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Aufwertung der Mischehen?

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Da nach der Instruktion eine von einem „nichtkatholischen Religionsdiener“ getraute Mischehe nach wie vor ungültig ist, ist sie somit „ein öffentliches sündhaftes Verhältnis“, das den Katholiken von den Sakramenten und Gnadenmitteln ausschließt.

Die Instruktion hebt die Exkommunikation für eine nichtkatholische Trauung auf, also den Kanon 2319, § 1, Absatz 1, aber die Absätze 2 und 3, die diejenigen Katholiken automatisch exkommunizieren, die ihre Kinder nicht katholisch taufen und erziehen lassen, bleiben weiterhin in Geltung. Damit ist die Exkommunikation wieder da.

Bei dieser Sachlage ist die Aufhebung der Exkommunikation nur eine scheinbare und nicht wirkliche Erleichterung und bedeutet kaum eine Hilfe für die Mischehe. Oder sollten wir uns in unserer Auslegung irren?

Die Instruktion warnt kräftig vor der Mischehe wegen der ihr innewohnenden Gefahren und rät beschwörend von ihr ab, aber nach ihrer bisherigen minderrangigen Bewertung im katholischen Kirchengesetz (zum Beispiel Kanon 1102, § 2, Kanon 1109, § 3, u. a.) und in der Praxis konstatieren wir in der Instruktion eine gewisse Aufwertung der Mischehe, der jetzt bei der

Trauung auch „die Brautmesse mit dem üblichen Brautsegen und der Ansprache“ zugestanden wird. Als vollwertig und vollgültig wird sie aber noch immer nicht beurteilt, denn diese Neuerung wird weiterhin in das Ermessen des zuständigen Bischofs gestellt, der es ebenso auch bei der bisherigen zweitrangigen Form der Trauung belassen kann.

Es befremdet uns Evangelische — und mit uns alle nichtrömischen Christen —, daß jetzt nach vollzogener katholischer Trauung einem „nichtkatholischen Religionsdiener“ gestattet wird, daß er „einen Glückwunsch und eine Ermahnung an das Brautpaar richtet und daß gemeinsam mit den Nichtkatholiken einige Gebete verrichtet werden.“ Umgekehrt aber wird dem katholischen Priester jede Teilnahme an einer nichtkatholischen Trauung verboten und eine solche Trauung auch nicht anerkannt. Diese, an den nichtkatholischen Teil der Mischehe gerichtete Geste mit dem gleichzeitigen Verbot für den katholischen Geistlichen im Gegenf all ist in unseren Augen eine untragbare Zumutung an einen nichtrömischen Pfarrer und eine Diskriminierung der nichtrömischen Kirchen.

Die Verpflichtung zur katholischen Taufe und Kindererziehung in der Mischehe ist unverändert geblieben. Auch vom nichtkatholischen Teil wird das Versprechen weiterhin verlangt. Nur können die Bischöfe, nicht nur im Einzelfall, sondern auch generell, von der schriftlichen Ablegung absehen. Auch bisher war (nach Kanon 1061, § 2) der schriftliche Revers nur „in der Regel“ zu verlangen.

Die scheinbare Erleichterung, daß der Heilige Stuhl den nichtkatholischen Teil von der Verpflichtung zur katholischen Taufe und Kindererziehung dispensieren kann, wenn ein solches Versprechen sein Gewissen verletzen würde, ist nur eine scheinbare und theoretische Hilfe. In Wirklichkeit bedeutet es für ein Paar, das erfahrungsgemäß erst kurz vor der Eheschließung zum Pfarrer geht, eine praktische Erschwerung, erst eine Eingabe nach Rom zu machen, auf die Antwort zu warten, die natürlich nicht rasch kommen und auch negativ ausfallen kann. So ist diese Erleichterung in Wirklichkeit eine psychische Belastung und Erschwerung, wenn die Dispens nicht vom zuständigen Bischof, sondern nur vom fernen Rom erteilt werden kann.

Nichtkatholische Ehen weiterhin ungültig

Am wenigsten befriedigt und am meisten enttäuscht uns an der Instruktion:

Sie verbietet nicht nur jede nichtkatholische Eheschließung, sondern erkennt eine solche auch weiterhin uneingeschränkt nicht als gültig an. Es war wohl nicht zu erwarten, daß die katholische Kirche eine nichtrömische Eheschließung gestatten wird, zu hoffen aber war, daß sie eine solche Ehe doch anerkennen wird im Sinne der alten Regelung, wie sie etwa die „Benedictina“ getroffen hatte (die Deklaration „Ma- trimonia“ vom 4. 11. 1741, von Papst Benedikt XIV. erlassen, zunächst für die niederländischen Provinzen, später aber nach und nach auch auf andere Diözesen erweitert), oder die „Provida“ (die Konstitution vom 18. 1. 1906, die verschiedene Regelungen weithin vereinheitlichte), wodurch auch die nichtrömisch geschlossenen Ehen anerkannt wurden. In Beibehaltung der Vorschriften des Codex Juris Canonici, des katholischen Kirchengesetzes, das erst vom 19. Mai 1918 in Geltung ist, bleibt die Mischeheninstruktion hinter dien vorhergehenden und von vielen erhofften Regelung zurück.

Die Instruktion verlangt in der Mischehe weiterhin uneingeschränkt die katholische Taufe und Kindererziehung. Das steht im Widerspruch zum Elternrecht, das die katholische Kirche sonst vertritt. In der Frage der konfessionellen Schulen steht sie ganz auf dem Standpunkt des Elternrechtes als Naturrecht. Den Eltern steht die Entscheidung zu, in welche Schule sie ihre Kinder schik- ken wollen, in der Instruktion aber wird das Elternrecht durch das Kirchenrecht ersetzt.

Wir bedauern es tief, daß die Mischeheninstruktion mit dem Prinzip der Religions- und Gewissensfreiheit und des Ökumenismus im Widerspruch steht. Dazu aber hat sich das Konzil im Dekret über den Ökumenismus und in der Erklärung über die Religionsfreiheit feierlich bekannt. Die neuen Bestimmungen lassen den Mischehenpartnern keine Entscheidungsfreiheit in der Frage der Trauung, der Taufe und Kindererziehung, sondern erkennen nur die römisch-katholisch geschlossene Ehe als gültig an und verlangen kompromißlos die römisch-katholische Taufe und Kindererziehung. Vom evangelischen Ehepartner wird wohl verlangt, daß er die religiöse Freiheit des katholischen Gatten voll respektiere, der katholische Teil aber darf dem nichtkatholischen nicht dieselbe Religionsfreiheit zugestehen, sondern muß sich um seine Bekehrung bemühen.

Vor allem ein seelsorgliches Problem

Und schließlich bedauern wir es noch, daß die Instruktion zu wenig den Gesichtspunkt der Seelsorge in der Ehennot der Mischehe berücksichtigt. Es geht ihr — so sehen wir es — nicht in erster Linie darum, daß auch eine Mischehe eine gute Ehe werde, sondern vor allem um die Sicherung des katholischen Einflusses und die Wahrung kirchlichen Rechtes. Aber auch eine Mischehe ist nicht in erster Linie ein kirchlichjuristisches, sondern vor allem ein seelsorglich-existenzielles Problem.

Nur am Rande vermerken wir, daß die Instruktion von den katholischen Geistlichen als von Pfarrern und Priestern spricht, die nichtkatholischen aber nur als „Religionsdiener“ bezeichnet, was uns mit dem Geist des Ökumenismus unvereinbar erscheint.

Von den obigen Feststellungen her sind wir nicht der Meinung, daß die „neuen Normen“ für die Mischehen den „gegenwärtigen Bedürfnissen“ Rechnung tragen und daß durch sie das Verhältnis zwischen Katholiken und Nichtkatholiken gefördert wird.

Wir übersehen durchaus nicht die Schwierigkeiten, die eine Neuregelung der Mischehenbestimmungen für die katholische Kirche bedeutet. Wir stellen auch ein gewisses Bemühen der Instruktion in Rechnung, den Nichtkatholiken Verständnis entgegenzubringen, weil sie sich durch das harte katholische Mischehengesetz „nicht selten verletzt fühlen“. Trotzdem aber müssen wir offen und ehrlich sagen: Die Instruktion enttäuscht uns sehr. Sie be stätigt, aufs Ganze gesehen, das bisher geltende Mischehengesetz und mildert nur seine Anwendung in einigen Details.

Nach dem genauen Studium der Instruktion können wir es nicht recht glauben, daß sie die vom Konzil geforderte Änderung der Mischehenbestimmungen sein soll. Sie wurde von einem Motu propio des Papstes angekündigt und ist jetzt als Instruktion erschienen. Dieser Erlaß gibt vor, vom Papst zu stammen,

weil er in ihm direkt redet, und ist doch von dem sehr konservativen Kardinal Ottaviani unterzeichnet Sollten in der so konservativen Formulierung der Instruktion „Entwicklungsmöglichkeiten“ liegen, die in Zukunft weiterführen könnten? Sollte die endgültige Erledigung diese wichtigen Frage noch ausstehen? Sollte sie nach gesammelten Erfahrungen erst mit der geplanten und in der Instruktion erwähnten Revision des kanonischen Gesetz buches erfolgen? Hoffentlich ist hier der Wunsch nicht der Vater der gestellten Fragen.

Um der Ökumene und der Glaubwürdigkeit konziliarer Aussagen willen möchten wir es gerne hoffen und wünschen, daß in der Mischehenfrage noch nicht das letzte katholische Wort gesprochen ist. Und mit uns Evangelischen erwarten das ebenso die anderen Christen und wahrscheinlich auch nicht wenige Katholiken.

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