"Barmherzigkeit auch für die Schöpfung"

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Erwin Kräutler setzt sich als Bischof von Xingu in Brasilien seit Jahren für die indigene Völker und für die Umwelt ein -auch wenn der von ihm mitgetragene Widerstand gegen das Mega-Staudamm-Projekt Belo Monte gescheitert ist. Die FURCHE sprach mit Dom Erwin noch vor deren Erscheinen über die Enzyklika "Laudato Si'".

DIE FURCHE: Es heißt, der Papst hat Sie um einen Input für seine Öko-Enzyklika gebeten. Dom Erwin Kräutler: Ich war in Rom und hatte Privataudienz beim Papst, und eines der Themen war tatsächlich die Situation in Amazonien - die Ökologie und die indigenen Völker. Und da hat er gesagt, er sei daran, eine Enzyklika über die Ökologie zu schreiben. Aber er hat gleich dazu gesagt "ecologia humana", also er bringt den Menschen auch in die Ökologie hinein. Es ist sein Anliegen, eben nicht zu sagen: dort die Umwelt - hier der Mensch. Da habe ich zu ihm gesagt: Wenn das passiert, dann darf Amazonien nicht fehlen - die Zerstörung, die skrupellose Ausbeutung, die für die ganze Menschheit Folgen haben wird. Und im Zusammenhang mit Amazonien dürfen die indigenen Völker auch nicht fehlen. Indigene Völker gibt es ja weltweit -und die leben in einer besonderen Situation, sind oft vom Tod bedroht. Ich habe dem Papst gesagt, das müsse in einem päpstlichen Schreiben auch zur Sprache kommen. Er wart sofort einverstanden und hat gesagt, der Kardinal Peter Turkson,

DIE FURCHE: der Präsident des Päpstlichen Rates für Gerechtigkeit und Frieden,

Kräutler: sammelt das alles, und mit ihm habe ich auch darüber geredet. Ähnliche oder andere Vorschläge aus der ganzen Welt sind bei ihm eingetroffen. Das musste dann natürlich in eine Form gebracht werden. Aber ich bin überzeugt, dass Franziskus das Ganze dann genau durchgeackert hat, und seine Handschrift ist dann im Dokument genau zu lesen -wie etwa im Abschlussdokument der Lateinamerikanischen Bischofsversammlung von Aparecida 2007, das er als Erzbischof von Buenos Aires redigiert hat. DIE FURCHE: Was wäre seine Handschrift?

Kräutler: Dass man sofort merkt, er kommt aus Lateinamerika, er kennt die ganze Geschichte aus eigener Erfahrung. Und dass seine Anliegen deutlich werden: Wenn Papst Franziskus etwa von Barmherzigkeit spricht, geht es nicht nur um Barmherzigkeit mit Menschen in Not, sondern auch um Barmherzigkeit mit der Schöpfung, die uns der liebe Gott geschenkt hat. Franziskus hat eine ganz wunderbare Art, diese Dinge in Einklang zu bringen. In seiner Enzyklika wird zum Ausdruck kommen, dass der Mensch einen Auftrag hat, dass wir nicht die letzte Generation sind und Verantwortung tragen für die zukünftigen Generationen. Dann wird er den Menschen als Bevölkerungsgruppe, als Staaten und auch internationalen Organisationen wie der UNO seine Meinung sagen. Es ist längst an der Zeit, dass ein päpstliches Wort in dieser Hinsicht kommt.

DIE FURCHE: In den letzten 125 Jahren waren die Päpste bemüht, die Katholische Soziallehre in Bezug auf Mensch und Arbeit auszudrücken. Kann man die neuen Enzyklika als Versuch sehen, die kirchliche Soziallehre in einen größeren Kontext zu stellen?

Kräutler: Eindeutig. Denn das hat gefehlt. Die Katholische Soziallehre ist etwas Wunderbares und im Laufe der Jahre gewachsen -von 1891, als Leo XIII. die erste Sozialenzyklika "Rerum Novarum" veröffentlichte, bis heute: Das war ein weiter Weg. Aber die Kirche hat zu wenig im Zusammenhang mit ökologischen Problemen gesagt. Da ist sie mehr oder weniger noch schnell auf den fahrenden Zug aufgesprungen. Sie hat bislang nicht so Stellung genommen, wie sie es bei der Arbeiterfrage oder anderen sozialen Problemen getan hat. Es gibt wunderbare päpstliche Aussagen zur Ökologie -von Paul VI., Johannes Paul II., Benedikt XVI, es gibt Ansprachen, auch Dokumente, in denen sie sich geäußert haben oder bei anderen Anlässen. Aber ein päpstliches Schreiben nur zu diesem Thema gab es bisher nicht.

DIE FURCHE: Was sind für Sie die zentralen Punkte, mit denen sich die Kirche in Bezug auf die Ökologie äußern sollte?

Kräutler: Es geht vereinfacht gesagt um die gemeinsame Verantwortung für die Zukunft der Menschheit. Die Menschheit hat null Zukunft, wenn die Mitwelt nicht respektiert wird. Das heißt mit anderen Worten, der Papst wird darüber reden, dass wir genügsamer leben sollten, und dass wir auf viele Dinge verzichten müssen und den Luxus einfach nicht brauchen.

Mein Leben für Amazonien Von Erwin Kräutler gem. mit Josef Bruckmoser Tyrolia 2014.232 Seiten, geb. € 22,95

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