zu sein scheint, ob seine Liste "G!lt" nun eine Protestpartei oder doch eher ein performatives Kunstprojekt werden soll, sind die politischen Positionen anderer Bewerber klarer umrissen: Rudolf Gehring von der "Christlichen Partei Österreichs", seit Jahren trotz bescheidener Ergebnisse notorischer Wahlantreter, positioniert sich als "katholischer Lebensschützer", tritt gegen die Fristenlösung und Gleichstellung homosexueller Partnerschaften auf. Die ebenso unermüdliche KPÖ dagegen tritt heuer als "KPÖ Plus" im Wahlverbund mit Flora Petrik und anderen Mitstreitern der Jungen Grünen an. Man wirbt mit "sozialer Kraft" am Stimmzettel und will "eine starke Bewegung gegen den Rechtsruck" aufbauen.

Während von den oben genannten kaum jemand allzu große Chancen auf einen Parlamentseinzug haben dürfte, könnte der Wahlabend für zwei kleinere Parteien zu einer Kriminacht werden: Die NEOS sind inzwischen zwar etabliert. Sie haben 2013 aus dem Stand den Einzug ins Parlament geschafft und verfügen neben ihrem Spitzenkandidaten Matthias Strolz mit der kürzlich an Bord geholten Irmgard Griss über eine weitere bekannte Persönlichkeit an der Spitze. Dennoch ist ein Einzug laut Umfragen nicht sicher. Und dass die zuletzt vor allem durch elaborierten Wankelmut aufgefallene Griss noch annähernd so viel Zugkraft haben könnte wie im Vorjahr als Präsidentschaftskandidatin, darf bezweifelt werden. Für die NEOS spricht aber auch ihr inzwischen durchschlagender Bekanntheitsgrad. Als Parlamentspartei sind sie im Gegensatz zu 2013 auch in den Diskussionsrunden und "Sommergesprächen" von ORF oder Puls 4 vertreten.

Wahlkampf-Euphorie

Das große Fragezeichen bleibt für Meinungsforscher Peter Pilz. Derzeit weisen die Umfragen für seine Liste zwischen zwei und sechs Prozentpunkte aus. Laut Experten hängt viel von der Ausrichtung seines Wahlkampfes und den Kandidaten ab, die noch für seine Liste vorgestellt werden. Manche politische Beobachter spekulierten während der vergangenen Wochen gar, die Grünen könnten durch den Antritt des Veteranen aus ihren eigenen Reihen erstmals seit drei Jahrzehnten den Einzug ins Parlament verpassen. Das halten aber die wenigsten Meinungsforscher für ein realistisches Szenario.

Und die wirklich Kleinen? Wie werden sie das erwartbare Scheitern an der Vier-Prozent-Hürde verdauen? Es gehe nicht um Nationalratssitze, sondern darum, "eine öffentliche Diskussion" der eigenen Themen voranzutreiben, sagt Hannes Hausbichler. Zumindest beim Chef der Männerpartei scheint der Bezug zur Realität in der Wahlkampf-Euphorie also bislang nicht verloren gegangen zu sein.

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