Barockes Lebensgefühl

Werbung
Werbung
Werbung

Im furche-Interview spricht Johann Kräftner, Direktor des Liechtenstein Museums in Wien, über den Fokus seines Hauses, künftige Projekte und die Notwendigkeit, zwischen Barock und Biedermeier auch der Gegenwart manchmal ihren Platz einzuräumen.

Die Furche: Herr Direktor Kräftner, vor eineinhalb Jahren wurde unter ihrer Leitung das Lichtenstein Museum wiedereröffnet. Das Konzept, ein "barockes Gesamterlebnis" zu vermitteln, scheint aufgegangen zu sein: Sie werden mit Lob und Auszeichnungen überhäuft.

Johann Kräftner: Dieser Erfolg zeigt, dass wir den richtigen Weg gegangen sind. Ein Weg, der vor allem international anerkannt wird; wir sind für die wichtigen Galerien, Sammlungen und Museen der Welt Partner geworden. Es gelingt uns nun leicht, von diesen Partnern wichtige Leihgaben zu bekommen - was für uns am Anfang nicht selbstverständlich gewesen ist.

Die Furche: Sie erweitern die Sammlung ständig, haben in den vergangenen Jahren spektakuläre Ankäufe getätigt, darunter Gemälde von Friedrich von Amerling und Ferdinand Georg Waldmüller sowie Skulpturen von Giambologna und Mantegna. Welche Strategie verfolgen Sie bei Neuerwerbungen?

Kräftner: Es schaut fürs Erste sehr heterogen aus, aber es haben alle Ankäufe Sammlungsgebiete betroffen, die im Haus schon abgedeckt waren, wo wir einfach Sammlungsteile im Blick auf die Zukunft verstärken wollen oder vielleicht in einem Sammlungsgebiet eine ganz neue Facette anreißen wollen.

Die Furche: Was wollen Sie im Liechtenstein Museum noch verbessern?

Kräftner: Wir haben einfach nicht die Besucherzahlen, mit denen wir gerechnet haben - wir hatten im ersten Jahr 220.000 Besucher, heuer werden es sicher weniger sein - trotz maximalem Einsatz in der Werbung und großzügigen Öffnungszeiten. Hier müssen wir nachjustieren.

Die Furche: Im Zuge der Giuliani-Schau gab es erstmals die Möglichkeit, das Stadtpalais Liechtenstein in der Bankgasse zu besichtigen. Wird dort 2009 ein zweites Liechtenstein Museum eröffnet?

Kräftner: Wir denken darüber nach. Sicherlich werden wir das Haus restaurieren. Das Konzept ist, dass wir die reichhaltige Biedermeier-Sammlung in stärkerer Form präsentieren. Dann gäbe es hier einen Schwerpunkt Barock und im anderen Haus, so das realisiert werden sollte, würde ich die Wiener Malerei des Klassizismus und des späten 19. Jahrhunderts unterbringen. Als Gegenpol dort schwebt mir die Gotik vor, die ich der Biedermeier-Malerei gegenüberstellen möchte. Der "missing link" zwischen den beiden ist für mich die Nazarener Malerei. Aber gute Nazarener Bilder zu kriegen, ist nicht so leicht.

Die Furche: Derzeit gibt es eine Ausstellung mit barockem Porzellan. Welches Projekt planen Sie als Nächstes?

Kräftner: Im Herbst 2006 gibt es die "Malerei unter dem Vesuv". Hier möchte ich neapolitanische Malerei zeigen - vor allem aus einer unserer Partnersammlungen, der Sammlung Harrach. Ich möchte mich aber nicht mit dem Barock begnügen, sondern ins 19. Jahrhundert hinaufgehen.

Die Furche: In der Wiener Museumslandschaft tobt ein Konkurrenzkampf. Sollten sich die Museen stärker auf ihre "Kernkompetenz" beschränken? Gibt es zu viele ähnliche Museen in Wien?

Kräftner: Es muss eine gewisse Offenheit geben, und ich finde den Kontrast in einem Museum, das alte Meister hat und diese dann einem lebenden oder vor kurzem verstorbenen Maler gegenüberstellt, sehr spannend. Aber natürlich sollte man wissen, wo seine Kompetenz liegt. Wir halten uns an ein stringentes Konzept, und das ist die Welt des Barock auf der einen Seite und der Sammlungsschwerpunkt des Biedermeier auf der anderen Seite.Unser Eigentümer will diese Stringenz, und das haben wir zu akzeptieren. Ich finde, es sollte auch eine Frage des Eigentümers sein und nicht eine der persönlichen Freiheiten der Museumsdirektoren. Wenn morgen allen Direktoren einfällt, nur noch Gegenwartskunst zu zeigen, dann ist das nicht im Sinne des Eigentümers.

Die Furche: Wenn Sie diesen Dialog mit der Gegenwartskunst hier im Haus nicht suchen, könnte Ihr Museum dann nicht eine allzu historische Aura bekommen?

Kräftner: Das kann eine Stärke sein. Manchmal wäre es aber natürlich auch wichtig, Konfrontationen mit der Gegenwart zu suchen. Wir tun dies auch gelegentlich mit Literatur und Musik.

Die Furche: Im Zuge der Museums-Debatten hieß es immer wieder, die Museen trachteten nur noch danach, sich mit publikumswirksamen Ausstellungen gegenseitig zu übertrumpfen, und so etwas wie Forschung finde kaum noch statt. Gibt es in Ihrem Haus Raum und Ressourcen für Forschungsprojekte?

Kräftner: Gerade am Anfang haben wir darauf Wert gelegt, nicht mit großen Namen zu pokern, sondern das Haus als solches zu präsentieren und zu zeigen, dass uns diese inhaltliche Stringenz und das Aufarbeiten von Themen sehr wichtig ist: deswegen Giuliani, der von vornherein nicht als großer Publikumsmagnet geplant war. Dieser Giuliani ist vollkommen verkannt und unaufgearbeitet gewesen. Aber er ist für das Haus Liechtenstein und für den Wiener Barock von ganz zentraler Bedeutung. Wir wollten als Zeichen gleich zu Beginn unsere wissenschaftliche Kompetenz unter Beweis stellen, aber auch dem Haus und seiner Geschichte Referenz erweisen. Mit einem großen Namen, den wir irgendwo eingekauft hätten, hätten wir sicher einen größeren Publikumserfolg erzielen können.

Die Furche:

Die Liechtensteinischen Sammlungen entstanden im barocken Ideal kunstsinnigen fürstlichen Mäzenatentums. Worin sehen Sie denn die Aufgabe eines Museums heute im gesellschaftspolitischen Sinn?

Kräftner: Ich glaube, ein Museum wie das unsere ist einfach dazu da, Menschen die Augen zu öffnen und sie zum Schauen anzuleiten. Ich will nicht ein Museum leiten, in dem eine oberflächliche Schaukultur und "Namedropping" vermittelt wird. Die meisten Leute verbringen in Museen mehr Zeit mit dem Lesen der Labels als mit dem Anschauen der Bilder. Meine Philosophie ist es, die Leute wieder zum Erleben von Kunst zu erziehen. Deswegen auch die Abkehr von den Labels an der Wand.

Die Furche: Aber können Sie mit Ihrem Barock-Konzept überhaupt die Jugend motivieren, ins Museum zu kommen? Sprechen Sie damit nicht ohnehin nur eine bestimmte Oberschicht an?

Kräftner: Also da haben wir erstaunliche Erlebnisse gehabt. Das Barock ist ja ein Feinbild gewesen, und alle haben mir gesagt: "Barock - das geht nicht, das ist ein Un-Thema." Barock ist die letzten paar Jahre aber unglaublich "in" geworden. Barock ist einfach als Lebensgefühl zu einem wichtigen Thema geworden. Das hat auch viel damit zu tun, dass die Leute den Purismus, der lange Zeit regiert hat, satt haben. Viele junge Leute finden heute zu dieser Üppigkeit und zu dieser Formenvielfalt einen Zugang.

Das Gespräch führten Cornelius Hell und Johanna Schwanberg.

Architekt eines neuen Museums

Johann Kräftner, Jahrgang 1951, studierte Architektur mit Schwerpunkt Kunstgeschichte und Denkmalpflege und promovierte in seiner Arbeit über "Das österreichische Bürgerhaus".

Seit 1988 ist er als gestaltender Ausstellungsarchitekt tätig und hat zahlreiche Arbeiten zur Architekturgeschichte und -theorie veröffentlicht.

1998 übernahm Kräftner die Leitung der Abteilung für architektonische Gestaltungslehre des Institutes für künstlerische Gestaltungslehre an der Technischen Universität Wien. Diese legte er im Jahr 2002 zurück, um sich ganz seiner Aufgabe als Direktor der Fürstlichen Sammlungen in Vaduz und des Liechtenstein Museums in Wien zu widmen, das im März 2004 eröffnet bzw. wiedereröffnet wurde, denn bis 1938 bildeten die Sammlungen des Fürsten einen wesentlichen Bestandteil der Wiener Museumslandschaft. Kräftners Vertrag ist auf fünf Jahre befristet, irgendwann wird über eine Verlängerung gesprochen werden, denn "noch macht es mir großen Spaß hier". Das hängt vor allem mit dem Team des Hauses zusammen, und so antwortet Kräftner auf die Frage, welches Stück der Sammlung ihm, wäre er nicht mehr hier, am meisten fehlen würde: "Was mir wirklich abgehen würde, das sind die Mitarbeiter."

Ein Thema. Viele Standpunkte. Im FURCHE-Navigator weiterlesen.

FURCHE-Navigator Vorschau
Werbung
Werbung
Werbung