Außerhalb der Universitäten

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Die "Theologischen Kurse" gibt es seit 60 Jahren in Wien, seit einem halben Jahrhundert als Fernkurs. Sie haben das Leben von tausenden Menschen verändert.

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Die "Theologischen Kurse" gibt es seit 60 Jahren in Wien, seit einem halben Jahrhundert als Fernkurs. Sie haben das Leben von tausenden Menschen verändert.

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Wofür leb ich? Wo geht das hin? Was hat das Leben für einen Sinn?" Mit diesen Fragen schrieb sich der Weinbauer Hans Umathum in die Theologischen Kurse ein. Er war kein junger Mensch mehr: nach dem Krieg hatte er sein Weingut durch Technologieschübe und Landwirtschaftskrisen hindurch mit viel Arbeit zum florierenden Betrieb gemacht.

Da raffte ein Hautkrebsmelanom seinen ältesten Sohn Johann hinweg, der damals 33 Jahre jung und Religionslehrer war. Um in Tübingen Theologie zu studieren, hatte er die Übernahme des elterlichen Gutes verweigert. Der Vater respektierte sein Interesse ließ ihm die Freiheit. "Zwei Jahre hat er ums Leben gekämpft, es war schrecklich, zusehen zu müssen. Auf einmal denkt man anders", erinnert sich Umathum an die größte Krise seines Leben. Er versuchte zu begreifen, was seinen Sohn so fasziniert hatte. "Ich wollte meinem Glauben auf den Grund gehen." Umathum schrieb sich in den "Theologischen Fernkurs" ein.

Drei Jahre lang studierte er über 1.500 Seiten Skripten: Altes und Neues Testament, christliche Philosophie, Fundamentaltheologie, Kirchengeschichte, Liturgik, Theologie der Spiritualität, Dogmatik, Moraltheologie, Kirchenrecht und Pastoraltheologie. Jetzt kennt Umathum den Glauben, der sein Leben bestimmt. Ein ehemaliger Mitschüler wies ihn auf die Wallfahrt nach Santiago de Compostela hin. Der 72-Jährige packte diesen Sommer einen Rucksack und pilgerte einen Monat 500 Kilometer zu Fuß durch Spanien bis nach Santiago.

Trotz Venenstau im Fuß und ohne Spanischkenntnisse kam er dort an. "Man glaubt gar nicht, was das für eine Hilfe ist. Man geht in sich, ins Gebet, erlebt am Weg lauter kleine Wunder und trifft viele hilfsbereite andere Pilger. Vielleicht geh ich noch einmal", sagt er. Umathum ist nicht der einzige, dessen Leben durch die Theologischen Kurse nachhaltig verändert und vertieft worden ist.

Mitten im Krieg 1940 als Hilfestellung für durch die Ideologie des Nationalsozialismus verunsicherten Christen gegründet, haben die Kurse bis heute nichts von ihrer Sprengkraft verloren. "Lohnt es sich, für diesen Glauben Erschwernisse - auch im Beruf - auf sich zu nehmen, vielleicht sogar ins Gefängnis, nach Dachau zu gehen?" Diese Frage brauchte Gewissenserforschung, ernsthafte Suche nach den Wurzeln des Glaubens.

"Was mich immer fasziniert hat, ist die Zusage, dass jeder Unersetzbares in die Kirche einzubringen hat, als Mann oder Frau gerufen ist", so formulierte es die Margarete Schmid (1914-97), die die Theologischen Kurse 1940 ins Leben gerufen und bis 1980 geleitet hat. Der legendäre Wiener Seelsorgeamtsleiter Karl Rudolf und der charismatische Otto Mauer unterstützten sie.

Selbst der Krieg konnte die Gläubigen nicht abhalten, auf den Stephansplatz zu den Vorlesungen zu kommen. Abgesehen von einer dreiwöchigen Unterbrechung zu Kriegsende fanden sie bis heute kontinuierlich statt. Das große Interesse führte 1950 zur Gründung der Fernkurse, deren Echo die Grenzen sprengte: über die Hälfte der Teilnehmer kamen aus Deutschland. 1970 wurde für diese Hörer der "Würzburger Kurs" gegründet.

Die wesentliche Zielsetzung hat sich seit den Anfängen nicht verändert: "Unter Anleitung von Fachtheologen sollten Christen und Christinnen ihren Glauben auf demselben Niveau theologisch bedenken und begründen lernen, auf dem sie auch in anderen Bereichen argumentieren. Da Glaube nur fruchtbar wird, wenn er sich in Person, Glaubensgemeinschaft und Gesellschaft auswirkt, entschloss sich jeder einzelne Teilnehmer im Rahmen seiner Möglichkeiten zum Engagement. Es sollte nicht nur um eine 'Theologie des Kopfes', sondern um eine 'Theologie des Herzens' gehen, damit sie den ganzen Menschen erfasse und verändere. Diese drei Akzente haben in der 'verfolgten Kirche' von damals und in der 'freien Kirche' von heute ihre Geltung", formulierte Margarete Schmid 1980.

Theologie des Herzens Die "Theologie des Herzens" verändert noch im Millenniumsjahr das Leben der Kursteilnehmer und kennt keine Scheu vor der Gegenwart.

"Wir wollen auch ,unangenehme' Glaubensinhalte klären. Es geht um einen Glauben, der befreit", meint Erhard Lesacher, der interimistische Leiter der Kurse. "Das Grundanliegen der Theologischen Kurse ist es, Menschen einen Blick auf die ,Glutkerne' des christlichen Glaubens zu eröffnen - jenseits von Kirchenfrust und oberflächlicher Kritik. Für Christinnen und Christen geht es, bei aller innerkirchlicher Polarisierung, letztlich um die existentielle Tragfähigkeit der eigenen Gottesbeziehung. Es geht darum, sich die Freude am Glauben von niemanden nehmen zu lassen."

Eine systematische und zeitgemäße Einführung in die verschiedenen Fach- und Themenbereiche der Theologie hilft, einen fundierten, selbstbewussten Standpunkt zu finden. Kritische Mündigkeit, eine Vertiefung des persönlichen Glaubens statt bloßer Wiederholung traditioneller Formulierungen. Diese Haltung macht es möglich, mit Kritik umzugehen und angstlos in den Dialog mit anderen zu treten.

Lesacher verfolgt sein Ziel mit Fingerspitzengefühl: "Der Wandel von Theologie und Glaube, den das II. Vatikanum eingeleitet hat, ist noch nicht überall eingesickert. Neue theologische Sichtweisen muss man behutsam transportieren. Wir wollen argumentativ ein neues, ,gegenwartssensibles' und dabei ,ursprungstreues' theologisches Glaubensverständnis vermitteln und Brücken zwischen ,früher' und ,jetzt' schlagen. All das soll von einer Haltung theologischer ,Demut' geprägt sein, die nicht davon ausgeht, dass die heutige Theologie ,besser' ist als die herkömmliche. Sie ist nur zeit- und situationsgemäßer - nicht zuletzt deshalb, weil sie sich bewusst ist, dass theologisches Sprechen immer hinter der Wirklichkeit ,Gott' zurück bleibt."

Ringen um Berufung Dieser Gott wirkt in den Menschen, er lässt aus Interesse Berufung werden. "Es kam nicht aus heiterem Himmel. Ich hab mich in zähem Ringen dazu entschieden, und mich gegen diese Zumutung gewehrt", beschreibt Raimund Rath, wie er um den Entschluss kämpfte, Diakon zu werden. Als 40-Jähriger belegte er die Theologischen Kurse, um die Fragen seiner Töchter zum Glauben beantworten zu können. Dabei hat er seine eigene Antwort gefunden und in mittlerweile 16 Berufsjahren als Diakon noch wesentlich mehr Menschen in Glaubensfragen geholfen. Vier bis fünf Predigten täglich hielt er zu seinen besten Zeiten, dazu übernahm er Taufen, Trauungen, Begräbnisse. Er hat gelernt, Familie, Beruf und Amt so unter einen Hut zu bringen, dass keines zu kurz kommt. "Vom Schreibtisch aufstehen, den weißen Arbeitskittel mit dem schwarzen Trauergewand zu tauschen, um ein Begräbnis zu halten", ist immer noch nicht einfach. Rath schafft es, es macht ihm Freude. Genauso wie die Altenbetreuung, in der er sich heute am meisten einsetzt.

Glauben hat immer mit dem Leben zu tun. Ob in der Begleitung bis ans Lebensende, am Krankenbett, im Frauenhaus oder zwischen Cineplex und Cyberspace: von der offenen Jugendarbeit bis hin zur Sterbebegleitung findet angewandte Theologie ihren Weg zu den Menschen.

Am 28.9. um 19.00 wird im Krankenhaus der Barmherzigen Schwestern Diakon Raimund Rath neben anderen Absolventen zur Krankenhausseelsorge referieren, am 3.10 um 19.30 widmen sich Erna Nußbaumer, Barbara Filek und Andrea Lehner-Hartmann der Frauenarbeit, während das Jugendcafe "Ephata" in der Gumpendorferstraße am 5.10. um 19.00 unter der Federführung von Jugendstellenleiter Niki Heger den Beweis antritt, dass Theologie auch für die Joungsters eine spannende Sache ist. Die spirituelle Komponente kommt am 11.10. bei einem Festgottesdienst mit Kardinal Christoph Schönborn in St. Stephan zum Tragen.

Der kommende Jahrgang der Theologischen Kurse beginnt im Oktober. Der Wiener Kurs umfasst 3 Stunden pro Woche in den Kursräumen in Wien (Dauer: zwei Jahre). Im Fernkurs wird monatlich schriftliches Studienmaterial zugesandt (27 Monate), das dann auf 2-3 Studienwochen bzw. 10-14 Studienwochenenden (heuer in Innsbruck, Salzburg, St. Georgen und Wien) besprochen wird.

Veranstaltungen: Zum Jubiläum der Theologischen Kurse Wien Theologie am Krankenbett mit Erich Richtarz (Leiter der Krankenhausseelsorge Wien) Donnerstag, 28. September, 19 Uhr Krankenhaus der Barmherzigen Schwestern, 1060 Wien, Stumpergasse 13 Theologie im Frauenhaus mit Andrea Lehner-Hartmann (Religionspädagogin, Schwerpunkt: Gewalt in Familien) Dienstag, 3. Oktober, 19 Uhr Haus Miriam , Übergangswohnheim für Frauen, 1180 Wien, Schopenhauerstr. 10 Theologie in Cineplex und Cyberspace mit Christian Friesl (Pastoraltheologe, Jugendforscher) Donnerstag, 5. Oktober, 19 Uhr Jugendcafe "Ephata", 1060 Wien, Garbergasse 14 Festgottesdienst & Festakt mit Kardinal Christoph Schönborn, Weihbischof Helmut Krätzl Mittwoch, 11. Oktober, 18 Uhr Stephansdom & Erzbischöfliches Palais, 1010 Wien, Wollzeile 2 Tirol Festgottesdienst & Festvortrag mit Prof. Hans Rotter und Prof. Walter Kirchschläger Freitag, 20. Oktober, 18 Uhr Jesuitenkirche & Kath.-Theol. Fakultät, 6020 Innsbruck, Karl-Rahner-Platz 1 Theologische Werkstätten Referent(inn)en des Fernkurses geben Einblick in ihre Arbeit Samstag, 21. Oktober, 9 bis 16 Uhr 30 Kath.-Theol. Fakultät Innsbruck Kärnten Traumbilder als lebensbilder Träume in Bibel und Psychotherapie - mit Arnold Mettnitzer, Priester und Psychotherapeut Freitag, 10. November, 17 Uhr bis Samstag, 11. November, 17 Uhr Bildungshaus, 9313 St. Georgen am Längsee Informationen über Kurse und Jubiläum: www.kath-kirche.at/Theologische-Kurse Tel.: 01/51552-3701 (Wiener Kurs) oder-3703 (Fernkurs). Der Wiener Kurs umfasst 3 Std./Woche in Wien (Dauer: zwei Jahre). Im Fernkurs wird monatlich Studienmaterial zugesandt (27 Monate), das auf 2-3 Studienwochen beziehungsweise 10-14 Studienwochenenden vertieft wird.

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