Aufbruch und Sorge in Siebenbürgen

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Nicht nur die politische Lage in Rumänien vor den Wahlen (siehe Seite 3 dieser furche) liegt außerhalb der Sichtweite westlicher Medien. Auch die Situation der beiden katholischen Kirchen findet wenig Beachtung.

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Nicht nur die politische Lage in Rumänien vor den Wahlen (siehe Seite 3 dieser furche) liegt außerhalb der Sichtweite westlicher Medien. Auch die Situation der beiden katholischen Kirchen findet wenig Beachtung.

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Seit 1994 ist György-Miklos Jakubinyi römisch-katholischer Erzbischof von Alba Julia in Siebenbürgen. Vor wenigen Tagen fand in seiner Diözese erstmals seit dem Fall des Ceausescu-Regimes eine Synode statt: Diese hatte zum Ziel - 35 Jahre nach dem Ende des II. Vatikanums! - die Ergebnisse dieses Konzils umzusetzen.

Der heute 54-jährige Jakubinyi studierte in Alba Julia und Rom Theologie und schloss sein Studium in Budapest mit einer Dissertation ab. Danach war er Professor für Biblische Studien am Theologischen Institut in Alba Julia. Er wurde 1969 von Bischof Aaron Marton, der viele Jahre unter Hausarrest stand und mittlerweile selig gesprochen wurde, zum Priester geweiht. 1990 ernannte in Papst Johannes Paul II. zum Weihbischof, vier Jahre später zum Erzbischof von Alba Julia. Im furche-Gespräch berichtet Jakubinyi von der Synode in seiner Diözese, aber auch von der nach wie vor schwierigen Situation der griechisch-katholischen Kirche in Rumänien, die ihre volle Freiheit noch immer nicht erreicht.

die furche: Herr Erzbischof, die Diözese Alba Julia hat gerade eine Diözesansynode abgehalten. Was ist aus Ihrer Sicht das wichtigste Ergebnis dieser Synode?

Erzbischof György-Miklos Jakubinyi: Die Vorbereitung unserer Diözesansynode dauerte vier Jahre lang, und das war schon eine schöne Erfahrung mit vielen Ergebnissen. Wir haben in unseren Pfarreien 22 künftige Synodaldokumente besprochen. Alle Pfarrmitglieder konnten daran teilnehmen. Man hat diese Diskussionen in Protokollen festgehalten, und die wurden, mit Vorschlägen versehen, an das Synodalbüro nach Klausenburg geschickt und dort bearbeitet. Und während der eigentlich nur viertägigen Diözesansynode haben wir dann diese aufgrund der vierjährigen Arbeit erstellten Dokumente besprochen.

Viele unserer Diözesanmitglieder in den Pfarren sagen: Schade, dass die Synode schon beendet ist. Sie waren nicht daran gewöhnt, dass die Kirche sie fragt und ihre Meinung für die Kirche überhaupt interessant ist. Es gab auch ältere Leute, die ganz gerührt darüber gesprochen haben: Sie hätten nie gedacht, dass ihre einfache Meinung oder Auffassung über eine Frage des kirchlichen Lebens die Priester und die Laienvertreter überhaupt interessiert.

Ich meine, das größte Ergebnis der vierjährigen Vorbereitungsphase war, dass unsere Gläubigen eingesehen haben, dass die Kirche nicht nur aus den Klerikern besteht, sondern wir alle - der Bischof mit dem Klerus und die Gläubigen - die Diözese formen: Wir sind Gottes Volk, unterwegs zur endgültigen eschatologischen Zielsetzung unseres irdischen Wandelns. Das ist schon ein Ergebnis, und dann kann man sagen, es hat sich gelohnt, diese Synode zu halten.

Ich selber habe, als ich den Priesterrat gefragt habe, ob wir überhaupt eine Synode halten oder nicht, daran gedacht: Die Synode soll unser kirchliches Leben jetzt in der Demokratie nach dem Ende des Kommunismus neu gestalten und unseren Gläubigen ein gewisses Selbstbewusstsein geben, dass man gemeinsam Kirche ist, und ich hoffe, dass dieses Ergebnis der Synode im Laufe der Jahre auch eintreffen wird.

Konzil inkulturieren die furche: Wie ist die Idee entstanden, eine Synode abzuhalten?

Jakubinyi: Die Idee eines Diözesankonzils oder einer Diözesansynode ist von der Kirche selber gekommen und speziell vom jetzigen Papst. Nach jedem allgemeinen Konzil sollen die Bischöfe der Weltkirche überall Diözesansynoden halten, damit sie die Vorschriften und Vorschläge des allgemeinen Konzils in die Sprache des eigenen Volkes übersetzen oder, wie man heute oft sagt, die Ergebnisse des allgemeinen Konzils inkulturieren unter den Umständen der eigenen Diözese.

Nach dem II. Vatikanum war das in den osteuropäischen kommunistischen Ländern einfach unmöglich. Wir haben hier in Siebenbürgen, in Rumänien, auch nur das vom II. Vatikanum verwirklichen können, was uns illegal oder durch das Radio oder durch die seltenen Touristen zugekommen ist, zum Beispiel die Einführung der Mutersprache in die Liturgie, aber das ganze Konzil zu übersetzen, war unmöglich. Als Papst Johannes Paul II. 1991 Ungarn besuchte, hat er in seiner Ansprache an den ungarischen Episkopat aufgefordert, jetzt in der wieder erworbenen Freiheit nachträglich die Diözesansynoden zu halten. Fast alle Bischöfe Ungarns sind dem päpstlichen Aufruf gefolgt, und so hatten wir schon viele Erfahrungen vor uns, wie man dort in der Nachbarschaft die Synoden gehalten hat. Wir sind dann in Rumänien unter den sechs lateinischen Diözesen die erste gewesen, die diese Synode einberufen hat.

Die Diözese Alba Julia hat die letzte Diözesansynode im Jahr 1913 gehabt, das heißt noch in der Habsburgermonarchie, und seither konnte die Diözese Alba Julia keine Synode mehr halten. Und jetzt warten wir darauf, dass unser Beispiel vielleicht die anderen Diözesen auch anregt.

die furche: Hat es bei der Synode auch Konflikte, umstrittene Punkte gegeben, wo es schwierig war, einen Kompromiss zu finden?

Jakubinyi: Laut Kirchenrecht ist eine Diözesansynode nicht Gesetzgeber. Das ist allein der Ortsbischof. Eine Diözesansynode ist Ratgeber. Alles, was dort beschlossen wurde, ist eigentlich Beschluss für einen Vorschlag, der dem Bischof vorzustellen ist. Darum haben natürlich Kontroversen bei der viertägigen Synode stattgefunden, dann hat man Kompromisse gesucht, es war alles normal, wie das bei einem Konzil oder einer Synode geschieht, und das ist sehr menschlich und gleichzeitig auch christlich, wie wir das auch über das erste Apostelkonzil in der Apostelgeschichte lesen. Aber ich finde das nicht tragisch, sondern eher als ein Zeichen für die Authentizität und Aufrichtigkeit der Synodaldiskussion.

Konflikt mit Orthodoxie die furche: Siebenbürgen ist ja eines der konfessionell am stärksten gemischten Gebiete in Europa. Wie ist eigentlich das Verhältnis zwischen den Kirchen, die ökumenische Situation?

Jakubinyi: In ganz Rumänien gibt es derzeit 15 vom Staat anerkannte Kirchen oder Religionsgemeinschaften, aber in Rumänien ist die Infrastruktur noch immer kommunistisch, und so nennt man diese Kirchen und religiösen Gemeinschaften wie zur Zeit des Kommunismus "Kulte". Es ist noch immer das Kultusgesetz der Kommunisten von 1948 in Geltung. Natürlich musste es in einigen Punkten modifiziert werden, zum Beispiel durch die Anerkennung der Existenz - leider nicht ihrer Rechte - der griechisch-katholischen Kirche und die Anerkennung der römisch-katholischen Kirche, die nur toleriert war, aber nicht anerkannt.

Unsere Beziehung zur Orthodoxie ist durch die griechisch-katholische Kirche belastet. Die Orthodoxie hat nämlich nach der Ausrufung der Volksrepublik Rumänien sofort im Juni 1948 im Bündnis mit den Kommunisten die griechisch-katholische Kirche vernichtet und einfach eingegliedert. Von den 1.800 Priestern sind 1.200 zur Orthodoxie übergetreten - wegen der Familie, sie haben verheiratete Priester, 600 Priester sind ins Gefängnis gegangen. Und bis heute will die Orthodoxie nicht anerkennen, was damals geschehen ist.

Und die konfiszierten griechisch-katholischen Kirchen - 1.800 sind bis heute in den Händen der Orthodoxen. Die griechisch-katholische Schwesterkirche muss auf den Straßen, in Stadions, auf Hauptplätzen, im Schnee, im Regen und bei Sonnenschein zelebrieren. Jetzt nach zehn Jahren hoffnungslosen Wartens haben sie schon begonnen, mit westlicher Hilfe für sich selber neue Kirchen zu bauen.

Diese Situation belastet unsere Beziehung zur Orthodoxie, weil sie eigentlich von der römisch-katholischen Kirche verlangen, dass wir beim Dialog die unierten Mitbrüder ausscheiden lassen, weil sie als Verräter an Kirche und Nation betrachtet werden.

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