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Steht der Stuhl Petri leer, so wandelt sich die römisch-katholische Kirche für kurze Zeit von einer Monarchie zu einer Oligarchie. Das Kardinalskollegium übernimmt, quasi als Senat der Kirche, die Leitung, darf aber nur unaufschiebbare Dinge erledigen. Alle weit reichenden Entscheidungen bleiben dem künftigen Papst vorbehalten.

Kardinäle werden nicht ernannt, sondern vom Papst "kreiert". Die Kardinalswürde ist mit keiner Weihe verbunden, sie wird verdienten Männern der Kirche verliehen und berechtigt derzeit bis zur Vollendung des 80. Lebensjahres zur Papstwahl. Auch der Bischof von Rom kann sich seinen Nachfolger nicht aussuchen, aber durch seine Personalpolitik auf dessen Wahl starken Einfluss nehmen. Je länger ein Pontifikat dauert, umso mehr: Papst Johannes Paul II. hat von den derzeit 130 wahlberechtigten Kardinälen (Elektoren) 121 ernannt, das sind 92,6 Prozent.

Das Wort "Kardinal" leitet sich - wie der Begriff "inkardiniert" - vom lateinischen "cardo" (Türangel) ab und bezog sich schon im 4. Jahrhundert auf Geistliche, die in der Stadt Rom einer Hauptkirche oder Diakonie vorstanden. Später wurde der Titel auch wichtigen Kirchenmännern außerhalb Roms verliehen, noch heute aber gehört zum Kardinalat auch die titelmäßige - nicht faktische - Verantwortung für eine der vielen Kirchen Roms. Der Bischof von Rom wird somit quasi von seinem eigenen Klerus gewählt.

Die Kardinäle bilden drei Gruppen. Besonderen Einfluss haben die sechs Kardinalbischöfe, die aus der römischen Kurie hervorgehen. Ihnen sind vom Papst die Rom umgebenden (suburbikaren) alten Bischofssitze anvertraut, an ihrer Spitze steht der Dekan des Kardinalskollegiums, derzeit Kardinal Bernardin Gantin aus Benin.

In der Rangordnung folgen die Kardinalpriester, in der Regel Erzbischöfe und Metropoliten aus aller Welt, die der Papst zu Kardinälen erhoben hat. Doyen dieser Ordnung ist der einzige noch von Papst Johannes XXIII. ernannte Kardinal, der Wiener Alterzbischof Franz König.

Wer seine Hauptfunktion an der Kurie in Rom hat und Kardinal wird, gehört zunächst zu den Kardinaldiakonen, kann aber nach zehn Jahren zum Kardinalpriester oder Kardinalbischof befördert werden. Der dienstälteste Kardinaldiakon - derzeit der Italiener Pio Laghi - darf den Namen des neugewählten Papstes von der Mittelloggia von St. Peter verkünden.

Die ab 1059 eingeführte Beschränkung der Papstwahl auf die Kardinäle, zunächst sogar nur auf die Kardinalbischöfe, war von Anfang an umstritten, der Zuwachs der päpstlichen Macht und Autorität weit über Italien hinaus ließ auch den Wunsch nach einem international stärker verankerten Senat der Kirche laut werden. So fragte schon der heilige Bernhard von Clairvaux (1091-1153) bezüglich der Kardinäle: "Ist es nicht vernünftig, dass sie, deren Pflicht es ist, allen Nationen gerecht zu werden, auch aus jeder Nation gewählt werden?"

Doch durch Jahrhunderte stellten - abgesehen von der französischen Dominanz in der Avignon-Zeit im 13. Jahrhundert - die Italiener die klare Mehrheit im Kardinalkollegium, dem nach einem Rekord von 76 im Jahr 1565 bis zum Jahr 1958 maximal 70 Männer angehörten. Derzeit gibt es 179 Kardinäle, von denen 130 - zehn mehr als die festgelegte Norm - zur Papstwahl berechtigt sind. Allein der heutige Papst hat in acht Konsistorien insgesamt 201 Männer zu Kardinälen gemacht.

Die nationalen und kontinentalen Gewichte haben sich im abgelaufenen Jahrhundert stark verschoben. Stellten die Italiener im Konklave von 1939 noch 56,5 Prozent der Wähler, hielten sie 1978 nur noch bei 23,7 Prozent und liegen jetzt bei 17,7 Prozent. Kamen 1939 noch 88,8 Prozent der Kardinäle aus Europa, waren es 1978 nur noch genau 50 Prozent, heute sind es 47,7 Prozent. Dagegen stieg der Anteil der Lateinamerikas seit 1939 von 3,2 auf 20 Prozent. Jener Asiens kletterte seit 1939 von 1,6 auf 10 Prozent und jener Afrikas von 0 auf 9,2 Prozent, wobei er in beiden Fällen sogar schon höher lag.

Angesichts dieser Zahlen liegt nahe, dass der nächste Papst aus Europa oder aus Lateinamerika kommt. Neben den Italienern Dionigi Tettamanzi (Genua), Carlo Martini (Mailand) und Marco Cé (Venedig) werden vor allem Dario Castrillión Hoyos (Kolumbien) und Oscar Andrés Rodríguez Maradiaga (Honduras) genannt. Letzterer gehört freilich noch zu den nur sieben Elektoren, die noch nicht das 60. Lebensjahr vollendet haben. 40 Wähler sind zwischen 60 und 70 Jahre alt, aber 83 Elektoren gehen bereits auf ihren 80. Geburtstag zu. Werden betagte Wähler nicht auch eher zu einem älteren Kandidaten neigen?

Das Kollegium ist bunter und internationaler geworden, Laien, wie es sie bis ins 19. Jahrhundert darin gab, sind freilich nicht mehr vertreten. Heute ist erwünscht, dass Kardinäle die Bischofsweihe haben oder bald nach ihrer Erhebung erhalten, bei einzelnen älteren Theologen, die in den letzten Jahren den Purpur erhielten, wurde darauf verzichtet, die Einhaltung dieser Regel einzufordern, die mehr kirchenrechtlich als theologisch fundiert ist (da das Kardinalat keiner eigenen Weihe bedarf). Anregungen, auch Frauen die Kardinalswürde zu verleihen, stießen jedenfalls bisher in Rom auf Unverständnis.

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