Werbung
Werbung
Werbung

Immer mehr Christen sehen in fernöstlicher Mystik einen neuen Weg zu Gott. Diese diene als „Steigbügelhalter eines modernen Relativismus“, sagen Kritiker.

Mystik, Meditation, Spiritualität: ein Megatrend, wie ein Blick in jede Buchhandlung beweist. Wer sich dort ein paar Minuten Zeit zum Schmökern nimmt, stößt schnell auf einschlägige Literatur. Bücher versprechen, „die Königsfragen des Lebens“ beantworten zu können, sie lassen einem „das Ewige im Jetzt erfahren“ und zeigen den „Weg zum spirituellen Erwachen“.

Wer sich auf diese, zumeist christlich-buddhistischen Pfade begibt, wird früher oder später zu Gott finden, so die Verheißungen der Klappentexte. Außerhalb der Buchläden sieht die Welt anders aus: Jahr für Jahr verlassen Menschen die etablierten Kirchen, immer weniger Christen besuchen den Sonntagsgottesdienst.

Lässt sich daraus schließen, dass die Zukunft der Mystik gehört? – frei nach dem Theologen Karl Rahner: „Der Christ der Zukunft wird Mystiker sein, oder er wird nicht mehr sein.“ Müssen die etablierten Kirchen neue, fernöstliche Wege einschlagen, um den Menschen in Westeuropa Gott wieder näher zu bringen? Mit diesen und anderen Fragen beschäftigte sich der 14. Wiener Kulturkongress in der vergangenen Woche, der unter dem Motto „Kultur ohne Gott – Gott ohne Kultur?“ stand.

Die Begegnung zwischen Christentum und Buddhismus sei das entscheidende Ereignis des 20. Jahrhunderts, glaubte der Religionsphilosoph Arnold Joseph Toynbee. Eine solche Begegnung findet auch in der aktuellen christlichen Popularliteratur statt. Autoren wie David Steindl-Rast oder Willigis Jäger versuchen auflagenstark, beide Traditionen zu einem neuen Ganzen zu verbinden.

Forderung nach Transformation

Von traditionell kirchlichen Wegen zu Gott hat sich Willigis Jäger, Benediktinermönch und Zen-Meister aus Deutschland, aus Sicht des Vatikans schon länger entfernt. Seine Forderung „nach einer Transformation des Christentums“ rief in der Glaubenskongregation Irritationen hervor, 2001 erhielt er von Joseph Ratzinger (heute Papst Benedikt XVI.) ein Rede-, Schreib- und Auftrittsverbot, woran er sich aber nicht hält.

Jäger glaubt, dass Menschen eine Entbindung aus ihrer Ich-Struktur anstreben müssen, um so etwas wie Gott erfahren zu können. Er propagiert dabei Mystik als jenen Weg, der aus dieser Einengung des „Ichs“ herausführen kann. Dieser Weg führe auch auf eine neue Ebene der Erkenntnis, zu der die Rationalität und das analytische Denken keinen Zugang haben.

„Wer Gott erfahren will, muss Bücher, Rituale und alles mentale Begreifen übersteigen“, schreibt Jäger in seinem Buch „Aufbruch in eines neues Land – Erfahrungen eines spirituellen Lebens“. In diesem Zusammenhang betont Jäger gerne die Bedeutung des „Wachsens“. Nach Ansicht Jägers wird sich der Mensch zu einem erwachten Wesen entwickeln, herausgelöst aus der Ich-Ausgrenzung.

Religionen sind für Jäger in diesem Kontext nur Verstehenshilfen und Landkarten für den Weg ins „neue Land“ und zur wahren Erkenntnis, sofern sie sich nicht weigern zu wachsen. Genau darin besteht aus Sicht Jägers aber die Krise des Christentums: „Die Menschen sind aus dem Welt- und Menschenbild, das immer noch Bestandteil der Verkündigung ist, herausgewachsen. Deshalb bedarf es einer Transformation der Religion.“

Der Mensch befände sich in einer Zeit des Übergangs, zeigt sich der gebürtige Wiener David Steindl-Rast, Benediktiner und Zen-Meister aus Elmira (USA), überzeugt. Von einem „Übergang vom analytischen zu einem integrierenden Bewusstsein hin zu einem ganzheitlichen Weltverständnis“ spricht Steindl-Rast und betont: „Das Gottesbild basiert nicht mehr auf der Überlieferung, sondern auf der persönlichen Erfahrung.“

Diese Erfahrung Gottes macht der Mensch in dynamischer Folge, im Leben, im Lieben, im Schaffen, in Beziehungen. Gott ist dabei kein personales Gegenüber, sondern die Quelle von allem, was es gibt.

Kritik an einer Mystik, wie sie Jäger oder Steindl-Rast verstehen, gibt es seit längerer Zeit. Als eine verführerische Kraft beschreibt Joseph Ratzinger in seinem Buch „Glaube – Wahrheit – Toleranz“ (erschienen 2003) eine solche Mystik. Diese diene gerne als Steigbügelhalter eines modernen Relativismus, der alle Lebensbereiche umfasse. Doch gerade diese „unbestimmte Religion des Geistes“ dürfe, so Ratzinger, das Christentum in Zukunft nicht ersetzen.

Bekannte Konzepte

Skeptisch zeigt sich auch die evangelische Theologin Susanne Heine. Hinter der Philosophie Steindl-Rasts und Jägers sieht Heine ein Konzept, auf das sich bereits die Montessori-Pädagogik oder etwa die Transpersonale Psychologie beziehe. In allen diesen Modellen werde die Natur als eine initiative, selbsttätige Kraft, als eine dynamische Potenz, die sich unabhängig vom menschlichen Bewusstsein und auch gegen dieses Bewusstsein aktualisiert, verstanden. Wenn aber davon ausgegangen wird, dass der Mensch ein einmaliges Individuum sei, dann müsse man „personal“ denken, so Heine. „Das Christentum will mit der Auferstehung etwas pointieren: Du als Individuum bist nicht verloren.“

Diesem philosophischen Konzept, das mit der Vorstellung eines persönlichen Gottes nichts anfängt, hält Heine entgegen: „Gott ist ein Du, ein Gegenüber, mit dem du kommunizieren kannst. Dieses Du ist nicht in mir, dieses Du bleibt Du.“

Ein Thema. Viele Standpunkte. Im FURCHE-Navigator weiterlesen.

FURCHE-Navigator Vorschau
Werbung
Werbung
Werbung