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Auch Kardinäle haben Nerven

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Ist die Bischofsweihe der höchste Grad des Weihesakraments, ist damit jeder rechtmäßig geweihte Bischof Glied des Bischofskollegiums, hat dieses in der Einheit mit seinem Haupt, dem Papst, die volle und höchste Vollmacht über die Gesamtkirche, und zwar gemäß göttlichem Recht? Diese Testfragen wurden kürzlich von einer großen Mehrheit des Konzilsplenums positiv beantwortet. „Wir sind an einem Wendepunkt des Konzils“, kommentierte Bischof John Wright von Pittsburg, USA, diese Abstimmung. Die Befragung und ihr Ergebnis hatte noch keinen endgültigen Charakter und soll nur den mit der Neufassung des Kirchenschemas Beauftragten zur Orientierung dienen. Sie war jedoch gleichzeitig ein letztes Standortbeziehen der Konzilsväter, ehe sie in die Diskussion des Schemas über die Bischöfe und die Leitung der Diözesen eintraten, das nach Ansicht der Mehrheit diese Grundsätze über die Vollmachten der Bischöfe als einzelne und als Kollegium in ihren praktischen Auswirkungen darstellen sollte.

Proteste

Das Schema stieß sofort auf heftigste Widerstände, nachdem es als Diskussionsgrundlage angenommen worden war. Hatte man sich nicht im Zuge der Aussprache über das Kirchenschema eindeutig über das Bischofsamt, seine „Eigenständigkeit“ und die Vollmachten der Bischöfe als Kollegium ausgesprochen, hatte man nicht ebenso deutlich diese erarbeiteten Grundsätze in der Testabstimmung bejaht? Das neue Schema scheint vielen der Konzilsväter in einem Geiste verfaßt, der all dies unberücksichtigt läßt. So wurden etwa die Bischofskonferenzen einseitig als Organe zur Vereinheitlichung des pastora- len Vorgehens unter der Autorität und gemäß den Weisungen des Papstes bezeichnet. Die Mitregierung der Bischöfe sollte, nach eineija Vorschlag des Schemas, durch die Gewährung von Kurienposten an diese verwirklicht — nach anderer Ansicht eher vereitelt — werden. Man kann sich vorstellen, daß eine solche Lösung höchstens rein optisch, wegen fehlender Zuständigkeit und Zeitmangels der Berufenen jedoch praktisch keinerlei Fortschritt bringen würde.

Schon die ersten Redner übten durchwegs scharfe Kritik an der Vorlage. Die Auffassung des Schemas vom Bischofsamt entspreche

Einwände

Dem persönlichen Wunsch des Papstes und der Mehrheit der Väter entsprechend solle ein Bischofsrat geschaffen werden, forderte Kardinal König, der dem Papst in der Gesamtregierung der Kirche zur Seite stehen soll. Dieser Rat, der der gemeinsamen Verantwortung von Papst und Bischöfen für die Gesamtkirche sichtbaren Ausdruck verleihen würde, müßte mindestens zwei- bis dreimal jährlich zusammentreten und so „das Zentrum der Kirche mit der Peripherie“ verbinden. In diesem Sinne solle unter Berücksichtigung des Subsidiaritätsprinzips die Vorlage umgearbeitet werden. Zur ebenfalls strittigen Frage der Bischofskonferenzen erklärte der Kardinal, diese hätten sich längst praktisch bewährt. Man möge in der Frage ihrer Vollmacht weiter am Prinzip der Einstimmigkeit festhalten, wie es bisher in Deutschland und den USA schon geübt würde. Für Mehrheitsentscheidungen sollte wenigstens eine Mehrheit von vier Fünftel gefordert werden.

In diplomatischer Weise trat auch der holländische Kardinal Alfrink für die Schaffung eines Bischofsrates an der Seite des Papstes ein: dieser würde ein Gegengewicht gegen eine allzu große Dezentralisation durch die Bischofskonferenzen bilden und zwischen den regionalen und der zentralen Leitung einen Ausgleich schaffen. Die Kurie würde nicht mehr zwischen Papst und Bischöfen stehen, sondern ausschließlich Verwaltungs- und Exe-

weder dem Wesen der Kirche noch den Bedürfnissen der heutigen Welt, kritisierte der indische Bischof Simons, Indore. Der Papst sei wohl Träger der obersten, nicht aber einer absoluten Gewalt. Nach dem Willen Gottes müsse er die Kirche nicht zuerst durch die Kurie, sondern mit den Bischöfen zusammen, in denen das von Christus eingesetzte Apostelamt weiterlebe, regieren. Die Kurie sei überdies in ihrer gegenwärtigen Gestalt völlig ungeeignet, mit dem Bischofskollegium in der Leitung der Gesamtkirche zusammenzuarbeiten. Kurienkardinal Marella habe behauptet, die Kurie besitze die beste Kenntnis von der Lage der Weltkirche. Dies sei völlig falsch. Die römischen Kongregationen regierten viel zu sehr nach eigenem Urteil und seien manchmal eher eine Trennwand zwischen Papst und Bischöfen als eine verbindende Instanz. Gerade dieses Schema sei ein Beispiel, wie die Kurie ihre Aufgabe verstehe: es sei im Gegensatz zum Willen des Konzil und gegen seine Mehrheit zustandegekommen. „Dies ist ein öffentlicher Skandal.“

kutivorgan im Dienst des mit dem Papst zusammenarbeitenden Bischofskollegiums sein. Er beeilte sich, hinzuzufügen, daß damit nicht das Ansehen der Kurie geschmälert, sondern lediglich ihr theologischer und kirchenrechtlicher Standort neu bestimmt würde. Und endlich, schloß Alfrink seine Stellungnahme, die mit viel Beifall aufgenommen wurde, verwahre er sich dagegen, daß die Vollmachten der Bischöfe als Zugeständnisse von seiten der Kurie dargestellt werden, während es sich bei ihnen um yollmachten göttlichen Rechts handle.

„Die Probleme der verschiedenen kirchlichen Regionen können nicht mehr gelöst werden ohne deren direkte Mitwirkung“, begründete Patriarch Máximos IV. Saigh die Notwendigkeit eines päpstlichen Beirates aus residierenden Bischöfen. Der Papst dürfe die Kirche nicht allein mit seinen „Familiären“ und dem römischen Ortsklerus regieren.

Vom ökumenischen Standpunkt

Auch die Grundsätze des Bischofsschemas müßten aus der Offenbarung abgeleitet werden, betonte Kardinal Bea in der Auseinandersetzung. Die Kirche sei als sichtbare Gemeinschaft auf das Kollegium der Apostel mit Petrus als seinem Haupt begründet. Alle späteren Ausgliederungen, wie Bischofskonferenzen, Patriarchate, römische Kongregationen, müßten das gleiche Strukturgesetz aufweisen und das Subsidiaritätsprinzip beachten. Die

Bischöfe seien keine Vikare des Papstes, fuhr der Leiter des Einheitssekretariats fort, ihre Vollmachten, die ihnen durch die Weihe kraft göttlichen Rechts zukommen, verdienten größte Achtung. Der von der Mehrheit und dem Papste selbst gewünschte Bischofsrat sei von wesentlicher ökumenischer Bedeutung: mehr als verteidigende Worte könne er die immer wieder von außen kommenden Vorwürfe, die katholische Kirche sei machtgierig, imperialistisch und zentralistisch, entkräften.

Gegenargumente

Die massive Kritik am Schema rief ebenso heftige Gegenreaktionen hervor. Kardinal Ruffini von Palermo wies den Vorwurf, das Schema berücksichtige die Prinzipien des Kirchenschemas und der Testabstimmung nicht, mit der Behauptung, er entbehre jeder Grundlage, entschieden zurück. Über die Kollegialität sei noch längst keine Klarheit geschaffen, erklärte er, und die Testabstimmung sei keinesfalls eine endgültige Konzilsaussage. Zur Stellung der Bischofskonferenzen meinte Ruffini, ein Vorschlagsrecht an den Papst genüge vollauf. Gesetzgebende Befugnisse dieser Konferenzen würden die Einheit der Kirche aufs höchste gefährden und die daraus resultierende regionale Verschiedenheit des kirchlichen Lebens ein schweres Ärgernis für die Gläubigen bilden. Solche Befugnisse seien im übrigen mit dem Primat kaum zu vereinbaren, der damit allmählich ausgehöhlt würde. Die Vollmachten der Bischöfe seien keineswegs eigenen Rechts, eine solche Auffassung verkenne die wahre Natur der kirchlichen Autorität. In ähnlicher Weise äußerte sich der irische Kurienkardinal Brown, Vizepräsident der theologischen Kommission. Auch er behauptete, die Lehre von der Kollegialität sei als „konzjiiare Aussage, noch völlig ungesichert“ und das Ergebnis der’ Testabstimmuhg darüber „hat gar nichts zu bedeuten":

Höhepunkt der Auseinandersetzung

Die Meinungsverschiedenheiten erreichten schließlich eine Schärfe die eine explosive Entladung unvermeidlich erscheinen ließ: sie erfolgte am vergangenen Freitag in der 63. Generalkongregation im Zusammenstoß des Kölner Kardinals Frings mit — weiter nicht überraschend — Kardinal Ottaviani.

„Die theologische Kommission ist nichts als ein Ausführungsorgan des Konzils“, erklärte der deutsche Kardinal, „sie hat die Weisungen der Generalkongregation durchzuführen“. Er gab seinem Erstaunen darüber Ausdruck, daß Angehörige der Kommission die Abstimmungen des Konzils als für sie nicht verpflichtend ansehen. Er griff in der Folge die Praxis des Heiligen Offiziums an, das Verurteilungen ausspreche, ohne den Angeschuldigten selbst gehört zu haben. Die Art der Geschäftsführung des Offiziums entspreche nicht mehr der Zeit, schade dem Ansehen der Kirche und werde den Nichtkatholiken zum Ärgernis. Frings verlangte abschließend eine Verminderung der Bischöfe und Priester an der Kurie, deren Aufgaben zum Teil auch von Laien wahrgenommen werden könnten.

Mit lauter Stimme und in höchster Erregung protestierte Kardinal Ottaviani, Präsident, der theologischen Kommission und Sekretär des Heiligen Offiziums, gegen diese Kritik. Er sprach von „Schmähung“ und „Beleidigung des Papstes“, der der Präsident des Offiziums ist. Solche Vorwürfe, behauptete er empört, könnten n r der „Unwissenheit oder Schlimmerem“ entstammen. Kein Urteil würde vom Offizium gefällt, ohne daß zuvor Fachleute hiezu gehört würden. Was die Vorwürfe gegen die Theologische Kommission anlange, so beklage er, daß diese Kommission bei der Abfassung der Testfragen nicht gehört worden sei. Sein Eindruck sei, daß man den Primat des Papstes beschneiden wolle.

Während Kurienkardinal Brown sich dem Standpunkt Ottavianis anschloß, widersprach der indische

Erzbischof D’Souza, Bhopal, energisch: „Hat sich nicht das Konzil mit einer Mehrheit von sechs zu eins für das Konzept der Kollegialität ausgesprochen? Ist es nicht ein Hohn, wie diese Mehrheit nun leicht genommen wird? Wenn jetzt einige Mitglieder der theologischen Kommission den Willen von 2000 Konzilsvätern vereiteln können, was werden sie tun, wenn die Konzilsväter wieder nach Hause gereist sind?“

Was weiter?

„Wahrheitsfindung innerhalb der Gemeinschaft geschieht durch Rede und Gegenrede“, meinte Professor

Auseinandersetzung: Kardinal Ottaviani

Jedin jjupal. „Das bedeutet geistigen Kampf. Wie überall, wo Men-i scheu, um die Wahrheit ringen, so fordert- äiteh auf den Konzilen das Menschliche und das Allzumenschliche seinen Tribut. Das erste von Gott gewollt, das zweite von Ihm zugelassen. Der Zoll der Menschlichkeit, den die Konzilien zahlen, ist der Zoll, den die sichtbare Kirche für ihre Sichtbarkeit inmitten der Menschlichkeit zahlen muß.“

Niemand zweifelt daran, daß auch die Lehre von der Kollegialität schließlich feierlich verkündet und damit die derzeit noch umstrittenen Reformen nicht mehr bloß positivrechtliche Möglichkeiten, sondern unentrinnbarer göttlicher Auftrag werden.

Wie in vielen anderen Fragen, ist auch hier die Praxis der Theorie schon vorausgeeilt: die Bischof s- konferenzep, teilweise erst während des Konzils entstanden — so etwa die italienische — sind längst Einrichtungen von höchstem praktischem Wert geworden, die Bischöfe haben sich auf diesem Konzil selbstverständlich an ihre aktive Mitverantwortung für die Gesamtkirche gewöhnt. Der Bischofsrat an der Seite des Papstes wird bereits praktisch diskutiert: da er das

Gesamtkollegium repräsentieren soll, folgt von selbst, daß die Mitgliedschaft nicht lebenslänglich sein wird. Ferner, daß er nur Residenzbischöfen und nicht Titularbischö- fen, die keine Diözese verwalten, offenstehen wird. Die Bestellung des Rates könnte auf Grund von Wahllisten erfolgen, die von den Bischofskonferenzen der Länder dem Papst vorzulegen wären. Schließlich wird betont, daß die Kurie keine Einrichtung göttlichen Rechts ist, sondern ein aus praktischen Bedürfnissen gewachsenes zentrales Exekutivorgan, deren Reform keinerlei doktrinäre, sondern höchstens praktische Schwierigkeiten entgegenstehen.

Ein deutscher Jesuit meinte einmal: „Es ist fast ein Wunder, wie sich hier beim Konzil Ideen geradezu wie von selbst durchsetzen, denen man zu Konzilsbeginn kaum eine Chance gegeben hätte!“ Zweifelsnahe wird sich dieses „Wunder“ auch mit der gegenwärtig noch umkämpften Stellung der Bischöfe als einzelne und als Kollegium begeben.

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