Anwalt des Südens oder „Putsch-Kardinal“?

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Er spricht sechs Fremdsprachen. Und wenn die Rede auf einen Papstanwärter aus dem Süden kommt, fällt so gut wie immer sein Name: Kardinal Oscar Andrés Rodríguez Maradiaga, seit 1993 Erzbischof der honduranischen Hauptstadt Tegucigalpa. 1995 bis 1999 stand er dem lateinamerikanischen Bischofsrat CELAM vor, seit 2007 ist er Präsident von Caritas Internationalis. Alles andere als ein innerkirchliches Leichtgewicht also. Und auch außerhalb der katholischen Kirche stellt er eine gehörte Stimme des Südens dar – ob auf dem Weltwirtschaftsforum in Davos oder in zahlreichen Stellungnahmen und Interviews präsentierte sich der Kardinal als Anwalt für eine Entschuldung der ärmsten Länder. Auch in Gesprächen mit der FURCHE nahm sich Rodríguez Maradiaga kein Blatt vor den Mund, um die Scheinheiligkeit und Untätigkeit des Nordens anzuprangern.

Auch in seiner Heimat war Rodríguez Maradiaga lange die moralische Autorität. Er engagierte sich führend beim Übergang von der Militärdiktatur zur Demokratie in den 90er Jahren. Insbesondere bei Konflikten mit dem Polizeiapparat, dem Menschenrechtsverletzungen nachgewiesen worden waren, konnte er zur Befriedung beitragen, indem er unter anderem einer Untersuchungskommission dazu vorstand. Seine Popularität war so groß, dass man ihn gar zum Polizeichef machen wollte.

Gegen die Rückkehr Manuel Zelayas

Ein Wort des Kardinals ist also keine unbedeutsame Äußerung, sondern hat Gewicht. Dies macht insbesondere seine Wortmeldungen zu den aktuellen Geschehnissen in Honduras bedeutsam. Denn – entgegen der veröffentlichten Weltmeinung – steht Rodríguez Maradiaga ganz und gar nicht auf der Seite des vertriebenen Präsidenten Manuel Zelaya. Im Gegenteil spricht er sich gegen dessen Rückkehr aus: Zelaya habe sich als „unehrlich und unfähig erwiesen, im Rahmen der Verfassung zu regieren“, sagte Rodríguez Maradiaga etwa gegenüber der Frankfurter Allgemeinen. Insbesondere kritisierte der Kardinal den Einfluss des linkspopulistischen Präsidenten von Venezuela, Hugo Chavez.

In den Medien der „links“ regierten Länder Lateinamerikas – Venezuela, Bolivien, Kuba – und darüber hinaus findet zur Zeit eine regelrechte Kampagne gegen Rodríguez Maradiaga statt. So wird er etwa als „Putsch-Kardinal“ tituliert. Die argentinische Tageszeitung Clarin titelte gar, Rodríguez Maradiaga habe wegen seiner Unterstützung der Putschisten alle Chancen aufs Papstamt verloren. Der Kardinal wehrte sich in einem Interview mit Clarin: Er habe weder den Staatsstreich noch die neue Regierung Micheletti legitimiert. Richtig sei, dass die Bischöfe von Honduras darauf verwiesen hätten, dass der abgesetzte Präsident gegen die Verfassung verstoßen hätte. Die Kirche habe aber dessen Ablösung nicht unterstützt und sein Verbringen außer Landes als verfassungswidrig kritisiert.

Die Bischofskonferenzen von Ecuador, Venezuela und Bolivien haben sich mit den honduranischen Amtsbrüdern solidarisch erklärt. Doch eine andere moralische Autorität stellt sich klar gegen Rodríguez Maradiaga: Der argentinische Friedensnobelpreisträger und Pionier der gewaltlosen Bürgerrechtsbewegung in Lateinamerika, Adolfo Pérez Esquivel, hat dem Kardinal in einem Brief vorgeworfen: „Der Hirte, der seine Schafe verlässt, die Grausamkeiten zulässt und die Diktatur zur Verteidigung ihrer wirtschaftlichen und politischen Interessen stärkt, ist nicht würdig, Hirte Christi und seines Volkes zu sein.“

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