Aussöhnung im Land der Blutrache

19451960198020002020

In Albanien entsteht ein katholisches Bildungshaus: Josef Kopeinig, Rektor des slowenischen Bildungshauses Tainach/Tinje in Kärnten, erzählt über das Projekt und seine Erfahrungen vor Ort.

19451960198020002020

In Albanien entsteht ein katholisches Bildungshaus: Josef Kopeinig, Rektor des slowenischen Bildungshauses Tainach/Tinje in Kärnten, erzählt über das Projekt und seine Erfahrungen vor Ort.

Werbung
Werbung
Werbung

Obwohl in Kärnten eines der beiden katholischen Bildungshäuser vor dem Aus steht, machte sich die Idee einer solchen Einrichtung in Shkoder, Albanien, auf den Weg der Konkretisierung - von Tainach aus, vom slowenischen Bildungshaus "Sodalitas". Den Anstoß dazu gaben Reisen seines Leiters, Rektor Josef Kopeinig, in das Land mit dem Erbe der längsten politischen Isolation in Europa. Jetzt wird die Idee als Pionierprojekt umgesetzt.

die furche: Warum ist gerade ein katholisches Bildunghaus eine Antwort auf die Situation in Albanien?

Rektor Josef Kopeinig: Religionsausübung war in der kommunistischen Zeit unter Todesstrafe verboten. Die Gesellschaft nach der Wende in Albanien ist entsolidarisiert. Der Glaube hat trotzdem überlebt. Jetzt muss man den Menschen auch Möglichkeiten bieten, sich klar zu werden, was sie nach der Taufe sind. Bei dieser Positionierung brauchen sie Hilfe. Und bei alledem darf man nicht aus dem Auge verlieren, dass Evangelisieren auch immer soziale Arbeit bedeutet. Aus diesem Grund stehe ich hinter dem Bildungshaus Shkoder.

die furche: Die Idee gibt es seit drei Jahren. Warum der verzögerte Start?

Kopeinig: Wir wollten zunächst eine Kombination erzielen: einer Friedensschule und eines Bildungshauses. Das hat sich zerschlagen, weil das Aufbauen auf jenen Albanern die nach Österreich geflüchtet und ihre Haut gerettet haben, nicht möglich war. Deshalb setzen wir jetzt auf die Zusammenarbeit mit den Salesianern.

Ein solches Angebot gibt es in Albanien noch nicht. Aus den Gesprächen mit den Menschen vor Ort habe ich die Überzeugung gewonnen, dass gerade auf pädagogischem Gebiet sehr viel Aufbauarbeit nötig ist. Die Katecheten, die jetzt im Salesianerzentrum in Shkoder ausgebildet werden, müssen mit neueren Methoden aus der Gruppenarbeit vertraut gemacht werden. Deshalb haben wir schon mit Gestalttherapie begonnen: Der Kurs hat ergeben, dass da große pädagogische Bedürfnisse sind. Hier möchten wir mit den Teilnehmern maßgeschneiderte Modelle erarbeiten. So haben zum Beispiel die Lehrer (die aus Graz und Ljubljana kamen) bemerkt, dass es den Teilnehmern schwerfällt, Fragen zu stellen. Das sind sie einfach nicht gewohnt. Also gilt es, ihnen die Elemente eines modernen Unterrichts näher zu bringen.

die furche: Welche Gruppen sollen angesprochen werden?

Kopeinig: Jetzt sind es einmal die Katecheten, die in Shkoder in einem Dreijahreskurs ausgebildet werden und dann in die Ortschaften hinausgehen sollen, um dort Religionsunterricht zu erteilen. Sie sollen gleichsam die Pioniere sein - für ein späteres, breiter gefächertes Angebot. Über sie möchten wir vor allem die Kinder und ihre Eltern erreichen und ihnen pädagogische Hilfestellung anbieten.

die furche: Wollen die Menschen Bildung? Wie steht es um die Schulbesuchsdisziplin?

Kopeinig: In der Stadt kommen sie schon in die Schule. Am Land draußen muss man die Eltern motivieren, ihnen die Sinnhaftigkeit zeigen - für die Familien insgesamt. Sonst setzen sich die von den Medien verbreiteten Bilder des Schlaraffen-Westens in den Köpfen fest und die Leute haben nur noch ein Ziel: die Flucht. Viele haben mich angesprochen, ihnen Arbeit im Westen zu besorgen. Von anderen Hilfsorganisationen wissen wir, dass die Solidarität in der Bevölkerung sehr gering ist - sie spüren noch keine Verantwortung für eine eigene Gesellschaft. Gerade darum geht es aber: Bildungsarbeit kann diese Menschen einige Chancen selbst erkennen lassen.

die furche: In welchem Umkreis soll dies geschehen?

Kopeinig: Auf dem Gebiet der Diözese Shkoder - weil dort auch der größte Anteil von Katholiken ist. Das Bildungshaus selbst soll aber interkulturell geführt werden. Die Verantwortung liegt schon bei der Kirche, bei der Diözese und den Salesianern, aber es sollen genauso orthodoxe und muslimische Kinder und Erwachsene Zutritt haben und willkommen sein. Natürlich beginnen wir auch mit einem dezentralen Programm und konzentrieren nicht alles auf Shkoder. Das zentrale Haus soll Angebot und Treffpunkt werden, aber mobile Teams werden kleine Bildungsprogramme zu Erziehung, Haushalt, landwirtschaftliche Hilfestellung anbieten. Das ist wichtig, denn man kann nicht bei den abenteuerlichen Straßen und öffentlichen Verbindungen erwarten, dass die Leute eine Entfernung von 20 Kilometern überbrücken sollen.

die furche: Sie sind Präsident des Verbandes der europäischen katholischen Bildungshäuser. Ist dies eine gemeinsam getragene Idee?

Kopeinig: Ich habe die Präsidentschaft der europäischen katholischen Bildungshäuser nur deshalb übernommen, weil sich der Plan für so ein Großprojekt auf europäischer Ebene leichter realisieren lässt. Das ist nicht meine persönliche Aktion, obwohl sie vom Bildungshaus Tainach/Tinje ausging. Ideen müssen inkarnieren: Hier geht es darum, in solidarischer Einigkeit zu arbeiten. Meine Aufgabe ist dabei, viel Motivation auf dieser Ebene in Schwung zu bringen - und in Schwung zu halten. Und mit meinen Kollegen verschiedene Möglichkeiten auszuloten, wie wir für das Projekt werben und sammeln können. Zuerst wird es Bewusstseinsbildung über Künstler aus Albanien geben, die in verschiedenen Bildungshäusern auftreten werden. In Shkoder selbst beginnt das Haus jetzt im Frühjahr Künstler einzuladen.

die furche: Aussöhnung ist in Albanien ein großes Thema. Wird das Haus hier eine Funktion einnehmen?

Kopeinig: Aussöhnung und Mediation sind wegen der wieder aufgeflammten Blutrache ein wichtiges Thema, an dem schon einige arbeiten. Besonders ein Team von Sozialarbeitern ist erfolgreich: Sie besuchen die betroffenen Familien und es ist ihnen gelungen, in sehr vielen Fällen Versöhnung per Handschlag zu erreichen, was dort die Qualität eines gesicherten Vertrages hat. Wir möchten, dass die Katecheten mit diesen Gruppen kooperieren.

die furche: Wird die EU bei der Finanzierung helfen?

Kopeinig: Ohne Brüssel-Geld wird es nicht gehen. Wir reichen die Bildungsprogramme in Shkoder als Mikroprojekt zur EU-Förderung ein. Die europäischen Bildungshäuser sollen mit der Finanzierung eines Angestellten helfen. Der designierte Direktor des Bildungshauses war gerade bei uns in Tainach, damit er sieht, wie solche Arbeit funktioniert. Ich möchte aber nicht, dass wir den Menschen in Shkoder etwas vorsetzen - es muss aus ihren Bedürfnissen wachsen. Es ist ihr Haus. Ende März fahre ich wieder hinunter. An konkreter Hilfe haben wir schon zwei Container mit Schulmöbeln, Schreibmaschinen und Computern hingeschickt - teils fürs Bildungshaus, teils für Pfarren, in denen ich selbst Kinder in der so genannten Schule auf dem Boden sitzen gesehen habe. Die Hilfsgüter haben Kärntner Schulen zur Verfügung gestellt. Ein dritter Container wird bereits vorbereitet.

Spenden Wer das Projekt unterstützen will, kann es über das Konto der Missionskanzlei des Slowenischen Seelsorgeamtes der Diözese Gurk bei der Kärntner Sparkasse Nr. 0000-137224, Kennwort "Bildungshaus Albanien" tun.

Ein Thema. Viele Standpunkte. Im FURCHE-Navigator weiterlesen.

FURCHE-Navigator Vorschau
Werbung
Werbung
Werbung