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„Audi innerhalb der Kirche sauber diskutieren...“

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FRAGE: Herr Bischof, was betrachten Sie als Ihre besondere Aufgabe in der Steiermark für die nächsten Jahre?

BISCHOF WEBER: Diese Frage ist sehr leicht und sehr schwer zugleich zu beantworten. Eine allgemeine Antwort lautet etwa folgendermaßen: Es ist zu versuchen, den apostolischen Impuls, die missionarische Gesinnung der Christen besonders zu fördern. Ein zweites wäre, eine nüchterne Sammlung aller kirchlichen Kräfte, ein Beruhigen mancher sehr divergierender Meinungen, wobei mit Beruhigung auf keinen Fall eine Friedhofsruhe zu verstehen ist. Ich glaube, es ist so notwendig, daß die Kirche in Bewegung ist, dafür muß man manchen Preis zahlen. Zugleich muß man wachsam sein, daß diese Unruhe kein steriles Geplänkel, kein Hin und Her, kein Hick-Hack wird, mit dem schließlich niemandem gedient ist. Ein Drittes möchte ich vielleicht noch nennen, das in Worten ausgedrückt vielleicht ein wenig banal wirkt: Die Frömmigkeit der Christen. Eine Kirche wird nur dann Kirche sein, und Kirche heißen dürfen, wenn sie auch in einer Atmosphäre des Gebetes, der Hingabe, des Glaubens und des Opfers lebt.

FRAGE: Die Dinge, die Sie eben genannt haben, beziehen sich mehr oder weniger auf die grundsätzliche Aufgabe des Bischofs, die in erster Linie eine zusammenführende, eine integrierende ist. Sehen Sie aber besondere Aufgaben in der Steiermark auf Grund der spezifischen steirischen Situation, die Sie sehr gut kennen?

BISCHOF WEBER: Ich glaube zunächst, daß man der Steiermark Unrecht tut, daß man sie als das „österreichische Holland“, als einen Unruheherd oder sonst etwas bezeichnet. Das stimmt, so glaube ich,

nicht. Spezifisch notwendig wird es ' sein, gerade diese so guten jungen Kräfte und die so guten verdienstvollen alten Kräfte (wobei die Gegenüberstellung von jung und alt natürlich schon wieder problematisch ist) wirklich zu integrieren und zu-einanderzuführen. Es gilt, das Vertrauen zu stärken und all diesen Kräften zu helfen, daß sie sich gegenseitig stützen und bereichern. FRAGE: Sie haben als Ihren Wahlspruch den Satz gewählt: „Den Armen die Frohbotschaft verkünden.“ Welche Konsequenzen wollen Sie aus diesem Wahlspruch ziehen? BISCHOF WEBER: Unter arm, glaube ich, kann man ein Vielfaches verstehen. Ich stütze mich zuerst auf die dezidierte Verheißung des Herrn: „Arme werdet Ihr allezeit bei Euch haben.“ Etwas schlagartig könnte man ungefähr folgendes sagen: Erstens, daß es wirklich sehr viel materielle Armut gibt, auch hier in unserem Land. Als Pfarrer habe ich viele Möglichkeiten gehabt, das zu sehen und zu erfahren und zu erleben. Ich meine damit aber auch die Lebensuntüchtigen und die vom Schicksal an den Rand gespülten Menschen, wobei zugleich an die Weltverantwortung der Christen gedacht werden muß. Keine Diözese ist nach der Aussage des Konzils für sich allein bestehend, sondern ist Glied der Weltkirche, jeder Bischof ist Mitbischof mit den anderen. Zweitens denke ich besonders an die Menschen, die Luxus, Vermögen. Einfluß, alles haben, aber mit einer Sinnentleerung, einer Lebensöde, einer Herzenstraurigkeit leben, wie etwa neue literarische Erzeugnisse das ja sehr eindrucksvoll darstellen. Drittens glaube ich: Es gibt auch in der Kirche eine Armut unter den Menschen, die ihres Berufes ungewiß geworden sind, die sich fragen, ob sie recht gewählt haben, ob sie nicht etwas versäumt haben, ob sie

nicht betrogen worden sind, ob das jetzt Kleriker, Ordensleute oder ob es Laien sind. Das gilt für alle. Ich kann heute noch nicht sagen, auf welchen Weg wir im einzelnen helfen können, daß wir aber alle diese

Armen tatsächlich im Blick und im Herzen haben müssen.

FRAGE: Darf man aus diesen Worten schließen, daß Sie auch als Bischof vor allem Seelsorger bleiben werden?

BISCHOF WEBER: Sehr einfach gesagt: Ich habe nichts anderes gelernt. Und möchte das auf jeden Fall bleiben.

FRAGE: Sie haben die Not angeschnitten, die teilweise auch bei den Priestern herrscht, die ganze Diskussion um das Amt des Priesters heute. Glauben Sie, daß auch das Amt des Bischofs in unserer Zeit anders gesehen werden muß, als vielleicht noch vor zehn Jahren? BISCHOF WEBER: Der Wandel ist sicher da und nicht aufzuhalten und soll auch nicht aufgehalten werden.

Es sind, soweit ich die Gelegenheit gehabt habe, das alles zu studieren und zu verfolgen, gerade darüber in den Konzilsaussagen sehr schöne und wichtige Dinge enthalten. Theoretisch ist, glaube ich, vieles weitgehend durchdacht, etwa, wenn man Amt grundsätzlich als Dienst bezeichnet. Ich meine, dies muß jetzt in den verschiedensten Situationen durch die verschiedensten Charaktere praktisch erprobt werden. FRAGE: Das Erproben bedingt natürlich auch Experimente? BISCHOF WEBER: Ich möchte zum Experiment, wo es lauteren Herzens geschieht, das heißt ohne Wichtig-macherei, ohne Hochmut (sozusagen: Wir sind modern und die anderen sind ja altmodisch!) ein vorbehaltloses Ja sagen.

FRAGE: Sie haben erwähnt, daß Sie vermutlich kein Bischofswappen wählen werden. Ist das ein Symbol, daß Sie versuchen, auch in den äußeren Formen Ihres Bischofsamtes bestimmte Änderungen vorzunehmen?

BISCHOF WEBER: Ich bin noch nicht informiert, wie weit es möglich ist, auf das Bischofswappen überhaupt zu verzichten. Ich kenne auch seine historische Entstehung nicht genau. Sicher werden diese äußeren Dinge auch überbewertet und mit der Abschaffung von solchen Dingen ist an und für sich noch sehr wenig getan. Anderseits wird die heutige moderne Zeit gewiß auch verlangen, daß im äußeren Bild vieles wegfällt, was früher selbstverständlich war, wobei man mit Behutsamkeit vorgehen muß. Es gibt ja große Schichten der Bevölkerung, denen ein bestimmtes äußeres Bild sehr viel sagt, und sogar auch hilft. Das muß man sehr nüchtern sehen. FRAGE: Welche Möglichkeiten sehen Sie, die Christen, die man gemeinhin als Laien anspricht, sozusagen die „normalen Christen“ dieses Lan-

des, stärker zu dem zu bringen, was man „Verbundenheit mit der Kirche“ nennen kann?

BISCHOF WEBER: Das wird sicher zunächst eine Frage der Priesterschaft, der Seelsorger sein. Von dort wird es ausgehen müssen, von dort wird es gefördert werden müssen. Von ihnen werden in erster Linie die Christen, soweit sie nicht Priester sind, erzogen werden müssen. Hier glaube ich, belastet uns eine sehr lange Vergangenheit, aber man muß ja staunen, was etwa in einer Zeit von zehn oder zwanzig Jahren diesbezüglich schon geschehen ist. Vielleicht ist eine Uberbetonung der innerkirchlichen Diskussion mit eine Ursache gewesen, daß Impulse erlahmt sind, wobei ich aber schon sagen möchte, daß auch innerhalb der Kirche sauber diskutiert werden muß. Man kann nicht vertuschen, man kann nichts zudecken, man kann nicht die Informationshähne abdrehen. Es darf aber nicht dabei bleiben, eine Introvertiertheit ohne eine Sicht nach außen wirkt auf die Dauer lähmend. Aber ich glaube, daß sind notwendige Wachstuniserscheinungen, über die wir doch hinauswachsen werden.

FRAGE: Es ist verständlich, daß Sie sich zu diesem Zeitpunkt noch nicht im einzelnen für Ihre kommende Amtszeit festlegen können. Aber vielleicht könnten Sie grundsätzlich sagen, welche Vorstelungen Sie sich von der Synode in der Steiermark machen, deren Vorarbeiten noch unter Bischof Schoiswohl begonnen haben?

BISCHOF WEBER: Ich kann hierzu sehr wenig sagen, ich muß gestehen, daß ich bei den Vorbereitungsarbeiten kaum beteiligt war und mich persönlich auch nicht so sehr in die Materie vertieft habe. Das braucht noch ein intensives Studium meinerseits, ehe ich dazu etwas sagen kann.

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