Atome sind nicht böse

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Wissenschaftskritik ist eine verdienstvolle Sache. Es gehört zu einer aufgeklärten Gesellschaft, dem berechtigten Lob ihrer Errungenschaften Warnungen vor möglichen Risiken oder Fehlentwicklungen beizustellen. Es ist sinnig, von Zeit zu Zeit die Frage zu stellen, ob Wissenschaft alles tun soll, was sie tun kann. Wissenschaftskritik ist eine legitime Spielart seriöser gesellschaftlicher Diskurse. Wird sie jedoch nicht mit Argumenten fundiert, sondern in den Dienst vorgefertigter Dogmen gestellt, nimmt sie die unsympathische Fratze unreflektierter Wissenschaftsfeindlichkeit an.

Eines solchen Missgriffs haben sich ausgerechnet die Grünen schuldig gemacht, die man als fortschritts- und wissenschaftsfreundliche Partei kennt. Deren Bundessprecherin Eva Glawischnig forderte, den Kernforschungsreaktor im Wiener Prater stillzulegen, der seit 50 Jahren vom Atominstitut der Technischen Universität betrieben wird. Und weil es so schön klingt, war da auch von einem "Geheimdeal“ die Rede, im Zuge dessen 26 Millionen Euro vom heimischen Wissenschafts- an das amerikanische Energieministerium fließen sollen.

Umweltfundamentalismus?

Tatsächlich verhandelt Öster-reich mit den USA über einen vorzeitigen Austausch alter Brennstäbe gegen einen neuen Urankern. Die Summe ist offiziell noch nicht fixiert, sie soll laut Ministerium nur "einen Bruchteil“ der genannten 26 Millionen ausmachen. Mit dem neuen Kern kann der Reaktor für die nächsten 30 Jahre betrieben werden. Die Grünen kündigten eine parlamentarische Anfrage an Minister Töchterle an. Gut so, es ist Aufgabe einer Oppositionspartei, Aufklärung zu fordern.

Mit der Forderung, den Reaktor gleich ganz abzuschalten, schießt Glawischnig aber über das Ziel hinaus. Vor allem ihre Begründung lässt vermuten, dass hier umweltfundamentalistischer Dogmatismus die Zügel führt. Dass der Unterschied zwischen wissenschaftlicher, kernphysikalischer Forschung einerseits und Atomkraft als riskanter Technologie zur Stromerzeugung andererseits nicht ganz verstanden worden ist. Es wird der irrige Eindruck erweckt, das Atominstitut und sein Reaktor wären ein Schauplatz der globalen Klimadebatte.

Perle der Grundlagenforschung

"Der Reaktor dient (...) kaum mehr der wissenschaftlichen Forschung“, heißt es in einer Aussendung der Grünen. Er "bringt keinen relevanten Nutzen mehr.“ Dem muss man entschieden widersprechen. Der "Praterreaktor“ ist eine Perle der heimischen Grundlagen- und angewandten Forschungslandschaft. Seit er 1962 in Betrieb ging, wurden in seinem Umfeld mehr als 1.000 Diplomarbeiten und Dissertationen geschrieben. Fast 3.700 wissenschaftliche Publikationen sind erschienen und alleine im letzten Jahrzehnt wurden 16,5 Millionen Euro an Drittmitteln eingeworben. Der Reaktor finanziert seinen Betrieb selbst - das gelingt nicht vielen Großforschungsanlagen. Die Internationale Atomenergiebehörde (IAEA) der UNO nutzt ihn, um neue Messgeräte zu testen und Waffeninspektoren auszubilden. Zudem stellt er aufgrund seiner speziellen Bauart kein Sicherheitsrisiko dar.

Diese Fakten dürfen in einer Diskussion darüber, ob Österreich einen Forschungsreaktor braucht, nicht unter den Tisch gekehrt werden. Dann gibt es freilich keinen Grund mehr, ihn abzuschalten. Zugegeben, es ist für politische Strategen verlockend, Inhalte auf griffige Botschaftsfragmente zu verkürzen. Emotional aufgeladene Reizwörter wie "Gen“, "Nano“ oder eben "Atom“ eignen sich hervorragend dafür, Feindbilder zu konstituieren - ganz besonders in Österreich. Ängste vor der angeblichen Allmacht von Wissenschaft und Technik gehören hierzulande zum guten Ton. Politik sollte jedoch aufklären statt diese Ängste zu instrumentalisieren. Dazu gehört auch die eigentlich banale Feststellung, dass ein Forschungsreaktor kein Atomkraftwerk ist.

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